Vollmachtsnachweis bei Anmeldung von Reiseersatzansprüchen
BGH-Entscheidung vom 17.10.00
Fundstelle: NJW 01, 289 ff
Sachverhalt
Prof Dr. S, Inhaber des Lehrstuhls für
Strafrecht, ähnliche absonderliche Rechtsnebengebiete und angewandte
Freizeitgestaltung, kommt nach Beendigung seines Urlaubs in die
Kanzlei. Er hatte seinen Urlaub an der Ostsee verbracht, aber nicht
ohne Hindernisse: Im Reisebüro A hatte Prof. Dr. S eine Pauschalreise
gebucht. Als er dann aber am Ferienort eingetroffen war, mußte er
sich erst selber ein anderes Hotel suchen, weil das gebuchte Hotel ihm
wegen Überbuchung kein Zimmer zur Verfügung stellen konnte.
Mehrkosten für diese Ersatzunterbringung sollen nun als
Schadensersatz geltend gemacht werden.
B und M ziehen sich mit den
Worten "We don't to travel contract law" in ihre Büros
zurück. W und S erkennen schnell, daß ein Schadensersatzanspruch
nach § 651 g I BGB innerhalb eines Monats geltend gemacht werden muß.
Deshalb setzten sie ein Schreiben an den Reiseveranstalter A auf.
Jetzt fragen die beiden sich nur noch, ob sie dem Schreiben die
Vollmacht von Prof. Dr. S beilegen müssen, oder ob auch eine Kopie
der Vollmacht genügt.
Lösung
Die Vorlage des Originals wäre erforderlich, wenn ansonsten der
Reiseveranstalter A die Anzeige nach § 651 g I BGB gem. § 174 BGB
zurückweisen könnte.
Eine unmittelbare Anwendung des § 174 BGB setzt voraus, daß es
sich bei der Geltendmachung nach § 651 g I BGB um eine
Willenserklärung handelt. Willenserklärungen sind Äußerungen, die unmittelbar auf die Herbeiführung einer
Rechtsfolge gerichtet sind. An diesem finalen Element fehlt es hier
aber. Der Reisende behält seine Rechte aus dem Reisevertrag nämlich
auch dann, wenn seiner Erklärung gar nicht der Wille zugrunde liegt,
sich Gewährleistungsrechte zu erhalten. Der Reisende muß dem
Veranstalter nur anzeigen, daß er gedenkt, wegen eines Mangels gegen
ihn vorzugehen. An diese Erklärung knüpft das Gesetz dann die
Wirkung, daß der Reisende seine Ansprüche behält.
Denkbar wäre es aber, die Anmeldung als geschäftsähnliche
Handlung anzusehen und § 174 BGB auf diese analog anzuwenden.
Geschäftsähnliche Handlungen unterscheiden sich von
Willenserklärungen dadurch, daß kraft Gesetzes Rechtsfolgen
unabhängig vom Willen des Erklärenden an sie angeknüpft werden. Ein
typisches Beispiel einer geschäftsähnlichen Handlung ist die Mahnung
nach § 284 I BGB.
Der BGH ordnet trotz z.T. gegenteiliger Ansichten in Literatur und
Rechtsprechung die Anmeldung nach § 651 g I BGB als
geschäftsähnliche Handlung ein. Die Gewährleistungsansprüche
entstehen zwar nicht erst mit der Anmeldung, sondern bereits mit ihrem
Vorliegen. Das hat aber nicht zur Folge, daß die Anmeldung keinerlei
Rechtsfolgen auslöst. Vielmehr hat diese eine rechtserhaltende
Wirkung. Sie bildet eine Voraussetzung für die spätere Durchsetzung
der Rechte und geht damit über die bloße Mitteilung von Tatsachen
hinaus (Die Anzeige ist damit mit der handelsrechtlichen Mängelrüge
nach § 377 HGB vergleichbar).
Nach Ansicht des BGH ist auch § 174 BGB analog auf
geschäftsähnliche Handlungen anzuwenden. § 651 g I BGB beruht auf
dem Gedanken, daß der Reiseveranstalter möglichst schnell von
Mängeln der Reise in Kenntnis gesetzt werden soll, damit er deren
Berechtigung auch rasch überprüfen kann. Ob der Vortrag des
Reisenden zutrifft, läßt sich häufig nur zeitnah ermitteln. Die
Nachforschungen des Reiseveranstalters sind häufig auch mit einem
nicht unerheblichen Aufwand verbunden. Der Reiseveranstalter hat
deshalb ein berechtigtes Interesse daran, daß er Nachforschungen
nicht vergeblich in Gang setzt. Erforderlich für ihn ist daher auch
eine abschließende Klärung der Vollmachtslage, deren Sicherung auch
die Regelung des § 174 BGB dient.
Dem mit § 174 BGB bezweckten Schutz ist nur genügt, wenn die
Vollmacht in Urschrift vorgelegt wird. Einer Kopie oder auch einer
beglaubigten Abschrift läßt sich nämlich nur entnehmen, daß
einmal Vollmacht erteilt war, nicht hingegen, ob diese bei der
Geltendmachung der Ansprüche noch besteht und ob die Vollmacht nicht
etwa durch Zurückforderung der Vollmachtsurkunde entzogen wurde.
W und S werden der Anzeige deshalb das Original der Vollmacht
beilegen.
Über die
Decisions of the Week:
Diese Geschichtensammlung ist
während meiner Promotion an der
Uni Bayreuth entstanden und
erzählt die Geschichte der
Kanzleien R2DO und YO.