Montag Morgen in
der Kanzlei R2DO. Beim Frühstück - natürlich ohne W -
diskutieren S und M den Entwurf eines neuen Türschildes für
das Büro von B, das als nötig befunden wurde, um mögliche
Haftungsrisiken auszuschließen. Mandanten sollen hinterher
nicht sagen können, man hätte sie nicht gewarnt.
Warnung - Blauderauswienix! Behalten Sie
ihre persönlichen Geheimnisse und vertraulichen Informationen
für sich! Weiß es B, weiß es jeder!
Erst nach 10.00 Uhr erreicht ein übernächtigter W die
Kanzlei. Mit knurrendem Magen - Frühstück war keines mehr da
- muß er einen neuen Mandanten beraten. Und auch noch
Arbeitsrecht! Das schlimmste aber ist, S will den Fall nicht
übernehmen, ist er doch sauer, seitdem man ihm als Rache für
seine Specials einen MX-5 zum Geburtstag geschenkt hat.
Der Mandant hat einen Zahlungsanspruch gegen seinen AG.
Dieser weigert sich aber zu bezahlen, da er sich auf eine
Klausel im Tarifvertrag beruft, die vorsieht, daß alle
Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten
nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei
schriftlich erhoben werden. Am letzten Tag der Frist hat der
AN dem AG ein Telefax geschickt, in dem er den Anspruch
geltend gemacht hat.
Ist der Anspruch trotzdem entfallen?
Lösung
Der Tarifvertrag sieht Schriftform vor. Ein Tarifvertrag ist als
Gesetz i.S. des BGB anzusehen und kann somit als Rechtsnorm ein
gesetzliches Schriftformerfordernis i.S. des § 126 BGB begründen. §
126 BGB fordert zur Formwahrung eine eigenhändige Unterschrift. Die
Übermittlung durch Telefax genügt dann nicht.
§ 126 BGB gilt aber nur für Willenserklärungen. Dies folgt zwar
nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut, läßt sich aber daraus folgern,
daß die Vorschrift im Abschnitt über Rechtsgeschäfte und unter dem
Titel Willenserklärungen steht.
Die Erhebung des Anspruchs nach dem Tarifvertrag ist keine
Willenserklärung. Willenserklärungen sind auf die willentliche
Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet. Geschäftsähnliche
Handlungen hingegen sind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet.
Ihre Rechtsfolgen treten kraft Gesetzes ein. Wird nun ein
arbeitsvertraglicher Anspruch geltend gemacht, so hat dies kraft
Gesetzes (nämlich kraft Tarifvertrages) die Folge, daß der Anspruch
nicht verfällt. Ob dies beabsichtigt war, ist unerheblich. Allein an
das Vorliegen der Erklärung wird diese Rechtsfolge geknüpft.
Eine direkte Anwendung von § 126 BGB scheidet somit aus. In Frage
kommt aber eine analoge Anwendung auf geschäftsähnliche Handlungen.
Nach dem BAG sind aber Normzweck und Interessenlage nicht
vergleichbar. Ausschlußfristen dienen dem Rechtsfrieden und der
Rechtssicherheit im Vertragsverhältnis. Der Schuldner soll innerhalb
angemessener Zeit erfahren, ob gegen ihn Ansprüche geltend gemacht
werden sollen. Nach Fristablauf muß er sich darauf verlassen können,
daß er nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Dieser Zweck
erfordert es nicht, daß das Schriftstück nicht nur die mit einem
technischen Gerät erstellte bildliche Wiedergabe der Unterschrift,
sondern die Originalunterschrift wiedergibt. Entscheidend ist allein,
daß einer textlichen Nachricht die Erhebung von Ansprüchen entnommen
werden kann.
Der Anspruch des Mandanten besteht aufgrund der Geltendmachung mit
einem Telefax nach wie vor.
TO BE CONTINUED
Nächste Woche - Auf den Spuren einer schrecklichen Wahrheit: Warum
W zu spät kommt!
Über die
Decisions of the Week:
Diese Geschichtensammlung ist
während meiner Promotion an der
Uni Bayreuth entstanden und
erzählt die Geschichte der
Kanzleien R2DO und YO.