14.5.04 -
Feiertag in der Kanzlei R2DO - Gedacht wird des ersten großen
Sieges vor 3 Jahren. Es gibt wenige Entscheidungen, die es
verdienen, kurze Zeit nach ihrer Veröffentlichung in mehrere
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unbedingt auch die englische,
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Fassung der Entscheidung. Zwar nicht vollständig
übersetzt, aber angesichts der Übersetzungsqualität von
Babelfish auch nicht erforderlich. Die arabische und
klingonische Fassung sind in Arbeit.
Lösung
LANDGERICHT ANSBACH
Geschäftszeichen:
2 0
429/00
I MN
A M E ND E SV O L K E S
In Sachen
Firma M
-Klägerin-
gegen
D und E
-Beklagte-
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Strunk Heiko, Holzweg 8 a, 91056
Erlangen
wegen Grundbuchlöschung
erlässt die 2. Zivilkammer des Landgerichts
Ansbach durch Richterin am Landgericht Röttenbacher als
Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. April 2001
folgendes
ENDURTEIL
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe. von 2.300,-- DM
abwenden.
B e s c h l u s s :
Der Streitwertwird
bis 23. März 2001 auf 20.000,-- DM, ab 24. März 2001 auf 10.000,--
DM festgesetzt.
Verkündet
am 14. Mai 2001
Stahl,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des
Landgerichts Ansbach
T a t b e s t a n d
Die
Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flur-Nr. 69/92 Gemarkung
Hennenbach, Grundbuch von Ansbach, Band ... Dieses Grundstück war zu
Gunsten des Grundstücks der Beklagten Flur-Nr. 69/38 mit einer
Grunddienstbarkeit betreffend Abstandsflächen belastet.
Diese
Grunddienstbarkeit stammt aus dem Jahre 1978. Damals erwarb die E-GmbH
von den Eheleuten F das Grundstück Flur-Nr. 69/38, aus dem später
das Grundstück der Beklagten hervorging. Die Eheleute F blieben
Eigentümer des Grundstücks Flur-Nr. 69/2, das in der Folge die Kläger
erwarben. Im Jahre 1978 war das gesamte Areal unbebaut. Zur größtmöglichen
Ausnutzung der Bebauungsfähigkeit des Grundstücks der Firma E-GmbH
sollte die Unterschreitung der Abstandsflächen gemäß der
Bayerischen Bauordnung gesichert werden. Dies geschah in der Urkunde
des Notars W vom 8. Mai 1978, Urkunden Rolle Nr. 820-K/1978. Darin
einigten sich die Firma E-GmbH und die Ehegatten F über die Belastung
des Grundstücks Flur-Nr. 69/2 unter Ziffer III. E. mit folgendem
Inhalt:
"Der jeweilige Eigentümer des nördlich gelegenen Restgrundstückes
(dienendes Grundstück) verpflichtet sich, die nach Art. 6, 7 Bay.
Bauordnung für das Bauvorhaben des Käufers auf dem herrschenden
Grundstück fehlende und erforderliche Abstandsfläche von 8 m - acht
Metern - ab senkrechter Wand des zu errichtenden Bauwerks über die
-ganze Breite des Gebäudes auf sein Grundstück zu übernehmen und
diese Fläche nicht zu überbauen. Dies gilt auch, soweit
erforderlich, für die zu errichtende Garage.
Hierwegen wird bei Messungsanerkennung die Eintragung in das Grundbuch
bewilligt und beantragt werden.
Es wird ferner die Eintragung einer beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit zur Sicherung der vorgenannten Abstandsfläche mit
gleichem Inhalt wie vorstehend zu Gunsten des Freistaates Bayern,
vertreten durch die Stadt Ansbach, am dienenden Grundstück bei
Messungsanerkennung bewilligt und beantragt werden.
Alle Beteiligten sind über den Inhalt und die Rechtsfolge dieser Erklärung
belehrt worden. Der Eigentümer des herrschenden Grundstückes
verpflichtet sich, die vom Überbauungsverbot betroffene Teilfläche
insoweit von seinem Recht freizugeben, als aufgrund eines
Baugenehmigungsverfahrens durch die Baubehörde auf Einhaltung der
Abstandsflächen verzichtet wird."
In
der Folgezeit teilte und veräußerte die Firma E-GmbH das Grundstück
Flur-Nr. 69/38, nachdem die aufgeteilten Flächen bebaut waren. Die
Beklagten erwarben die Flur-Nr. 69/43, 69/45 und 69/42. Im
zugrundeliegenden Kaufvertrag zwischen der Firma E und den Beklagten
waren die bestellten Grunddienstbarkeiten nicht konkret erwähnt. Eine
Übernahme der Freistellungsverpflichtung findet sich im Vertrag
nicht.
Die
Klägerin erwarb 1999 die Flur-Nr. 69/2 von den Eheleuten F, um sie zu
bebauen und weiter zu veräußern.
Nach Verzicht der Stadt Ansbach als Vertreterin des Freistaats Bayern
auf die Ausübung ihrer Rechte bezüglich der Abstandsfläche, wurde
unter anderem die Grunddienstbarkeit zu Gunsten der Beklagten von Amts
wegen gelöscht, ohne dass eine Anhörung vorher erfolgte.
Das
Grundbuchamt trug am 26. Mai 2000 gegen die Löschung der
Grunddienstbarkeit Amtswiderspruch ein, wogegen Beschwerde eingelegt
wurde.
Die Klägerin, die zunächst beantragt hatte, die Beklagte zur Abgabe
der Bewilligungserklärung zur Löschung der Grunddienstbarkeit zu
verurteilen, erklärte mit Schriftsatz vom 23. August 2000 die
Hauptsache für erledigt. Die Beklagten hatten nämlich am 11. August
2000 zur Urkunde des Notars Fr in Ansbach die Löschung der
streitgegenständlichen Grunddienstbarkeit hinsichtlich ihrer Grundstücke
bewilligt und diese Bewilligung dem Grundbuchamt Ansbach zum Vollzug
zugeleitet.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten seien zur Bewilligung der
Löschung und Aufhebung des Rechtes verpflichtet gewesen. Dies beruhe
zum einen auf dem Vertrag zwischen den Eheleuten F und der Firma
E-GmbH. Desweiteren sei der Zweck der Grunddienstbarkeit, die
Sicherung der öffentlich-rechtlichen Abstandsflächen, aufgrund der
jetzigen Bebauung entfallen. Die Abstandsflächen lägen insgesamt auf
den eigenen Grundstücken der Angrenzer, mithin auch auf dem eigenen
Grundstück der Beklagten.
Die Klägerin beantragt:
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt
ist.
Die
Beklagten beantragen
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Ansicht, der Klägerin habe kein Anspruch auf Löschung
der Grunddienstbarkeit zugestanden, da diese bereits vom Grundbuchamt
gelöscht worden sei. Darüberhinaus habe die Klägerin auch keinen
Anspruch auf Löschung der Grunddienstbarkeit aus der Vereinbarung vom
8. Mai 1978, da es sich insoweit um eine schuldrechtliche Vereinbarung
zwischen anderen Vertragsparteien gehandelt habe, an welche die
Beklagten nicht gebunden gewesen seien. Auch aus § 984 BGB bestünde
kein Anspruch, da es infolge der Amtslöschung an der Unrichtigkeit
des Grundbuchs gefehlt habe. Darüberhinaus sei die Grunddienstbarkeit
auch nicht Kraft Gesetzes durch Wegfall des Vorteils für das
herrschende Grundstück erloschen.
Zur
Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die
zulässige Feststellungsklage ist unbegründet.
Die
zunächst erhobene Klage war zwar zulässig, aber unbegründet.
1.
Aus der Vereinbarung vom 8. Mai 1978 stand der Klägerin weder ein
Anspruch auf Bewilligung der Löschung, noch auf Aufhebung der
Grunddienstbarkeit an sich zu.
In
der Urkunde vom 8. Mai 1997 verpflichtete sich "der Eigentümer
des herrschenden Grundstücks" ... "die vom Überbauungsverbot
betroffene Teilfläche insoweit von seinem Recht freizugeben, als
aufgrund eines Baugenehmigungsverfahrens durch die Baubehörde auf
Einhaltung der Abstandsflächen verzichtet wird." Es handelt sich
insoweit um eine schuldrechtliche Verpflichtung die allein die
Ehegatten F betrifft und die nicht auf die Beklagten übergegangen
ist.
Dies
ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Urkunde, wonach die beschränkt
dinglichen Rechte "zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer"
bestellt wurden, wohingegen die Verpflichtung zur Freigabe unter den
dort genannten Bedingungen nur dem Eigentümer auferlegt worden ist.
Diese Wortwahl geht bereits davon aus, dass die Freigabeverpflichtung
nur den gegenwärtigen Eigentümer betrifft. Darüberhinaus ergibt
sich auch aus Systematik und Aufbau der Urkunde, dass die Löschungsverpflichtung
nicht mehr als Teil der dinglichen Abrede anzusehen ist. Zunächst
werden die dinglichen Vereinbarungen abschließend geregelt, anschließend
alle Beteiligten über Inhalt und Rechtsfolgen der Erklärung belehrt
und erst daraufhin die Verpflichtung zur Freigabe festgelegt.
Darüberhinaus
ist zur berücksichtigen, dass von der Klägerin nicht vorgetragen
wurde und auch nicht ersichtlich ist, dass die Leistungsverpflichtung
gegebenenfalls als Bestandteil der Grunddienstbarkeit mit im Grundbuch
eingetragen wurde. Zur Wirksamkeit der Geltung als dingliche Abrede wäre
dies jedoch erforderlich. Zudem ist die Bedingung für die Freigabe
durch die Berechtigten - Verzicht des Freistaates Bayern auf seine
beschränkt persönliche Dienstbarkeit - nicht im Grundbuch
eingetragen, was erforderlich wäre, soweit insoweit die Dauer einer
Dienstbarkeit mit festgelegt wäre (Staudinger, 13. Auflage, § 1018
BGB, Rdnr. 36).
Die
von den Eheleuten Fischer übernommene Verpflichtung bindet die
Beklagten daher nicht.
Auch
ein Vertrag zu Lasten Dritter kann darin nicht gesehen werden. Darüberhinaus
wäre er nicht zulässig.
Eine
Schuldübernahme gemäß § 415 BGB durch die Beklagten hat ebenfalls
nicht stattgefunden.
2.
Ein Anspruch auf Bewilligung der Löschung steht der Klägerin auch
nicht aus dem Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB zu.
Zwar war das Grundbuch zum Zeitpunkt der Klageerhebung dahingehend
unrichtig, dass die Grunddienstbarkeit im Grundbuch gelöscht worden
war, obwohl sie tatsächlich noch bestand. Die Löschung einer sie
belastenden Grunddienstbarkeit ist jedoch nicht zu Lasten der Klägerin
im Sinne des § 894 BGB.
3.Der Klägerin stand auch kein Anspruch auf Zustimmung zur Löschung
des Amtswiderspruches gemäß § 894 BGB zu.
Zwar
wurde dieser Antrag nicht im Klageantrag direkt aufgenommen, jedoch in
der Klagebegründung gleich mit geltend gemacht. Aus den Ausführungen
der Klägerin ergibt sich zudem, dass die Zustimmung zur Löschung des
Amtswiderspruchs mit eingeschlossen ist.
Der
Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB ist nach allgemeiner
Ansicht auf den Amtswiderspruch zumindest analog anwendbar
(Staudinger, 13. Auflage, § 894, Rdnr. 35).
Das
Grundbuch war jedoch nicht unrichtig im Sinne des § 894 BGB, da der
Amtswiderspruch nicht zu Unrecht eingetragen ist.
Zum
einen wurde die Grunddienstbarkeit gelöscht ohne Einhaltung der Anhörungspflicht
der betroffenen Beklagten.
Darüberhinaus
bestand materiellrechtlich die Grunddienstbarkeit zum Zeitpunkt der Löschung
noch fort. Sie ist gerade nicht wegen endgültigen Wegfalls des
Vorteils gemäß § 1019 S. 1 BGB weggefallen. Eine Grunddienstbarkeit
erlischt zwar dann, wenn der mit dem herrschenden Grundstück
verbundene Vorteil aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen entfällt
oder die Ausübung des Rechts infolge der Veränderung eines der
beiden Grundstücke auf Dauer ausgeschlossen wird. Voraussetzung hierfür
ist allerdings nach der Rechtsprechung -eine dauernde Veränderung
bzw. ein objektiver, endgültiger Wegfall eines jeden möglichen
Vorteils für das Grundstück (Bay0bLG NJWRR 1996, 1207).
Durch
die Bebauung des herrschenden Grundstücks und den darauf beruhenden
Verzicht der Stadt auf die Abstandsflächen im Hinblick auf die
derzeitige Bebauung ist der damit verbundene Vorteil noch nicht
weggefallen. Es besteht weiterhin die Möglichkeit einer weiteren
grenznahen Bebauung. Dass diese Bebauungsmöglichkeit aus
baurechtlichen oder tatsächlichen Gründen überhaupt nicht mehr
erfolgen könnte, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Die Ausübung
der Dienstbarkeit ist nicht deshalb dauernd unmöglich, weil der
Berechtigte die Dienstbarkeit, gleich aus welchen Gründen, bislang
nicht ausgeübt hat. Daher war die Löschung der Grunddienstbarkeit
vom 9. April 1999 auch in materiellrechtlicher Hinsicht nicht richtig,
der Amtswiderspruch zu Recht eingetragen. Der Amtswiderspruch ändert
nichts an der Löschung der Grunddienstbarkeit und lässt diese nicht
wieder aufleben.
Die
Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708
Nr. 11, 711 ZPO.
Röttenbacher
Richterin
am Landgericht
Über die
Decisions of the Week:
Diese Geschichtensammlung ist
während meiner Promotion an der
Uni Bayreuth entstanden und
erzählt die Geschichte der
Kanzleien R2DO und YO.