Haftung
des Verkäufers bei fehlender Erinnerung an einen
offenbarungspflichtigen Mangel
BGH vom
11.5.01
Fundstelle: RÜ 01, 348 f
Sachverhalt
W, noch immer im Glauben, mit dem
Rauswurf sei es den anderen Kanzleimitgliedern nicht so ernst,
kommt am Montag morgen gut gelaunt, wenn auch wie immer zu
spät in die Kanzlei. Doch was muß er hier erleben? B, M und
S tragen bereits die neuen Kanzlei T-Shirts mit dem Aufdruck
R1DO. Sie eröffnen ihm, daß man beschlossen habe, ihm noch
eine allerletzte Chance zu geben. Wenn er zeigt, daß er für die
Kanzlei unersetzbar ist, dürfe er bleiben. Mit
Unersetzbarkeit sei natürlich nicht das Lösen von Fällen
gemeint. Schließlich habe man dazu ja S. Nein, die wirklich
wichtigen Dinge seien angesprochen. Jeder habe sich für ihn
eine Aufgabe ausgedacht. Er müsse einen Slogan für die
Kanzlei entwerfen, der so unseriös ist, daß selbst S ihn
nicht verwenden würde, Verständnis für das Spiel Tomb
Raider entwickeln und bei Teil 8 bis zum Ende gelangen und
eine Pizza ohne Absonderlichkeiten von Gretel's besorgen.
Und
als ob das noch nicht genug wäre, muß sich W an diesem
Montag noch mit einem weiteren Problem herumplagen. Ein
Mandant Z möchte eine Auskunft von ihm: Er habe ein
Grundstück verkauft. Der Kaufvertrag enthielt einen
umfassenden Gewährleistungsausschluß. Er habe versichert,
daß ihm erhebliche verborgene Mängel nicht bekannt sind.
Jetzt sei ihm aber eingefallen, daß es sich um ein sog.
"Auffüllgrundstück" handelt. Dies habe man ihm
gesagt, als er selber das Grundstück vor Jahren gekauft
hatte, bei den Verhandlungen vor einigen Wochen habe er dies
aber nicht mehr in Erinnerung gehabt. Z möchte nun wissen, ob
er mit Schadensersatzansprüchen rechnen müsse, wenn
sich herausstellt, daß das Grundstück aufgrund des
Auffüllmaterials Bodenverunreinigungen aufweist.
Lösung
Ein
Schadensersatzanspruch aus § 462 S.2 BGB setzt voraus, daß Z
arglistig einen Fehler verschwiegen hat.
Ein Fehler ist jede
negative Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit. Dabei ist
die Soll-Beschaffenheit nach den vertraglichen Vereinbarungen zu
bestimmen (sog. subjektiver Fehlerbegriff). Nur soweit solche nicht
vorliegen, kommt es auf die Abweichung vom gewöhnlichen Zustand der
Kaufsache an (sog. objektiver Fehlerbegriff). Die Bodenkontaminierung
stellt einen Fehler dar, der den Wert und die Tauglichkeit zu dem nach
dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch nicht unerheblich mindert.
Ob Z einen Fehler
verschwiegen hat, richtet sich danach, ob ihn eine Offenbarungspflicht
traf. Nach Treu und Glauben muß ein Verkäufer solche Umstände
offenlegen, die für die Entschließung des Käufers offensichtlich
von Bedeutung sind und bei denen er nach der Verkehrsauffassung auch
eine Mitteilung erwarten darf. Da von Auffüllmaterial wegen seiner
Zusammensetzung eine Gefahr ausgeht, durfte der Käufer mit einer
entsprechenden Mitteilung durch Z rechnen.
Z müßte aber ferner
arglistig gehandelt haben. Das heißt Z müßte für möglich gehalten
haben, daß ein Fehler vorliegt und gleichzeitig gewußt oder
zumindest billigend in Kauf genommen haben, daß der Käufer den
Fehler nicht kennt und bei Offenlegung des Fehlers den Kaufvertrag
nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Z
hatte aber keinerlei Erinnerung mehr an den Fehler und ihn damit auch
nicht wenigstens für möglich gehalten.
Arglistiges Handeln
kann jedoch auch dann gegeben sein, wenn der Verkäufer Angaben ins
Blaue hinein macht, er seine Zusicherungen ohne jegliche sachliche
Grundlage abgibt und dies dem Vertragspartner verschweigt. Doch davon
kann bei Z keine Rede sein. Seine Erklärung bezog sich nur darauf,
daß ihm keine verborgenen Mängel bekannt sind, nicht aber darauf,
daß es solche nicht gibt. Eine Kenntnis von zeitlich zurückliegenden
Umständen und Vorgängen ohne Erinnerung gibt es nicht.
Einem
Schadensersatzanspruch aus § 463 S.2 BGB ist Z nicht
ausgesetzt.
Über die
Decisions of the Week:
Diese Geschichtensammlung ist
während meiner Promotion an der
Uni Bayreuth entstanden und
erzählt die Geschichte der
Kanzleien R2DO und YO.