Seit
einigen Tagen bemerken die wachsamen Augen des S
eigenartige Verhaltensweisen an W. Zwar kam es in der
Vergangenheit des öfteren vor, dass W's Handlungen Erstaunen
hervorriefen. Doch die neuesten Taten des W entbehren jeder
logischen Grundlage. So scheint W eine extreme Vorliebe für
Knoblauch entwickelt zu haben. Sein Büro ist bestückt mit
etlichen
Knoblauchzehen. Auch macht sich seine bisher tief verborgene
Eigenliebe bemerkbar. Er hat sich einen riesigen Standspiegel
in
sein Büro gestellt - scheinbar um sich jederzeit bewundern zu
können. Nicht zu vergessen sind die fünf Kruzifixe, die
seine
Bürowände zieren. Also gut, denkt sich S. Wer weiß schon,
was in
W vorgeht? Vielleicht ist er ja auf einem Selbstfindungstrip
oder
durchlebt gerade eine Art vorgezogene midlife crisis oder aber
er
hat sich verliebt. Nach Ansicht seiner sehr geschätzten
Kollegin
allY führt der Zustand der Verliebtheit bei Männer zur
extremer
Verblödung. Solange W seinen Job ordnungsgemäß erledige und
der Ruf der Kanzlei nicht beeinträchtigt werde, könne W tun
und
lassen was er wolle. Daher beschließt S tolerant und vor
allem
geduldig zu sein.
Eines Tages aber kommt W wie immer zu spät ins Büro, mit
zwei
Blutkonserven zu je 1 L in der Hand. Er geht zum
kanzleieigenen
Kühlschrank und stellt diese Blutkonserven hinein, direkt
neben
dem Vanillepudding des S.
Das ist natürlich zuviel für den an vieles gewöhnten S. In
seinem
Gehirn schlagen seine Gedanken Purzelbäume. Ist W etwa ein
Blutkonservendieb? Oder zapft er neuerdings Blut ab? Aber
wessen Blut? Ist seine neue Freundin etwa Krankenschwester?
Das wichtigste aber: Ist der Vanillepudding noch genießbar
oder
muss er etwa auf seinen Nachtisch verzichten?
S zitiert W sofort in sein Büro. B und M, die die Nr. 1 nie
so
aufgebracht erlebt hatten, eilen ebenfalls herbei. W solle auf
der
Stelle eine Erklärung abgeben. Wenn er glaube, S werde diese
Skurilitäten weiterhin dulden, dann habe er sich geirrt.
Welche
Skurilitäten, denken sich B und M. Wie immer sind beide mit
sich
selbst und ihren meist erfolglosen Eroberungsstrategien beschäftigt
gewesen, dass sie das ganze Geschehen um W nicht bemerkt
haben.
Eingeschüchtert durch das barsche Auftreten des S, beginnt W
wie ein Wasserfall zu quasseln - wieder ein ungewöhnliches
Verhalten: Bei einem seiner zahlreichen Kneipentouren habe er
eine Frau kennengelernt. Sie habe ihn sehr zur seiner
Überraschung angesprochen. Soooo wunderschön sei sie, habe
lange dunkle Haare, wunderschöne grau-grüne Augen - in denen
man(n) sich verlieren könne - und natürlich eine fabelhafte
Figur. Er
habe gedacht, er träume. Sie hätten sich die ganze Nacht
unterhalten. Um sich interessanter zu machen als er in
Wirklichkeit sei, habe er natürlich gleich erwähnt, dass er
ein sehr
erfolgreicher Jurist sei. Zu seinem Erstaunen habe sie es
bereits
gewußt. Sie habe ihn eines Nachts, kurz nach Mitternacht, zufällig
die Kanzlei verlassen sehen und seit dem ginge er ihr nicht
mehr
aus dem Sinn. Ja, er! Er habe sich wie auf einer Wolke gefühlt.
Dann habe sie ihm noch von ihrem armen Vater erzählt, der
Probleme mit dieser neumodischen Technologie habe. Internet
nenne man das Medium wohl, in dem ihr Vater immer wieder auf
seinen Namen stoße, und dies obwohl er doch niemanden den
Gebrauch erlaubt habe. Könnte er ihr da nicht eventuell
helfen, habe sie ihn mit ihren, ihn schrecklich wahnsinnig
machenden Blicken gefragt. Natürlich habe er zugesagt, allein
um diesen Engel wiederzusehen. Daher hätten sie sich für
heute Nacht in der Kanzlei verabredet. Und
plötzlich sei sie verschwunden. Dabei hätte er noch gerne
mit ihr
gefrühstückt. Er habe nämlich Erdbeermarmelade, na die aus
der
Werbung, in seinem Kühlschrank stehen.
S versteht immer noch nicht. Da hat allY wohl recht. W ist
verliebt
und dreht in Folge dessen durch. Unter den neidischen Blicken
des
B, der von Frauen (wenn überhaupt) nur auf dem e-mail-Wege
angesprochen wird, fährt W in seinen Ausführungen fort. Als
er in
dieser Nacht sehr zu seinem Leidwesen alleine in seiner
Wohnung
angekommen sei, habe er noch lange über diese geheimnisvolle
Frau nachgedacht. So habe sie die ganze Zeit über nichts
getrunken. Außerdem hätte sie zwar schöne weiße Zähne,
doch
ihre Schneidezähne seien so ungewöhnlich lang gewesen. Auch
habe sie eine sehr blasse Haut gehabt, so als ob
Sonnenstrahlen
nie ihr schönes Gesicht gestreichelt hätten. Ihre
Lieblingsfarbe sei
rot und sie habe auch ständig seinen Hals berührt. Zwar habe
ihm
das Gefallen, aber er habe sich das im nachhinein nicht erklären
können. Schließlich habe sie unbedingt erst nach Einbruch
der
Dämmerung (wegen juristischer Beratung) in die Kanzlei kommen
wollen. Da er in Bayern Abitur gemacht hätte, könne er eins
und
eins zusammenzählen: sie sei eine Blutsaugerin. Er habe diese
Nacht ein date mit einer Vampirin und müsse auf alles
vorbereitet
sein ...
... love can change everythink, it can make you cry, it can
make
you FLY ...
Bleibt
noch über den Namen des Vaters der von W Angebeten zu
spekulieren. Verraten wird er da sicher nichts mehr. Also: Wie
sieht es mit einer Namensrechtsverletzung im Internet aus,
wenn auf einer Seite der Begriff "Graf Dracula"
verwendet wird und der Name des Vaters Ottomar Rodolphe Vlad
Dracul ist?
Lösung
Die Entscheidung im
Volltext liegt mir noch nicht vor. Daher nur der Link.
presented by allY
and jOhn
Über die
Decisions of the Week:
Diese Geschichtensammlung ist
während meiner Promotion an der
Uni Bayreuth entstanden und
erzählt die Geschichte der
Kanzleien R2DO und YO.