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Abwerbe-Anrufe- Wettbewerbsrecht

LG Mannheim vom 19.6.01

Fundstelle: WRP 01, 974 ff

 

Sachverhalt

Das Leben ist ein Keks – Irgendwann zerbröckelt alles ...  

                                                                                                                                         oder

                                                                                                    Leise krümmelt der Keks, still und starr ruht der W...

 

Aufgrund seines unmöglichen Verhaltens steht noch immer der Rauswurf von W im Raum. Mit seiner letzten Chance, der Erfüllung von drei Aufgaben will es auch nicht so recht klappen. Pizza holen war ja noch ganz einfach, aber einen unseriösen Spruch für die Kanzlei entwerfen, nein, das will ihm als Möchtegernseriösling so gar nicht gelingen. Sprüche wie „R2DO – Die Freiheit zu warten“ oder „R2DO – Die finale Steigerung von gut“ seien ja nicht ganz so schlecht, aber so unseriös, dass nicht einmal S sie nehmen würde, nein, das sind sie dann doch wieder nicht. Da gibt es nur noch eine Möglichkeit: Einen Arbeitsplatzwechsel! Und da fällt W auch schon eine Stellenanzeige in der JZfS (juristische Zeitschrift für Seriöslinge) ins Auge, die wie auf ihn zugeschnitten erscheint. Zufällig ruft ihn just in diesem Moment ein Headhunter an seinem Arbeitsplatz an. Da er noch mit dem Lösen des Mind Racers beschäftigt ist, lässt er sich die Telefonnummer geben und ruft wenig später zurück...

 

Aber die Kanzlei ist nicht nur vom (verkraftbaren) Verlassen durch W bedroht, auch S liegt ein Top-Angebot vor:

 allY hat mittlerweile eine bahnbrechende Dissertation zum türkischen Kartellrecht geschrieben und beschlossen, sich nun doch als Anwältin niederzulassen. Da sie sich aber nicht so recht auf ihre juristischen Fähigkeiten verlassen will, beschließt sie, mit S zusammenzuarbeiten. Dass S bereits eine Kanzlei mit B, M  und W führt, stört sie wenig. Sie ist überzeugt davon, dass sie S erfolgreich abwerben kann. Nahezu jeden Wochentag frühstückt sie mit S und hat sein vorbehaltloses Vertrauen gewonnen. Dadurch weiß sie auch, was in der Kanzlei R2DO vor sich geht,  vor allem worüber sich S dauernd ärgern muss.

Nach erfolgreichem Abschluss eines seiner Projekte hat B keine Zeit mehr für die Kanzlei. Ständig ist er mit seiner Flamme unterwegs. Deren gute Kochkünste haben auch die gesteigerte sportliche Aktivität des B zur Folge. Schließlich scheint er seine Schwäche für Zeichentrickfilme entdeckt zu haben. Sein Lieblingsfilm zur Zeit ist Disney's Bernhard und Bianca.

W dagegen geht völlig in der Pflege eines Hamsters auf und hat sich vollständig dem Tagesablauf des Tieres angepaßt. Seine Nachbarin, die für 6 Monate im Ausland verweilt, hat ihm für diese Zeit dieses Hamster überlassen.

M wiederum -als Frauenkenner bekannt und gefürchtet- ist damit  beschäftigt, seine ehemalige Studienkollegin Frau T zu trösten. Frau T läßt sich gerade von ihrem 4. Ehemann scheiden (eine herausragende Leistung, bedenkt man, dass sie vor 3 Jahren noch nicht einmal bei dem ersten Ehemann angelangt war), der sie mit seiner Sekretärin betrogen hat. M gibt sich große Mühe, Frau T's Vertrauen in die Männer wiederherzustellen. Kein Wunder, dass dabei viel Zeit draufgeht, das dann wiederum für die Kanzlei fehlt. Angesichts dieser Sachlage hält es allY nicht für schwer, S auf ihre Seite zu ziehen. Schließlich würde er dann mit einer wunderbaren, intelligenten Frau zusammenarbeiten, müßte sein schwer verdientes Geld nicht mit den drei Nichtstuern teilen, hätte eine eigene Sekretärin -natürlich blond und mit langen Beinen- und und und... 

 

Als allY gerade auf dem Weg in die Kanzlei ist, um S das Angebot zu unterbreiten, muß dieser sich gerade wieder über seine Kollegen ärgern. W ist wie immer nicht rechtzeitig in die Kanzlei gekommen, so dass S mal wieder einsam und verlassen über seinem Frühstück sitzt, als B kurz in sein Zimmer kommt. Er habe erst gestern wieder eine achtel Seite des Dissertationsentwurfs gelesen. Ganz so eilig sei das ja nicht mehr, schließlich habe S ja schon seit einigen Jahren seinen Doktortitel und schneller könne er bei seinen ganzen Freizeitbeschäftigungen nun wirklich nicht lesen. Er sei im übrigen mal wieder kurz mit dem Rad unterwegs. So 7 Stunden, wohl nicht mehr. Wenn es Arbeit gebe, so bemerkt er mit einem Lächeln, solle S die doch an M weitergeben. Dieser erscheint dann kurz vor dem Mittagessen auch tatsächlich in der Kanzlei. Schließlich müsse man endlich einmal über seine 2 neuen Fälle reden. Lösen könne er sie nicht, aber das sei ja auch nicht seine Aufgabe....

 

Als die Enttäuschung über die Mitkollegen gerade am größten ist, ist die Stunde des großen Auftritts von allY gekommen: „Willst Du, S mich, allY Mc K zur Partnerin nehmen, mit mir eine Kanzlei gründen, in guten und in schlechten Tagen Fälle mit mir bearbeiten, bis uns das Rentenalter scheidet, so antworte jetzt mit Ja.“ Nachdem Sie alle anderen Kanzleimitglieder aufgefordert hat, Einwände jetzt zu erheben oder für immer zu schweigen – Einwände kamen natürlich keine, B war weg, W noch nicht da und M schlief gerade – antwortete S mit „Ja“.....  Zur Besiegelung des Bundes für ihr (Arbeits-)Leben tauschten allY und S noch gegenseitige Kontovollmachten aus, aber natürlich nicht für das Privatkonto von S. Irgendein Anreiz für allY, sich ihren Traummann zu suchen, musste schließlich erhalten bleiben.

 

allY kann ihr Glück kaum fassen. S hat tatsächlich zugesagt. Dabei hatte sie die Blondine doch noch gar nicht erwähnt...

 

B, M und vor allem W aber fielen die ganzen Geschehnisse zunächst gar nicht auf. Zwar wunderten sie sich, dass die Aktenberge täglich wuchsen – schließlich kümmerte sich niemand von ihnen um die rechtliche Aufarbeitung – den richtigen Schluß daraus zogen sie aber vorerst nicht. Erst als sie eine Einladung zur Eröffnung einer neuen Kanzlei in ihrem Briefkasten vorfanden, ging ihnen ein Licht auf ....Aber vorher sollten sich noch andere Ereignisse zutragen, über die bis nächste Woche der Mantel des Schweigens gehüllt wird.

 

  THE END ?

 

Wäre ein Abwerben von W in der oben geschilderten Situation wettbewerbswidrig?

 

 

Lösung

Die auf § 1 UWG und §§ 823 Abs. 1, 1000 Abs. 1 BGB gestützte Klage ist zulässig (§ 24 Abs. 2 S. 1 UWG, §§ 32, 256 Abs. 1 ZPO), aber unbegründet. Der von der Klägerin geschilderte Telefonanruf des Beklagten vom 22. 9. 1999 stellt nämlich weder eine sittenwidrige Wettbewerbshandlung noch einen betriebsbezogenen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

 

Grundsätzlich ist auch das planmäßige Abwerben von Mitarbeitern eines Konkurrenten erlaubt. Es gehört zum Wesen wirtschaftlichen Wettbewerbs (BGH Urteil vom 19. 11. 1965 " Bau-Chemie " GRUR 66, 263; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 21. Aufl., Rdnr. 583 zu § 1 UWG m.w.N.; Piper GRUR 90, 643). Eine zu weite Ausdehnung des Begriffs der Sittenwidrigkeit würde hingegen die berufliche Freizügigkeit der in abhängiger Stellung Tätigen in einer nicht zu vertretenden Weise einschränken (BGH a.a.0. S. 265)

Zutreffend weist Klaka in diesem Zusammenhang auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes hin (GRUR 66, 267), da gerade bei Konkretisierung von Generalklauseln die Werteordnung des Grundgesetzes zu berücksichtigen ist.

 

Das Abspenstigmachen von Beschäftigten eines Mitbewerbers ist somit nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann sittenwidrig, wenn die bei der Abwerbung angewandten Mittel oder der erstrebte Zweck sittlich zu missbilligen sind (BGH a.a.O. S. 264). Als verwerfliches Mittel kommen dabei insbesondere die Verleitung des Umworbenen zum Vertragsbruch oder der Einsatz irreführender Angaben in Betracht, die die Entscheidung des Umworbenen unsachlich beeinflussen sollen (Piper a.a.0. S. 647).

 

Als verwerflicher Zweck wurde es angesehen, dass die Abwerbung auf Behinderung oder Schädigung des Konkurrenten gerichtet ist (BGH a.a.0. S. 265).

 

Zwar sieht es die Rechtsprechung auch als sittlich anstößig an, wenn die Abwerbung im Zusammenhang mit einem physischen Eindringen des Werbers in die Betriebssphäre des betroffenen Arbeitgebers geschieht (BGH GRUR 671, 104 " Stubenhändler"). Baumbach-Hefermehl a.a.O. Rdnr. 594) betont in diesem Zusammenhang, das Moment der Störung der fremden Betriebssphäre, die beispielsweise durch den massenhaften Einsatz von Werbern zu befürchten ist. Nach Auffassung der Kammer kann jedoch das elektronische Eindringen in eine fremde Betriebssphäre durch telefonische Ansprache am Arbeitsplatz nicht schematisch dem physischen Eindringen im Sinne der früher entschiedenen Fallgestaltungen gleichgesetzt werden. Um das gesetzliche (Art. 20 Abs. 3 GG) Tatbestandsmerkmal der "Sittenwidrigkeit' nicht völlig in Richtung auf "Lästigkeit" zu überdehnen, ist es geboten, beim elektronischen Eindringen in eine fremde Betriebssphäre das Verdikt der sittlichen Verwerflichkeit von einer nicht unerheblichen Störung des fremden Unternehmens abhängig zu machen. Zu Recht formuliert Baumbach/Hefermehl a.a.O. Rdnr. 594) deshalb, "nachhaltige und wiederholte Abwerbungsversuche über einen geschäftlichen Telefonapparat" könnten wettbewerbswidrig sein. Nicht zu beanstanden sei es, wenn ein früherer Arbeitskollege, der jetzt in einem Konkurrenzunternehmen tätig sei, bei seinem alten Arbeitgeber anrufe, um sich mit einem ihm bekannten leitenden Angestellten zu einer Besprechung zu verabreden, bei der ein Abwerbungsversuch unternommen werden soll (OLG Frankfurt DB 78, 536).

 

Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Kriterien kann der von der Klägerin angegriffene Telefonanruf des Beklagten vom 22.9.99 nicht als sittlich anstößig im Sinne des Wettbewerbsrechts bezeichnet werden.

 

Nach der eigenen Darstellung der Klägerin kann dieser Anruf höchstens fünf Minuten gedauert haben. Gelegentliche private Telefonate seiner Mitarbeiter von derart kurzer Dauer beanstandet kein verständiger Arbeitgeber.

 

Sofort nach Vorstellung seines Anliegens hat der Beklagte gefragt, ob er S. auf ihrem Handy anrufen solle. Darin kommt zu Ausdruck, dass der Beklagte es vermeiden wollte, auf Kosten der Klägerin zu telefonieren. Die danach erfolgte weitere Inanspruchnahme der Telefonanlage der Klägerin kann dem Beklagten jedenfalls nicht als sittenwidriges Verhalten angelastet werden. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, derzufolge auch der Gewerbetreibende den Telefonanschluss im eigenen Interesse, nicht aber im Interesse des Werbungstreibenden unterhält (BGH" Telefonwerbung IV" GRUR 91, 765), wird also entgegen der Ansicht des Klägervertreters von der Kammer nicht infrage gestellt.

 

Nachdem S. ein Interesse am Angebot des Beklagten verneint hatte, beendete dieser das Gespräch. Versuche, die Zeugin zu bedrängen oder das Gespräch unter Ausnutzung entgegengebrachter Höflichkeit künstlich zu verlängern, sind nicht ersichtlich.

 

Die Kammer vermag auch in dem Umstand, dass die umworbene Person typischerweise auch eine gewisse Zeit nach Beendigung eines derartigen Gesprächs gelegentlich über das erhaltene Angebot nachdenkt, kein generelles Unlauterkeitskriterium zu sehen. Die Heranziehung der Erwägungen des Oberlandesgerichts Stuttgart über einen "invasiven Eingriff" würde jedenfalls den hier zu entscheidenden Fall überzeichnend bewerten. Nach dem Vortrag der Klägerin handelt es sich nämlich bei der umworbenen S. um eine an Lebensjahren junge, auf Grund einschlägiger Berufserfahrung mit Softwaresystemen routinierte, hochqualifizierte EDV-Spezialistin, die alle Anforderungen für den zu besetzenden Geschäftsführerposten erfüllte. Solche Mitarbeiter absolvieren jedoch nicht den Arbeitstag eines untergeordneten Buchhalters, sondern erledigen eigenverantwortlich ihre Projekte. Konzentrationsbedingte Arbeitsunterbrechungen gehen also typischerweise nicht zu Lasten des Arbeitgebers. Dem Hinweis auf diese offenkundigen Umstände (§ 291 ZPO, § 114 GVG) ist die Klägerin im Haupttermin nicht substantiiert entgegengetreten.

 

Die Klägerin hat auch nicht substantiiert dargetan, dass Anrufe der beanstandeten Art ein Massenphänomen darstellten, welche die Befürchtungen des OLG Stuttgart rechtfertigten.

 

Auch der Schriftsatz vom 16. 6. 2000 besagt insoweit nur, dass die zahlreichen Niederlassungen der Klägerin auf Grund des offenkundigen Nachfrageüberhangs nach EDV-Spezialisten zur Zeit überdurchschnittlich stark von Abwerbungsversuchen betroffen sind.

 

Der Einstufung der allgemeinen Problematik als Massenphänomen stehen zudem die rechtstatsächlichen Untersuchungen entgegen, über die Quiring (WRP 2000, 33, 36) einleuchtend berichtet hat, dies wurde mit den Parteien im Haupttermin erörtert. Danach ist die vom Beklagten praktizierte Suchmethode für die Interessierten teuer und wird u. a. deshalb nur bei Suchaufträgen nach Personal der ersten und zweiten Führungsebene verwendet. In diesem Bereich fehlt es zudem an gleichwertigen Alternativen zur Personalgewinnung (WRP 2000, 37).

 

Ein generelles Verbot einer kurzen telefonischen Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz zum Zwecke der Vereinbarung eines Abwerbungsgesprächs würde zudem manche Personalberater veranlassen, über Detekteien die Privatsphäre von Führungskräften auszukundschaften, um geeignete Gelegenheiten der Kontaktanbahnung herauszufinden. Auch derartige Folgewirkungen können im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles nicht völlig unberücksichtigt bleiben.

 

Da somit im vorliegenden Falle der Tatbestand des § 1 UWG nicht erfüllt ist, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz nicht zu. Da kein Wettbewerbsverstoß vorliegt, liegt selbst dann kein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor, wenn man statt der Subsidiarität von § 823 Abs. 1 BGB (Palandt-Thomas 59. Aufl. 2000, Rdnr. 19 zu § 823 BGB) Anspruchskonkurrenz annimmt (Baumbach-Hefermehl a.a.O. Allg. Rdnr. 130).

 

Damit war die Klage mit der Kostenfolge aus § 911 ZPO abzuweisen.

 

 

presented by allY and jOhn

 

Über die Decisions of the Week:

Diese Geschichtensammlung ist während meiner Promotion an der Uni Bayreuth entstanden und erzählt die Geschichte der Kanzleien R2DO und YO.

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