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Hausarbeiten und das Urheberrecht

LG Köln vom 19.5.93

Fundstelle: GRUR 93, 901 ff.

 

Sachverhalt

Prof. Dr. S vom Lehrstuhl für Strafrecht, andere absonderliche Rechtsnebengebiete und angewandte Freizeitgestaltung und Prof. Dr. D vom Lehrstuhl für Strafrecht, andere absonderliche Rechtsnebengebiete und gelebte Arbeitsfreude suchen die Kanzlei R2DO3 auf. Aus völlig unterschiedlicher Motivation sei ihnen ein Gedanke gekommen: Im Internet gäbe es doch mittlerweile so viele Seiten, auf denen sich Strafrechtshausarbeiten mit Lösungen befinden würden. Wenn man diese einfach kopieren und als nächste Hausarbeit stellen könnte, würde man sich viel Zeit sparen für sinnvollere Tätigkeiten, etwa dem Schreiben eines Aufsatzes oder einfach nur die zusätzliche Zeit verschlafen. Prof. Dr. S und Prof. Dr. D wollen daher wissen, ob der Text einer Hausarbeit urheberrechtlich geschützt ist. 

Während B, M und W an der Lösung des Falles arbeiten, trauert allY versäumten Gelegenheiten nach. Da gab es dieses Jahr doch 10 Männer, die potentiell für sie in Frage gekommen wären:

Zehn Traummänner,

Die konnten sich an ihrem Lohn erfreun

Der eine war Jurist,

Da waren’s nur noch neun.

 

Neun Traummänner,

Die hörten allY jammern, kaum erwacht,

Der eine hielts nicht aus,

Da waren’s nur noch acht.

 

Acht Traummänner,

Die nannten ihr Alter der Lieben,

Der eine war zu jung,

Da waren’s nur noch sieben.

 

Sieben Traummänner,

Die lagen auf der harten Matraze ganz perplex,

Den einen traf der Ventilator,

Da waren’s nur noch sechs.

 

Sechs Traummänner,

Die suchten allY’s Dis,

Der eine sucht noch immer,

Da waren’s nur noch fünf.

 

Fünf Traummänner,

Die ließen sich Karten legen von ihr,

Der eine hatte schlecht abgehoben

Da waren’s nur noch vier.

 

Vier Traummänner,

Die rieten allY’s Alter ganz frei,

Der eine griff zu hoch,

Da waren’s nur noch drei.

 

Drei Traummänner,

die waren in ihrer Wohnung dabei,

Der eine sah die Häkeldeck,

Da waren’s es nur noch zwei.

 

Zwei Traummänner,

Der eine musste weinen,

Der war Schütze,

Da gab es nur noch einen.

 

Ein Traummann,

Der suchte sich 'ne Andre,

Der war weg,

Und allY allein im Lande.

 

 

 

Lösung

Die Klage ist im wesentlichen begründet.

1. Dem Kl. steht gegenüber den Bekl. ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung des mit handschriftlichen Anmerkungen sowie der Unterschrift des Kl. versehenen Hausarbeit "Erdbeerpflücken in Dossenheim" aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG zu.

a) Nach Auffassung der Kammer gehört die Hausarbeitsaufgabe zu den urheberrechtlich geschützten Werken im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG.

Bei der Hausarbeit handelt es sich um ein geschütztes Sprachwerk (Schriftwerk), nämlich um ein durch Zeichen äußerlich erkennbar gemachten Gedankenausdruck (vgl. dazu BGH GRUR 1981, 352, 353). Ein Schriftwerk ist nur dann urheberrechtlich schutzfähig, wenn es eine individuell schöpferische Leistung darstellt (§ 2 Abs. 2 UrhG). Diese kann nicht nur in der sich in der Sprachgestaltung ausdrückenden Gedankenformung und -führung sowie in der schöpferischen Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung vorhandenen Stoffs liegen (vgl. BGH GRUR 1983, 520, 521; 1985, 1041, 1047; 1986, 739, 740), sondern grundsätzlich auch im Inhalt des Werks (vgl. BGH GRUR 1980, 227, 230, 1981, 352, 353, OLG Köln, Urt. v. 31.3.1992, AZ: S 56 - 57/92). Dagegen sind Gedanken, Lehren und Theorien als solche nicht schutzfähig; sie müssen der freien geistigen Auseinandersetzung zugänglich bleiben (vgl. Schricker/Loewenheim, § 2 UrhG, Rdn. 30). Wissenschaftliches Gedankengut als solches genießt daher keinen Urheberschutz (vgl. Schricker Loewenheim, § 2 UrhG, Rdn. 3 1). Für die Gedankenformung und -führung bei der Darstellung dieses Gedankenguts gilt regelmäßig, daß der im betreffenden wissenschaftlichen Fachgebiet üblichen Ausdrucksweise die erforderliche schöpferische Individualität fehlt. Beim Aufbau und einer Darstellungsart, die aus wissenschaftlichen Gründen geboten oder in Fragen des behandelten Gebiets weitgehend üblich sind, verhält es sich ebenso (vgl. BGH GRUR 1983, 352, 353; 1984, 659, 661). Insoweit kann sich die Schutzfähigkeit nur nach der Form und Art der Sammlung, Anordnung und Einteilung des Stoffs ergeben (BGH GRUR 1985, 1041, 1047), wobei die Anwendung von Denkgesetzen und Fachkenntnissen sowie die Berücksichtigung von Erfahrungen Urheberrechtsschutz nicht ausschließen (vgl. BGH GRUR 1986, 739, 743). Sie gehören vielmehr zum Wesen wissenschaftlicher, auch rechtswissenschaftlicher, Tätigkeit.

In Anwendung dieser Grundsätze hat die Rechtsprechung die Schutzfähigkeit bejaht bei einem wissenschaftlichen Register zu historischen und geisteswissenschaftlich bedeutsamen Texten des deutschen Mittelalters (BGH GUR 1980, 227, 23 1) ebenso wie bei der Sammlung von 1220 Kontrollfragen zu einem medizinischen Lehrbuch (vgl. BGH GRUR 1981, 520, 521). Schließlich wurde das Verfassen nichtamtlicher Leitsätze zu gerichtlichen Entscheidungen als urheberrechtsfähige Leistung anerkannt und betont. Angesichts der Tatsache, daß ein Leitsatz mit den wesentlichen Kernaussagen der Entscheidung übereinstimmen müsse, genüge selbst ein geringes Maß an schöpferisch-individueller Umformung solange nicht nur einzelne Formulierungen der Entscheidung aufgegriffen und wiederholt würden (vgl. BGH GRUR 1992, 382). Für die Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Schriftwerks kommt es damit maßgeblich auf den Inhalt, aber auch auf die förmliche Ausgestaltung an.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist nach Auffassung der Kammer von einer Schutzfähigkeit der Aufgabenstellung der Hausarbeit auszugehen. In der Hausarbeitsaufgabe ist ein bestimmter Lebenssachverhalt geschildert, für den der Teilnehmer der Übung unter sachgerechter Anwendung der erlernten wissenschaftlichen Grundlagen eine Lösung zu finden hat. Bei dieser Fallschilderung handelt es sich entgegen der Auffassung des Bekl. auch nicht nur um eine nicht schutzfähige Darstellung wissenschaftlichen Gedankensguts. Vielmehr wird ein Handlungs- und Fallgerüst aufgebaut, das die Studenten veranlassen soll, die erlernten Kenntnisse und Fähigkeiten praktisch und sinnvoll anzuwenden. Dabei kann der Entwurf geeigneter Fälle ein durchaus schwieriges, zeitraubendes und anspruchsvolles Unterfangen sein. Dies gilt wie der Kl. anschaulich dargelegt hat auch für die von ihm ersonnene Hausarbeit. Zunächst ist die Aufgabe auf den Bearbeiterkreis zuzuschneiden, d.h. sie muß einen gewissen Schwierigkeitsgrad aufweisen, ohne aber zu schwer zu sein. Dies gilt auch für die Arbeit "Erdbeerpflücken in Dossenheim"; diese wendet sich an Teilnehmer der Übung zur Erlangung des "kleinen BGB-Scheins". Schwerpunkt einer solchen Hausarbeit ist der "allgemeine Teil" des BGB, der einen hohen Abstraktionsgrad aufweist. Demgemäß muß der Sachverhalt präzise sein, um den Studenten die korrekte Einordnung des Falls zu ermöglichen. Außerdem hat die Aufgabenstellung aber auch über den allgemeinen Teil des BGB hinauszugehen, um zu überprüfen, ob sich der Student auch in bisher noch unbekannten oder wenig besprochenen Gebieten zurechtfindet.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß sich die Hausarbeit an Studenten in den Anfangssemestern wendet, für die diese Hausarbeit sogar häufig die erste Berührung mit einem "praktischen Fall" über einen längeren Zeitraum hinaus bedeutet. Auch diese Unerfahrenheit ist im Hinblick auf die den Studenten nur begrenzt zur Verfügung stehende Zeit einzuplanen.

Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit erscheint weiterhin von Relevanz, daß der Sachverhalt auch hinsichtlich der Lösung in allen Konsequenzen durchdacht sein muß: Sind einzelne Sachverhaltselemente mißverständlich, besteht die Gefahr, daß die Studenten während der Bearbeitungszeit auf Irrwege geraten. Dieses ist nur dadurch zu vermeiden, daß zunächst Musterlösungen erstellt und erst danach die endgültige Fassung des Textes gefertigt wird.

Weiterhin ist zu bedenken, daß sogar Fragesammlungen und nichtamtliche Leitsätze als schutzwürdig gelten. Dann können aber keine Bedenken dagegen bestehen, die sinnreiche Konstruktion eines Sachverhalts, der einem Prüfling Gelegenheit gibt, erlerntes Wissen am konkreten Fall zu erproben, als individuell-schöpferische Leistung zu bewerten. Anderenfalls blieben auch die in vielen wissenschaftlichen Fachbereichen anzutreffenden Fallsammlungen mit Lösungen ohne Urheberrechtsschutz, obwohl sie nach Form und Inhalt in der Regel die unverwechselbare Handschrift des Verfassers und damit individuell schöpferische Eigenart aufweisen. Muß aber ein Buch voller Musterklausuren ohne weiteres als schutzfähig angehen werden, kann für die einzelne Hausarbeit grundsätzlich nichts anderes gelten (vgl. OLG Köln, a.a.0. zur Klausuraufgabe).

Diese Ausführungen zeigen auch, daß - entgegen der Ansicht des Bekl. - das Ersinnen der Hausarbeitsaufgabe durch den Kl. nicht als Alltägliches, als "mehr oder weniger au Routine beruhendes Professorenschaffen" angesehen werden kann. Hiergegen spricht auch der vom Bekl. nicht bestrittene Umstand, daß Professoren allenfalls alle 2 - 3 Semester eine Hausarbeit zu erstellen haben. Bei einem solchen Zeitraum, der in großen Unviersitäten sogar noch länger sein mag, erscheint das Wort "Routine" fehl am Platz.

Zudem ist zu berücksichtigen, daß für jede Übung neue Fallkonstellationen zu entwickeln sind, da davon auszugehen ist, daß die Lösungen der verwendeten Arbeiten unter den nachfolgenden Studenten bekannt werden, möglicherweise auch in Repetitorien behandelt werden. Das bloße Abändern von Bekanntem reicht somit nicht aus.

Insoweit unterscheidet sich das Erstellen einer Hausarbeitsaufgabe auch vom "normalen" Anwaltsschriftsatz. Damit bleibt festzuhalten, daß die Aufgabenstellung eine individuell geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG darstellt.

b) Nach Auffassung der Kammer gilt dies auch für die Randbemerkungen und die Gesamtbeurteilungen der Hausarbeit. Die Randbemerkungen des Kl. - welche von ihm stammen, zeigt das Kürzel "EJ" - stellen eine geistige Schöpfung dar, die auf einem mehrteiligen Vorgang beruht: zunächst ist der Gedankengang des Studenten nachzuvollziehen, danach muß dessen Lösung mit einer Musterlösung verglichen werden, evtl. auch darauf, ob die nicht mit der Musterlösung übereinstimmende Bearbeitung noch von vertretbaren Gesichtspunkten ausgeht. Erst auf einer dritten Stufe kann eine Bewertung der Leistung der Studenten nachfolgen. Bei der Bewertung ist zu berücksichtigen, wie nahe der Student der richtigen bzw. einer vertretbaren Lösung kommt.

Nach Auffassung der Kammer sind daher die Randbemerkungen im Zusammenhang mit der Gesamtbeurteilung als individuell-schöpferische Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG anzusehen - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt, daß der Korrektor auch Ersteller der Hausarbeitsaufgabe ist. Von einer Zwangsläufigkeit des Ergebnisses kann bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil gerade im juristischen Bereich ein Beurteilungsspielraum existiert: es muß - anders als z.B. bei einem Multiple-Choice-Test - nicht immer nur eine "richtige" Lösung geben, oftmals sind mehrere Lösungswege vertretbar. Dabei kann die schöpferische Leistung auch nicht wegen der Kürze der Bemerkungen abgelehnt werden, denn der Umfang einer Äußerung besagt nichts über deren Qualität.

c) Die Veröffentlichung der Hausarbeit ist nicht im Hinblick auf § 24 Abs. 1 UrhG erlaubt.

Durch die Aneinanderreihung verschiedener Hausarbeiten wird kein "selbständiges" Werk im Sinne dieser Vorschrift geschaffen. Erforderlich hierfür wäre zunächst, daß durch die Benutzung des fremden Werks eine persönliche geistige Schöpfung entsteht, außerdem muß das entstehende Werk darüber hinaus in seiner schöpferischen Ausdruckskraft gegenüber dem benutzten Werk selbständig, d.h. von ihm unabhängig sein; es muß ein auf eigener schaffender Tätigkeit beruhendes Werk entstehen (vgl. Schricker/Loewenheim, § 24 UrhG, Rdn. 8). Von letzterem kann bzgl. des Skripts "Hausarbeiten zum kleinen BGB-Schein" nicht ausgegegangen werden: Das Skript enthält lediglich eine Aneinanderreihung von acht Hausarbeiten, wobei bei der Reihung weder thematisch noch zeitliche oder auf den Schwierigkeitsgrad bezogene Kriterien erkennbar sind.

Auch die Einleitung als solche vermag dem Skript nicht zur Erfüllung des Merkmals "Selbständigkeit" zu verhelfen. Abgesehen davon, daß der Umfang der Einleitung (2 Seiten) im Verhältnis zum Gesamtskript (150 Seiten) unbedeutend ist, enthält es teilweise nur Allgemeinplätze, teilweise werden lediglich Aussagen anderer Personen (Professoren) zitiert.

d) Entgegen der Auffassung des Bekl. ist die vom Kl. beanstandete Veröffentlichung auch nicht durch das Zitatrecht § 51 Nr. 1 UrhG gedeckt.

Die Anwendung dieser Norm scheitert bereits daran, daß das Werk des Kl. nicht "erschienen" ist. Dazu müßte es der Öffentlichkeit in verkörperter Form zugänglich gemacht worden sein (vgl. Schricker/Schricker, § 5 UrhG, Rdn. 38, Schricker/Katzenberger, § 6 UrhG, Rdn. 30). Zum einen sind die Hausarbeitstexte nur für die Teilnehmer der genau bezeichneten Übung der Universität Heidelberg im Wintersemester 1989/90 bestimmt gewesen. Zum anderen sind aber jedenfalls die genaue Korrektur dieser einen Hausarbeit und die Gesamtbeurteilung allein für den Studenten erfolgt, der die Hausarbeit bearbeitet hatte, damit war sie keinesfalls für die Öffentlichkeit bestimmt.

Schließlich ist § 51 Nr. 1 UrhG auch deshalb nicht anwendbar, weil der zulässige Zitatzweck die "Erläuterung des Inhalts" ist, und zwar des Inhalts des zitierenden Werks (SchrickerlSchricker, § 51 UrhG, Rdn. 39); vorliegend müßte also der Hausarbeitstext die Lösung der Hausarbeit erläutern. Dies ist jedoch nicht der Fall.

 

presented by allY and jOhn

 

 

Über die Decisions of the Week:

Diese Geschichtensammlung ist während meiner Promotion an der Uni Bayreuth entstanden und erzählt die Geschichte der Kanzleien R2DO und YO.

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