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Unerwünschte Zusendung von Werbematerial per E-Mail

AG Dachau vom 10.7.01

Fundstelle: NJW 01, 3488

 

Sachverhalt

Obwohl draußen die Sonne so herrlich scheint, sitzt S in seinem Büro und ist genervt. Die beiden Anwärterinnen für die Stelle als Sekretärin waren eine Enttäuschung: M machte als Frau eine lächerliche Figur und A war alles andere
als geeignet für die Tätigkeit als Sekretärin. Eine reizende Frau war sie schon, aber vor 11.00 wäre sie nicht im Büro erschienen und das ewige Getippe von Klageschriften oder Gutachten sei schlecht für ihre künstlichen
Fingernägel.
Und nun erfährt er von allY, dass sie A in der Kanzlei R2DO3 untergebracht habe. Sie habe A den Rat gegeben, bei M, der für Personalangelegenheiten zuständig sei, vorzusprechen. Denn die Sekretärin der Kanzlei sei auf eine
Weltreise aufgebrochen, weil sie kürzlich bei WWM die Million gewonnen hätte (letzte Frage: Wofür ist John Cage bekannt? A: Musik; B: das Bild "Unbeschreibbare Frau"; C: das Buch "Traumfrauen und andere Naturkatastrophen"; D: Anwaltstätigkeit in Ansbach), und daher sei eine Vertretung erforderlich. Woher weiß sie das schon wieder, denkt sich S.
Aber ihr Engagement für A findet er dann doch wieder nett, bis er den wahren Grund erfährt. allY geht es nur um das Ausspionieren der anderen drei und A sei dafür bestens geeignet: sie sei neugierig und könne es kaum erwarten, neue Kenntnisse zu verbreiten. Gerade heute Morgen habe sie eine e-mail von A bekommen, in der sie ihre ersten beiden Tage bei der Konkurrenz ausführlich beschrieben habe. Da sind bestimmt einige Fingernägel kaputt gegangen, bemerkt S.
allY erwidert, M habe sich großzügig bereit erklärt, ihre Ausgaben für die Kosmetikerin zu übernehmen. Jedenfalls müsse sie ihm jetzt diese e-mail wiedergeben. Auch wenn ihn das ganze wirklich nicht interessiert, ist jeglicher
Widerstand seitens S zwecklos. Also hört er zu: 

A habe sich eines schönen Tages bei M vorgestellt. Da M und der Ehemann von A gemeinsam studiert hätten, sei es für M selbstverständlich gewesen, A als Vertretung für die abwesende Sekretärin einzustellen. Sie müsse
auch nicht vor 11.00 in der Kanzlei erscheinen, denn das tue sowieso keiner. 

Vermutlich habe M sie nur eingestellt, weil er dachte, wenn wir an A als Sekretärin Interesse zeigen, müsse sie wohl über ihm bisher unbekannt gebliebene Fähigkeiten verfügen und er sollte sie YO wegschnappen, wendet S ein, ohne den Redefluß von allY allerdings lange stoppen zu können.
Ganz begeistert sei M von ihrer Schwäche für die Hawksbill-Schildkröten (Eretmochelys imbricata) gewesen.
Sie war nämlich letztes Jahr (wohl eher aus Langeweile, als aus Tierliebe, meint allY) einen Verein zum Schutz dieser bedrohten Südsee-Schildkröten beigetreten. M habe ihr sogar erlaubt, Sammelbüchsen mit der Aufschrift "Tod allen Schildkrötenfeinden - Rettet die Südseeschildkröten! Unterstützen auch Sie die Ausrottung der schildkrötenfressenden Krabben!" in der Kanzlei aufzustellen und selber eine 5 €-Münze hineingeworfen.

Gestern habe A nun angefangen zu arbeiten. Sie habe als erstes natürlich ihre unzähligen e-mails verschickt. Neben zahlreichen lustigen Anhängen habe Sie bei dieser Gelegenheit auch gleich Werbung für die Kanzlei gemacht. 

B und W habe sie noch nicht kennenlernen können. W sei damit beschäftigt, die zukünftige Ex-Frau des M zu trösten. Sie sei nämlich nach dem Auszug bei M in die Wohnung des W gezogen. Das Scheitern seiner Ehe habe bei M eine Lebenskrise ausgelöst, das durch den Einsatz des W für Frau T verstärkt worden sei. B dagegen sei zu einem Kaffeefahrten-Liebhaber mutiert. Er sei total vernarrt in dieses ganze, doch billige Geschirr, das man ja umsonst bekäme. A jedoch ist der Meinung, es liege an den vielen Rentnerinnen, die ihn anhimmelten. Denn seit seinem Outing als Nicht-mehr-Single, so habe A von M erfahren, bekäme B keine Fan-e-mails mehr und dies
habe seinem Ego als männliches Wesen doch sehr großen Schaden zugefügt. Ansonsten gäbe es nichts neues.


S ist geschockt. allY kann es nicht lassen. Sie muss einfach alles wissen, um Schwächen anderer Leute zu kennen und hat in A eine Verbündete gefunden. Und allY findet zu seinem Entsetzen auch nichts schlimmes dabei. Schlimm sei es auch nicht, wenn sie jetzt mal kurz nach Paris fliege, um mit dem Geld von R2DO3 einkaufen zu gehen. Schließlich habe er ihr selbst eine Kontovollmacht erteilt und die anderen hätten bisher nichts dagegen unternommen. Da sei ja wohl kaum sie selbst schuld. Weg ist sie!
S überlegt sich, ob denn seine Entscheidung tatsächlich richtig war. Bei B, M und W handelt es sich doch um seine Freunde. Er hat sie durch eine Kurzschlussreaktion verlassen. Aber die drei waren ja auch so schrecklich zu
ertragen. allY ist optisch sicher ein Gewinn, aber auch ein wenig verrückt. Ist das nun schlimmer? S weiß nicht mehr, was richtig und was falsch war. Verwirrt schläft er ein, in seinem wunderbar bequemen Bürostuhl, den er allY zu verdanken hat ...

M ist gerade dabei, die letzten Dosen Schildkrötensuppe aus der Kanzlei zu entfernen, bevor A sie zu Gesicht bekommt, als ihn ein Anruf der Firma Krabbentod GmbH erreicht. Deren Geschäftsführer beschwert sich über das unaufgeforderte Zusenden einer e-mail mit Werbung für die Kanzlei R2DO3. Die e-mail mit den 42 Anhängen herunterzuladen habe ihren Computer für eine halbe Stunde beschäftigt. Man werde R2DO3 deswegen auf Schadensersatz verklagen.

Erfolgsaussichten der Klage?

 

 

 

Lösung

Das Problemfeld des Versendens von Werbe-E-Mails ("Spamming") ist umstritten. Insoweit liegt soweit ersichtlich - noch keine gefestigte Rechtsprechung vor.

Aus der Fernabsatzrichtlinie und dem darauf basierenden Fernabsatzgesetz lassen sich für den vorliegenden Fall keine Schlüsse ziehen. Zum einen wird nämlich keine eindeutige Regelung dort getroffen, zum anderen beziehen sich die Normen lediglich auf den Kontakt zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Im vorliegenden Fall hingegen geht es um die Kontaktaufnahme über E-Mail zwischen zwei Unternehmen. Eine Klärung durch den Gesetzgeber könnte die Sogenannte E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union bringen, die aber noch nicht in Kraft getreten ist. Die technischen Möglichkeiten, unerwünschte E-Mails abzuwehren, etwa durch Anti-Spam-Filter oder sogenannte Robinson-Listen, sind noch nicht ausgereift.

Ein Schadenersatzanspruch aus § 823 I BGB wegen einer Eigentumsverletzung scheidet aus. Die von der Kl. geltend gemachten Positionen (Speicherkapazität, Arbeitsaufwand und Computernutzung) sind bloße Vermögenswerte, die nicht vom Eigentumsbegriff i. S. des § 823 I BGB umfasst sind.

Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB i.V. mit § 1 UWG ist nicht gegeben. Zwar hat die Bekl. im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs gehandelt. Es fehlt jedoch an der Sittenwidrigkeit ihres Vorgehens. Sittenwidrig ist ein Verhalten dann, wenn es dem Anstandsgefühl der redlichen und verständigen Wettbewerber widerspricht oder wenn es von der Allgemeinheit missbilligt und für untragbar gehalten wird. Eine Abwägung zwischen legitimen Interessen des Werbenden und dem Recht auf eine ungestörte Sphäre des Adressaten ergibt jedoch, dass eine Sittenwidrigkeit im vorliegenden Fall fehlt.

Der Kl. ist zuzugeben, dass die momentane technische Situation unbefriedigend ist und bei der Massenversendung von E-Mails ein Zusammenbruch dieses Kommunikationsmittels drohen könnte. Auszugehen ist aber vom konkreten Fall. Hier wurde die Kl. in ihrer geschäftlichen Sphäre, also nicht in einer besonders geschützten Privatsphäre, kontaktiert. Im Geschäftsverkehr ist die werbende Kontaktaufnahme sozial üblich und notwendig, um den Wirtschaftskreislauf in Schwung zu halten. Dies gilt zumindest bei Angeboten wie dem der Bekl., bei denen durchaus ein Interesse der Kl. an der angebotenen Dienstleistung denkbar ist.

Für die Form der Kontaktaufnahme gelten dabei im Verhältnis von Unternehmen zueinander weniger strenge Maßstäbe als im Verhältnis eines Gewerbetreibenden zum Verbraucher. Während sich in diesen Fällen ein strikter Maßstab bewährt hat, um die Privatsphäre des Verbrauchers nicht auszuhöhlen, ist im Geschäftsverkehr von größeren Freiheiten der Werbetreibenden auszugehen. Dies gilt insbesondere im Internet, das von zahlreichen Beobachtern primär als "Werbekanal" angesehen wird. Werbe-E-Mails sind also durchaus üblich. Im Vergleich zu Telefon und Telefax stören sie den betrieblichen Organismus weniger. Die Mitarbeiter werden nicht aus ihrer Arbeit gerissen, sondern sind geradezu auf den Empfang von Nachrichten eingestellt, wenn sie die E-Mails abfragen. E-Mails können auch problemlos und schnell entsorgt werden, es entsteht also nicht, wie etwa am Telefon, ein besonderer Rechtfertigungsdruck. Eine besondere Belästigung, die die Gewährung von Schadenersatz rechtfertigen würde, ist aus einer einzelnen E-Mail nicht ersichtlich.

Auch ein Schadenersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in das geschützte Rechtsgut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs kommt nicht in Betracht. Ein zum Schadensersatz verpflichtender betriebsbezogener Eingriff liegt nicht vor. Durch die E-Mail wurde zwar der betriebliche Organismus unmittelbar gestört, in dem Arbeitszeit und Computerkapazität ohne Einverständnis beansprucht wurden, die Beeinträchtigung ging aber über eine bloße Belästigung nicht hinaus. Kurzfristige Inanspruchnahme von Speicherkapazität und die maximal 30-minütige Blockade eines Computers fallen bei einem Unternehmen dieser Branche nicht ins Gewicht, da die Ausstattung der Kl. mit solchen Geräten für umfangreiche Online-Abfragen gerüstet sein muss. Auch die Kosten für die Herstellung einer Online-Verbindung sind niedrig anzusetzen, da Unternehmen aus der IT-Branche auf Grund ihres hohen Bedarfs regelmäßig günstige Verbindungsentgelte vereinbaren können. Setzt man hier etwa einen Minutenpreis von 4 Pfennigen an, so kommt man bei einer maximal 30-minütigen Verbindung auf einen Betrag von 1,20 DM. Auch der Arbeitsaufwand hält sich in Grenzen. Die Abfrage der E-Mails erfolgt automatisch. Für das Öffnen und Prüfen der E-Mail braucht ein Mitarbeiter aber bestenfalls wenige Minuten, zumal der Werbeinhalt bereits aus der Kopfzelle der E-Mail hervorging und insofern der werbliche Charakter rasch erkennbar war. Ein anderes Ergebnis und ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb läge allenfalls bei wiederholten Belästigungen der Kl. durch E-Mails der Bekl. vor. Nur dann wären möglicherweise auch Schadensersatzansprüche denkbar.

Auch der Hinweis auf den Vermerk in der Homepage der Kl. führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Kl. konnte bereits nicht nachweisen, dass sich zum Zeitpunkt der Übersendung der E-Mail durch die Bekl. ein Hinweis auf ihrer Homepage befunden hätte, in dem eindeutig auf die Unerwünschtheit von Werbe-E-Mails hingewiesen wurde.

Gerade für Fälle wie den vorliegenden, in denen nur eine einmalige Verletzung durch die Bekl. gerügt wurde, bietet sich die Abgabe einer gegebenenfalls strafbewehrten Unterlassungserklärung an. Durch eine solche Unterlassungserklärung könnte dem Interesse der Kl. an einem Schutz vor unerwünschten E-Mails Rechnung getragen werden, ohne dass dem Bekl. Schadensersatzforderungen aufgebürdet werden. Hier hat die Kl. aber keinen Unterlassungsanspruch geltend gemacht. Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht nicht.

presented by allY and jOhn

 

 

Über die Decisions of the Week:

Diese Geschichtensammlung ist während meiner Promotion an der Uni Bayreuth entstanden und erzählt die Geschichte der Kanzleien R2DO und YO.

Übersicht

 

 

 

 

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