Zum Jahresanfang
begibt M sich zur Kanzlei YO. Er will schließlich den Kontakt
zu S nicht abreißen lassen, er hofft ja noch immer auf seine
Rückkehr. Dazu nimmt er es sogar in Kauf, allY über den Weg
zu laufen. Zu seinem Glück ist diese gerade dabei, Frühstück
zu besorgen. Da S noch mit einem Telefongespräch beschäftigt
ist, wandert er etwas durch die perfekt ausgestatten
Kanzleiräume. Sein Blick fällt auf den Schreibtisch von allY. Dutzende Akten
- "Sicher nur Zierde, damit S denkt,
sie arbeite" -, Frühstücksreste - "Mit irgend
etwas muß sie S ja schließlich herumbekommen haben" -,
Zeitungsartikel aus dem Jahr 2013, "2013 !!!!"
Neugierig greift M zur Zeitung:
Erster
Klonjurist Deutschlands
Am 21.9.2013 wurde
in Ansbach ein Jurist namens Dolly geboren, der einige
Monate später zum berühmtesten Juristen aller Zeiten werden
sollte: Erstmals in der Geschichte war es gelungen, eine
exakte "genetische Kopie" eines Juristen, einen
Klon, herzustellen.
Der Hintergrund für dieses Experiment, das die Biotechnologie
revolutionierte, war dabei auch ein kommerzieller: Das
Forscherteam rund um den Wissenschaftler Dr. Zweigebirge hatte in
Zusammenarbeit mit der Pharmafirma "Monster AG"
nach
alternativen Verfahren gesucht, um gentechnisch manipulierte
Juristen einfacher und
billiger reproduzieren zu können. Die damals erstmals
erfolgreich angewandte Methode beruhte auf der Verschmelzung
des Zellkerns einer Zelle von einem erwachsenen Juristen mit
einer Eizelle, aus der die Erbsubstanz
entfernt worden war.
Das erstaunlichste Phänomen für den Laien besteht
sicherlich in der Tatsache, daß bei dieser Klontechnik die
Befruchtung einer Eizelle durch eine Samenzelle nicht mehr
erforderlich ist, um neues Leben zu erzeugen. Der Grund hierfür
liegt in einer Umgehung des natürlichen Vorgangs. Während
Ei- und Samenzelle für sich genommen nur je die Hälfte der
erforderlichen Chromosomen aufweisen, sind diese in jeder
einzelnen Körperzelle bereits vereint. Bringt man diese
"Information" also in einem "Kurzschlußverfahren"
in eine Eizelle ein und ist man weiter in der Lage, diese zur
Teilung zu bewegen, ist der Effekt derselbe wie bei dem natürlichen
Befruchtungsvorgang.
Klone sind aus diesem Grund auch identische Kopien lebender
Organismen, die in der Regel bei der geschlechtlichen
Vermehrung nicht entstehen. Die einzige Ausnahme davon sind
eineiige Mehrlinge.
Doch zurück zum
Klonjuristen Dolly. Vom praktischen
Standpunkt stellt sich jedem sofort die Frage, wozu das Klonen
von Juristen eigentlich gut sein soll, wo es doch genügend
Juristen auf der Welt gibt, die ihre Gattung freudig und
freiwillig auf natürlichem Wege fortpflanzen? Es gibt ein zentrales Problem, wenn man
Fälle mit Hilfe fähiger Juristen gewinnen will. Es gibt nur
wenige von dieser Art. Würde man sich hier auf die natürliche
Fortpflanzung verlassen, dann wäre zumindest jeder zweite
Nachfahre, nämlich die Frauen, für den angestrebten Zweck
unbrauchbar: Sie würden sich bei der Fallbearbeitung mehr auf ihre Gefühle verlassen denn auf solide Rechtskenntnisse
"Der tat mir einfach leid. Da habe ich ihm mehr
zugesprochen"....
In der
Wissenschaft hingegen sind geklonte Juristen nicht
unbedingt sinnvoll. Denn anders als in der juristischen Praxis kommt es dort nicht auf
identische Falllösungen, sondern auf Kreativität an, da nur so langfristig
die wissenschaftliche Diskussion gesichert werden kann. Die Schaffung ausschließlich geklonter
Einheitsjuristen könnte sich
daher eines Tages als verhängnisvoller Irrweg erweisen.
Dessen ungeachtet dürfen aber Klon-Experimente am
Juristen
- anders als beim Tier - nicht allein unter dem Gesichtspunkt
des Sinns und "Nutzens" diskutiert und beurteilt
werden. Im Falle der Erzeugung menschlichen Lebens mit dem
ausschließlichen Zweck der Rechtsberatung
wird aber ganz offensichtlich eine sensitive, kritische Grenze
überschritten. Denn in diesem Fall wird menschliches Leben
nicht erzeugt oder gezeugt, damit nach neun Monaten ungestörter
Entwicklung ein neuer Mensch entsteht. Sein Leben wird
vielmehr von vornherein instrumentalisiert, sein Schicksal ist
unausweichlich vorprogrammiert. Er wird sein Leben zwischen
verstaubten Büchern verbringen.
Die Frage ist
weiter: Warum sollten wir diese komplizierte Art
der Fortpflanzung wählen? Nach einigem Drumherumreden brachte es
Dr. Zweigebirge auf den
Punkt: "Niemand bringt wirklich den Mut auf, es zu
sagen... Wenn wir bessere Juristen machen könnten, indem man
Gene hinzufügt, so frage ich, warum sollten wir es nicht
tun?" Wer wolle schon einen
"durchschnittlichen Juristen", wenn es möglich sei,
diesen in seinem Embryonalstadium durch Veränderungen im
Erbgut "besser" auszustatten? Sei es nicht die
Pflicht der potentiellen zukünftiger Mandanten, sicherzustellen, daß ihr
Jurist "den
optimalen Start ins Leben" erhalte, die "bestmöglichen
Gene" besitze, möglichst lange lebe und auch nach 30
Jahren keinerlei Alterserscheinungen zeige?
Doch
das Klonen hat auch seine Nachteile. So ähnelt der Vorzeigejurist "Dolly"
genetisch nicht seinen gleichjährigen Altersgenossen, sondern
dem älteren Juristen, aus dessen Zellen er geklont wurde. Das berichten Forscher um "Dolly-Schöpfer"
Dr. Zweigestein.
Dolly hat demzufolge kürzere Telomere als gleichaltrige
Juristen, die auf natürlichem Weg zur Welt gekommen sind. Telomere sind spezielle DNA-Abschnitte an den Enden der
Chromosomen, der Träger des Erbgutes. Diese Abschnitte sollen
das Erbgut vor dem Abbau schützen. Sie verkürzen sich mit
jeder Zellteilung. Durch die Verkürzung läßt das Vermögen
der Zelle nach, sich zu teilen, sie altert. Dolly war aus der
Zelle eines damals vierzigjährigen Juristen geklont worden.
«Dolly» ist nicht normal.
Freunde und Verwandte hatten dies schon immer vermutet. Dr.
Zweigebirge ist der erste Wissenschaftler, der
das zugibt. Er ist fett und übergewichtig, was bei Juristen
normalerweise nicht in diesem Ausmaß vorkommt. Auch klonierte
Blondinen werden übergewichtig.
Irgendetwas, das wir noch nicht verstehen und molekular
beschreiben können, läuft nicht normal. Der vernünftige
Schluss aus unseren heutigen Kenntnissen ist der, dass das
Reprogrammieren von 30 000 Genen ein ineffizienter Prozess
ist.
In Großbritannien sind die Politiker
jetzt trotzdem weiter gegangen und haben das Klonen von
Betriebswirten zu Forschungszwecken gestattet.
(Anmerkung des
Verfassers: Hoffen wir, daß
das nicht wirklich alles einmal wahr wird. Nicht nur wegen
Dolly. Denn so viele von Klonen herangebrachte Fälle
kann nicht einmal S lösen!)
M
ist verwirrt! Woher hat allY
nur eine Zeitung aus dem Jahr 2013? Sicherlich wieder nur ein
übler Scherz!
Nach seinem
Gespräch mit S wartet Arbeit auf M, als er wieder zurück in
der Kanzlei ist. B, zur Zeit im Trainingslager hatte ihm durch
A ausrichten lassen, daß er sich einmal schlau machen solle,
ob es eine Versicherung einem übel nimmt, wenn man versucht,
in einer Kurve einer Schildkröte auszuweichen und dabei
stürzt. A, die sich begeistert darüber zeigt, daß B der
Schildkröte das Leben gerettet hat, kann sich das nicht
vorstellen. Liegt Sie richtig?
Lösung
.
Gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 VVG kann der Versicherungsnehmer die Aufwendungen ersetzt verlangen, die er den Umständen nach für geboten halten durfte, wenn sie zur Abwendung oder Minderung des Schadens gemacht wurden.
Der Kläger ist nach rechts ausgewichen, um den Zusammenstoß mit dem von links kommenden Tier zu vermeiden, also um den Eintritt des vorstehenden Versicherungsfalls abzuwenden. Nach den Umständen durfte er diese Ausweichmaßnahme jedenfalls ohne grobe Fahrlässigkeit für geboten halten. Es hat sich allerdings die Erkenntnis durchgesetzt, dass durch einen Zusammenstoß mit kleinen Tieren, etwa einem Kaninchen, Hasen oder auch Fuchs an einem Pkw regelmäßig nicht solche Schäden zu erwarten sind, die ein gefahrenträchtiges Ausweichmanöver rechtfertigen könnten, von dem größere Schäden drohen (vgl. statt vieler BGH v. 18.12. 1996 - IV ZR 321/95, MDR 1997, 348 = VersR 1997, 351 = r+s 1997, 98; OLG Hamm r+s 1994, 167; OLG Köln r+s 1992, 295). Diese Erkenntnisse können aber keineswegs uneingeschränkt auf den drohenden Zusammenstoß eines Motorrades mit einem kleinen Tier übertragen werden (anders LG Halle r+s 1998, 57; offen gelassen in OLG Hamm r+s 1994, 167). Der Sachverständige hat in einleuchtender Weise ausgeführt, dass jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Motorrad sich in Kurvenfahrt und demgemäß in Schräglage befindet, die große Gefahr des seitlichen Wegrutschens besteht, wenn das Vorderrad ein Kleintier erfasst und überrollt. Ob das bei Geradeausfahrt in gleicher Weise gilt, steht hier nicht zur Debatte.
Wegen der drohenden Gefahr durfte der Kläger das von ihm eingeleitete Ausweichmanöver für erforderlich halten; dies umso mehr, als es nach den Ausführungen des Sachverständigen auch fast gelungen wäre und letztlich nur daran gescheitert ist, dass der Kläger mit dem rechten Fuß an einem Leitplankenpfosten hängen geblieben und dadurch schließlich doch noch zu Fall gekommen ist.
presented
by allY
and jOhn
Über die
Decisions of the Week:
Diese Geschichtensammlung ist
während meiner Promotion an der
Uni Bayreuth entstanden und
erzählt die Geschichte der
Kanzleien R2DO und YO.