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Tiernamen für Kinder - Möwe / Hamster

BayObLG vom 16.5.1986

Fundstelle: StAZ 1986, 248 f.

 

Sachverhalt

Es ist Freitag Nachmittag und draußen scheint herrlich die Sonne. S sitzt zufrieden in seinem Büro. Es war eine sehr erfolgreiche Woche für ihn und er freut sich auf sein Wochendende, um mal so richtig auszuspannen. Doch plötzlich
platzt allY aufgeregt und mit einer Akte in der Hand in sein Büro.
"Du weißt gar nicht, was passiert ist. Ich habe heute Abend ein Date!" Guter Witz, denkt sich S. Ein date und allY. Doch scheint es tatsächlich wahr zu sein. Ein alter Bekannter von ihr sei in der Stadt und sie habe ihn zufällig getroffen. Sie sei schon immer ein wenig in ihn verliebt gewesen, nur habe sie dies erst heute gemerkt: er sei ja so erfolgreich in seinem Job, er sei attraktiv und noch dazu wieder Single. Indem er sie heute Abend zum Essen
eingeladen habe, habe er auch guten Geschmack bewiesen. "Ich muss dringend nach Hause und mich vorbereiten. Eine solche Chance darf ich nicht verpassen. Übernehme doch bitte meinen Termin." Es sei eine Scheidungssache. Bevor S etwas erwidern kann, ist allY schon weg. Also gut, er kann es ja nicht ändern. Etwa eine Stunde später erscheint allY's Mandantin in der Kanzlei. S bittet sie in sein Büro und ist angenehm überrascht. Denn die Mandantin macht auf ihn nicht den Eindruck, als wolle sie ihrem Ehemann das letzte Hemd wegnehmen. Um die Atmosphäre ein wenig aufzulockern, bietet S der Mandantin zunächst eine Tasse Kaffee und ein Stück Erbeerkuchen an. Sie nimmt dankend an und erzählt ihm, dass sie sich unwohl fühle. Denn nie hätte sie sich gedacht, sie würde sich mal von ihrem Ehemann scheiden lassen wollen. "Es ist sicherlich kein leichter Schritt" meint S in einem verständnisvollen Ton. "Erzählen Sie mir doch, aus welchem Grund Sie die Scheidung einreichen wollen."
Vor fünf Jahren habe sie ihren jetzigen Ehemann geheiratet und für ihn ihren Beruf als Kindergärtnerin aufgegeben, um für seine Kinder aus erster Ehe zu sorgen. Ihr Ehemann habe von Anfang an gewußt, dass sie eigene Kinder haben wollte. Nur haben seine Kinder, die im Zeitpunkt der Heirat 4 und 2 Jahre alt gewesen seine, immer Priorität gehabt. Sie habe Verständnis dafür gehabt und sich auch wie deren Mutter gefühlt. Vor einem Jahr aber seien die Kinder zu der leiblichen Mutter, die kurz nach der Scheidung nach Australien ausgewandert sei, gezogen. Sie habe gehofft, dass die Zeit für eigene Kinder endlich gekommen sei. Leider habe sie sich geirrt. Ihr Ehemann, ein erfolgreicher Chirurg, denke nur an seine Karriere und wolle von Kindern plötzlich nichts mehr wissen. Schließlich habe er schon zwei. Nachdem sie alles erfolglos versucht habe, ihn doch noch zu überreden, sei sie letzte Woche ausgezogen und wolle die Scheidung. Sie sei bereits 34 und wolle die Chance auf eigene gesunde Kinder nicht gefährden. Die biologische Uhr, denkt sich S.
S versteht die Beweggründe der Mandantin und verspricht ihr, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Scheidung erfolgreich über die Bühne zu bringen und das Beste für die Mandantin herauszuholen. Laut Ehevertrag, den die Mandantin vorgelegt hat, hätte sie im Falle einer Scheidung zwar keine Ansprüche. Doch solle sie sich davon nicht verunsichern lassen. Die Wirksamkeit eines solchen Ehevertrages sei seiner Meinung nach höchst fraglich.
Dabei glaubt S seinen eigenen Ohren nicht. Nomalerweise predigt er allY immer, sie solle bei Scheidungsangelegenheiten zu allererst versuchen, eine Vermittlungsrolle einzunehmen. Nur weil die Parteien einen Anwalt aufsuchen, bedeute dies nicht immer, dass die Scheidung beschlossene Sache sei. Niemand solle eine Ehe "zerstören", die noch zu retten gewesen wäre. In diesem Fall aber will S von seinen eigenen Ratschlägen nichts wissen. Diese Frau, die gerade vor ihm sitzt, hat ihn vom ersten Augenblick an tief beeindruckt. Es muss Schicksal gewesen sein, dass allY gerade heute ihre vermeintlich alte Liebe getroffen hat. Denn er sollte die Bekanntschaft dieser Frau machen. Beim Abschied schaut sie ihm tief in die Augen, während sie seine Hand schüttelt ...

Die Namensdiskussion in der Kanzlei R2DO3 hält an. Nachdem sich B schweren Herzens von "Blauderauswienix" als Name für seinen Sohn verabschieden mußte und sich von dem Vorschlag "Paul" von A (die übrigens Anmerkung des Verfassers nicht schwanger ist) so angetan zeigt, verbringt er seine Zeit im Büro damit, sich zu überlegen, welches Tier als besonders gesprächig bekannt ist, um das als Name in Betracht zu ziehen. Was also ist das Gegenteil von einem Fisch? Papagei R.? Aber darf man sein Kind überhaupt nach einem Tier benennen? Kann es etwa Möwe heißen? Könnte der Sohn eines anderen Kanzleimitglieds "Fisch" oder "Hamster" heißen?

 

 

Lösung

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1. Die Beteiligte zu 1) möchte ihrer 1984 in Würzburg nichtehelich geborenen Tochter die Vornamen Felicitas Moewe geben. Der Standesbeamte hat hiergegen Bedenken. Er hat den Vorgang deshalb über die Standesamtsaufsicht dem AG Würzburg zur Prüfung der Eintragungsfähigkeit des Vornamens Moewe vorgelegt. Dieses wies den Standesbeamten am 23. 1. 1985 an, den Vornamen Moewe nicht in das Geburtenbuch des Kindes einzutragen.

Auf die Beschwerde der Mutter hörte das Landgericht die Eltern mündlich an. Mit Beschluß vom 21. 8. 1985 (veröffentlicht in StAZ 1986, 44) wies es die Beschwerde zurück. Zur Begründung führte es aus, die Bezeichnung Moewe habe keinen Namenscharakter, sondern kennzeichne eine Vogelgattung. Mit der Bezeichnung sei keine positive Symbolkraft verbunden, welche die Tierbezeichnung als Namen für einen Menschen geeignet erscheinen lassen könnte. Insbesondere sei die Möwe im allgemeinen Bewußtsein kein Symbol für Frieden oder Freiheit. Auch auf religiösem Gebiet komme der Möwe keinerlei Symbolkraft zu; entgegen der Auffassung der Mutter werde der Heilige Geist nicht durch eine Möwe, sondern durch eine Taube dargestellt. Buch und Film "Die Möwe Jonathan" hätten die Vogelgattung der Möwen nicht symbolträchtig gemacht. Auch sei ein Bezug auf das literarische Vorbild für Dritte nicht ohne weiteres erkennbar. Ein Vorname Moewe würde das Kind deshalb herabsetzen.

2. Gegen diese Entscheidung richtet sich die von einem Bevollmächtigten der Mutter eingelegte weitere Beschwerde.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist als unbefristetes Rechtsmittel statthaft und formgerecht eingelegt (§ 48 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Satz 2 PStG, § 27 Satz 1, § 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 21 Abs. 2 FGG).

2. Die somit zulässige weitere Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) stand.

Das Recht der Vornamenserteilung für ein nichteheliches Kind steht der allein sorgeberechtigten Mutter als Ausfluß ihres Personensorgerechts (§ 1626 BGB) zu (allg. Auffassung, vgl. BayObLGZ 1983, 305, 306 = StAZ 1984, 127 mit weit. Nachw.). Zutreffend hat das Landgericht dargelegt, daß Moewe nicht als Vorname gewählt werden kann, weil das phonetisch übereinstimmende Wort Möwe eine Tiergattung bezeichnet und es als Vorname dessen Träger herabsetzt.

Allgemeinverbindliche Vorschriften über die Wahl und die Führung von Vornamen gibt es zur Zeit nicht. Die Wahl der Vornamen ist deshalb nur dadurch beschränkt, daß die Namensgebung die allgemeine Sitte und Ordnung nicht verletzen darf (BGHZ 29,256,259 = StAZ 1959,210; 30,132,134 = StAZ 1959, 236; 73, 239, 241 = StAZ 1979, 238; BayObLG a.a.O.). Die Auffassungen hierzu sind einem stetigen Wandel unterworfen. Während die Bedeutung familiärer Überlieferungen für die Wahl des Vornamens in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist, sind in jüngerer Zeit vor allem modische Entwicklungen und das Bedürfnis nach individueller Namenswahl stärker hervorgetreten (vgl. BayObLGZ 1983, 305, 307 und z. B. OLG Hamburg, StAZ 1980, 193 f.; OLG Karlsruhe, StAZ 1981, 26; OLG Zweibrücken, StAZ 1983, 346, 347; Diederichsen, NJW 1981, 705, 709 ff.; Dörner, StAZ 1980, 170,172). Hierbei ist die Auffassung vorherrschend geworden, daß kein bereits bekannter Vorname gewählt werden muß, der Sorgeberechtigte vielmehr einen neuen Namen frei erfinden kann (BayObLG a.a.O.; OLG Braunschweig, StAZ 1978, 184, 185; OLG Karlsruhe a.a.O. Dörner, StAZ 1973, 237, 239; 1981, 27; Massfeller/Hoffmann, PStG § 21 Rdnr. 49; Simader/ Diepold, Deutsches Namensrecht C 134; Soergel, BGB 11. Aufl., § 12 Rdnr. 105; ablehnend Diederichsen, NJW 1981, 705, 710). Voraussetzung für die Zulässigkeit der Wahl eines neuen Vornamens ist aber stets, daß die gewählte Bezeichnung überhaupt Namenscharakter hat BayObLG a.a.O. S. 308; OLG Braunschweig, OLG Hamburg und Soergel, a.a.O. OLG Celle, StAZ 1976, 80 f. Dörner, StAZ 1980, 170, 172; Pfeiffer/Strickert, PStG, § 21 Rdnr. 21; Massfeller/Hoffmann § 21 PStG Rdnrn. 44, 49; vgl. BGHZ 29, 256, 259; 30, 132, 134) und nicht das Wohl des Kindes beeinträchtigt (vgl. BGHZ 30, 132, 139; BayObLG OLG Zweibrücken, Dörner a.a.O. Gernhuber StAZ 1983, 265, 267 f.; Massfeller/Hoffmann § 21 PStG Rdnrn. 46, 49; Simader/Diepold, Soergel a.a.O. Staudinger, BGB 12. Aufl., § 12 Rdnr. 92). Keine dieser beiden Voraussetzungen liegt hier vor.

a) Die Bezeichnung Moewe ist als Vorname nicht geeignet,

Bezeichnungen für Gegenstände und Begriffe fehlt regelmäßig der Namenscharakter (Soergel a.a.O. vgl. Dörner, StAZ 1973, 237, 239, 1980, 170, 172; Gernhuber StAZ 1983, 265, 270). Als Ausnahmen haben sich Blumennamen für Mädchen und der Vorname Wolf für Knaben eingebürgert; bei Wolf handelt es sich allerdings um eine Kurzform für Wolfgang und Wolfram. Der von der Mutter angeführte männliche Vorname Leo ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil Leo als Tierbezeichnung nicht zur deutschen Sprache gehört, sondern ein lateinisches Wort ist. Die im vorliegenden, Fall von der Mutter als Vorname gewählte Bezeichnung Moewe ist - von der geringen Abweichung in der Schreibweise (oe statt ö) abgesehen - in der deutschen Umgangssprache allgemein die Bezeichnung für eine Tiergattung. Als Vorname ist sie nicht erkennbar. Der Vorname soll seinen Träger von Personen mit demselben Familiennamen unterscheiden (Diederichsen, NJW 1981, 705, 709) und das Geschlecht des Namensträgers kenntlich machen; durch die Wahl des Vornamens kann zugleich eine Beziehung zu Vorfahren, Heiligen oder anderen als Vorbild oder Leitbild ausgewählten Trägern desselben Namens hergestellt werden (BGHZ 30, 132, 135). Dagegen soll der Vorname seinen Träger nicht zu einer Tiergattung in Beziehung setzen.

b) Ein Vorname Moewe würde das Wohl des Kindes gefährden, weil er geeignet ist, seine Persönlichkeit herabzusetzen.

Mit Möwen werden nicht nur angenehme Vorstellungen verbunden. Die überwiegend schwarz, weiß und grau gefärbten Tiere (Brockhaus Enzyklopädie 17. Aufl., Meyers Enzyklopädisches Lexikon 9. Aufl., je zum Stichwort "Möwen") haben sich im Binnenland (BT-Drucks. 7/4285 S. 20; Brockhaus a.a.O.) so stark ausgebreitet, daß sie vielfach als Plage empfunden werden und ihnen mit Widerwillen und Abneigung begegnet wird, weil sie als Schreivögel bekannt sind und überdies durch ihre Lebensweise Abscheu hervorrufen und als Gefahr für die Volksgesundheit erkannt sind. Die als nicht schutzwürdig und gar schädlich angesehenen Tiere konzentrieren sich außerhalb der Brutzeit vorwiegend an Kläranlagen und Müllkippen (BT-Drucks. a.a.O. Mitzschke/ Schäfer, Kommentar zum Bundesjagdgesetz, § 19 BJG Rdnr. 16) und übertragen daher ebenso wie Ratten schädliche Krankheitserreger (Hösel/von Lersner Recht der Abfallbeseitigung, § 2 AbfG Rdnrn. 14, 15), wobei auch klinisch gesunde Tiere als Dauerausscheider gefährlich sind (Röderl Hausmann, Die wichtigsten Zoonosen in synoptischer Darstellung S. 167). Die auf Mülldeponien lebenden großen Scharen von Möwen verursachen darüber hinaus Schäden an der jungen Saat (vgl. BGH, NJW 1980,770) und am Wild (vgl. OVG Koblenz, Jagdrechtliche Entscheidungen Bd. 3 VIII Nr. 32 S. 12). Die starke Vermehrung der Möwen im Binnenland und an der Küste hat den Gesetzgeber deshalb bereits im Jahre 1976 veranlaßt, die Jagd auf diese Tiere auch zur Nachtzeit zuzulassen (§ 19 Abs. 1 Nr. 4 Bundesjagdgesetz i.d.F. vorn 28.9. 1976, BGBl. I S. 2841; hierzu BT-Drucks. 7/4285 S. 20, 27; Mitzschke/Schäfer a.a.O.).

Die Beurteilung der Mutter, die mit der Möwe nur angenehme Vorstellungen verbindet, schöpft daher nicht alle Betrachtungsweisen aus, die in der allgemeinen Vorstellung in diesem Zusammenhang bestehen. Bei der hier zu treffenden Entscheidung müssen auch die ganz anders gearteten, abwertenden Gedankenverbindungen berücksichtigt werden, die weite Teile der Bevölkerung bei diesem Tier herstellen und die zumindest ebenso nahe liegen wie die idealisierende Betrachtungsweise der Mutter. Viele Menschen, möglicherweise eines Tages auch das Kind, würden einen Vornamen Moewe daher als Herabsetzung seines Trägers ansehen.

Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr entscheidend darauf an. daß im Schrifttum (Diederichsen, NJW 1981, 705, 709; Massfeller/Hoffmann § 21 PStG Rdnr. 46) auf Forschungsergebnisse hingewiesen wird, nach denen Kinder mit außergewöhnlichen Vornamen weit stärker zu neurotischem Verhalten neigen als solche mit allgemein verbreiteten Vornamen

Ohne Bedeutung ist, daß das Kind den Vornamen Moewe nicht als einzigen, sondern als dritten Vornamen erhalten soll. Denn bei der Prüfung des Wohls des Kindes muß davon ausgegangen werden, daß vielfach (z. B. gegenüber Behörden) sämtliche Vornamen angegeben werden müssen; vor allem aber können sämtliche Vornamen gleichwertig als Rufname verwendet werden.

presented by allY and jOhn  

 

 

Über die Decisions of the Week:

Diese Geschichtensammlung ist während meiner Promotion an der Uni Bayreuth entstanden und erzählt die Geschichte der Kanzleien R2DO und YO.

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