B ist nervös
und das hat seinen guten Grund: Das alljährliche
Schachturnier der Kanzlei steht unmittelbar bevor. In
diesem Jahr will B unbedingt zum ersten Mal den Kanzleipokal
gewinnen. Jeder hatte ihn in den letzten 3 Jahren schon einmal
in den Händen gehalten: W, M und sogar S. Letzteres hatte B
besonders betroffen gemacht. Jemand, der ohne Schachuhr für seine
Züge so lange braucht, dass er auf einem Transatlantikflug
nicht einmal eine Partie zu Ende bringt, hatte ihn
letztes Jahr geschlagen und welch Schande, aufgrund
Zeitablaufs! Diese Jahr soll nun endlich alles anders werden.
S ist nicht mehr dabei und für M und W hat er sich etwas
besonderes ausgedacht: Er lädt Frau T als Zuschauerin ein. Da
werden W und M so abgelenkt sein, dass es in diesem Jahr nur
einen Sieger geben kann, nämlich ihn.
Einen
Tag vor dem großen Ereignis taucht A in dem Büro von B auf
und fragt ihn, ob sie bei dem Turnier mitmachen könnte. B denkt einen Moment lang nach: Frau und noch dazu
Blondine! Wenn sie sich denn unbedingt blamieren will, dann lässt
sich das doch einrichten. Frauen können höchstens
ihre nächsten Shopping-Ausflüge vorausplanen, aber ganz
sicherlich nicht mehrere Züge beim Schach. Nach einem "Na
immer doch!" kehrt A zurück an ihre Arbeit.
Zunächst
läuft am großen Tag alles nach Plan. B ist verblüfft davon, wie toll Frau
T wirkt. Nicht nur, dass er M und W geschlagen hat, nein
selbst einer Blondine ist das gelungen. Ihm wird so eine
Schmach natürlich nicht unterlaufen. Den Pokal vor Augen wundert B sich
nicht einmal darüber, dass A ihm doppelt so viel Zeit zugesteht wie sich
selbst und seine Untersteinacher Eröffnung gleich mit
einer Blondinenreplik erwidert. Und damit nicht genug, ist er
nach kurzer Zeit auch schon Dame und beide Läufer los.
Irgendetwas scheint hier schrecklich daneben zu laufen, denkt
B noch so bei sich, als A auch schon "Schach Matt"
vermeldet. Nur noch am Rande bekommt er mit, wie A stolz den
Kanzleipokal entgegennimmt...
B
beschließt, die Schmach schnell zu tilgen. Wenn es beim
Schach nicht klappt, dann muss man eben einen neuen Wettbewerb
erfinden, den eigentlich nur er gewinnen kann: Schönster und
stärkster Jurist von R2DO3...
Und
als B sich seinen Sieg schon in den schönsten Zügen ausmalt,
übersieht er völlig drei Metallpfeiler, die in einer quer
zur Fahrbahn verlaufenden Reihe aufgestellt sind, um
Kraftfahrzeuge an der Durchfahrt zu hindern. Zwischen den
Pfeilern besteht ein Abstand von ca. einem Meter. Das Fahrrad
von B verhackt sich in den Pfeiler und es kommt einmal wieder
zu einem Sturz von B. Hat die Gemeinde mit dem Aufstellen der
Pfeiler ihre Verkehrssicherungspflicht gegenüber Radfahrern
verletzt?
Lösung
... Gemäß § 10 StrWG M-V obliegen die mit der Erhaltung der Verkehrssicherheit auf öffentlichen Straßen zusammenhängenden Pflichten den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften und Behörden als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Für Gemeindestraßen und -wege sind die Gemeinden als Träger der Straßenbaulast verkehrssicherungspflichtig
(§ 14 StrWG M-V). ...
Die Beklagte durfte zum Zwecke der Verkehrsbeschränkung auf der S.-Promenade Metallpfeiler aufstellen. Bei den fraglichen Metallpfeilern handelt es sich nicht um Verkehrshindernisse
gem. § 32 StVO, sondern um zulässige Verkehrseinrichtungen gern. § 43 Abs. 1 StVO. Kraft ausdrücklicher Bestimmung gehören zu den Verkehrseinrichtungen auch sog. "Sperrpfosten".
Ein Radfahrer, der die erforderliche Sorgfalt walten ließ, war in der Lage, die "Sperrpfosten" zu erkennen und ihnen rechtzeitig auszuweichen. Die Metallpfosten sind nicht an einer unübersichtlichen Stelle aufgestellt, sondern bereits von weitem sichtbar. Zwar ist der Farbanstrich teilweise abgeblättert. Aber im Ganzen hebt sich gerade der nach der Behauptung der Klägerin schadensursächliche mittlere Pfeiler deutlich genug vom Hintergrund ab. Der Kontrast zwischen Metallpfeiler und dem lehmig-braungrauen Untergrund der S.-Promenade ist lediglich dort schwächer, wo die Farbe abgeblättert ist. Dabei handelt es sich jedoch um eine im Vergleich zum Gesamtkörper geringe Fläche, so dass die Wahrnehmbarkeit des Pfeilers insgesamt nicht entscheidend beeinträchtigt ist. Wer auf die Fahrbahn achtet, dem muss der Pfeiler auffallen. Da kurz vor der Unfallstelle ein Weg kreuzt, beansprucht die Fahrt an dieser Stelle ohnehin erhöhte Aufmerksamkeit (vgl. § 8 Abs. 2 S. 3 StVO).
In vergleichbaren Fällen haben die Gerichte ebenfalls eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verneint. So hat das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf v. 12.10.1995 - 18 U 38/95, OLGR Düsseldorf 1996, 4 = NJW 1996, 731,
732) beim Aufstellen von Blumenkübeln zum Zwecke der Verkehrsberuhigung keine zusätzlichen Warnhinweise verlangt, wenn diese auf einer "Sperrfläche" gern. Zeichen 298 aufgestellt waren. Dabei war nach Ansicht des Gerichts ohne Bedeutung, dass die Fahrbahnmarkierung der Sperrfläche möglicherweise bereits stark verwittert und nur noch schwer zu erkennen war, weil jedenfalls die Blumenkübel selbst als massive Körper mit einem Durchmesser von 95 cm und einer Höhe von 5,3 cm bei der gebotenen Sorgfalt auch im Dunkeln hätten wahrgenommen werden müssen. Im gleichen Sinne hat das Gericht entschieden, als ein Fußgänger im Dunkeln über einen auf dem Gehweg aufgestellten Betonpoller stürzte, der unbefugtes Parken von Kraftfahrzeugen auf dem Bürgersteig unterbinden sollte (OLG Düsseldorf v. 9.3.1995 18 U 172/94, OLGR Düsseldorf 1995, 238 = NJW 1995, 2172 [2173]). Auch wenn der Kontrast des dunkelgrauen Pollers im Verhältnis zu dem roten Pflasterbelag des Gehwegs bei Dunkelheit weitgehend aufgehoben war, war der Poller nach Ansicht des Gerichts auch bei Dunkelheit erkennbar und bei der gebotenen Aufmerksamkeit nicht zu übersehen. Der Gehwegbenutzer dürfe "nicht blind darauf vertrauen, dass sich seinen Füßen nichts in den Weg stellt."
Gleiches gilt für den Fahrradfahrer. Auch dieser muss darauf achten, wo er hinfährt, und muss erkennbare Verkehrseinrichtungen umfahren. Da das Aufstellen von Sperrpfosten zulässig und verkehrsüblich ist, kann sich der Radfahrer auch nicht darauf verlassen, dass sich im Anschluss an Kreuzungen oder davor keine Sperrpfosten befinden. Er darf deshalb in der Tat nicht "blind" darauf vertrauen, dass sich seiner Fahrt nichts in den Weg stellt.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass an der Unfallstelle besondere Lichtverhältnisse geherrscht hätten und die Pfeiler im Übergang von der Sonne zum Schatten gelegen hätten, ist ihr im landgerichtlichen Urteil mit Recht entgegengehalten worden, dass sich der Verkehrsteilnehmer gern.
§ 3 Abs. 1 S. 2 und 4 StVO mit seiner Fahrweise der Sichtweite und den Straßen- und Wetterverhältnissen anpassen müsse (vgl. auch OLG Düsseldorf v. 12.10.1995 - 18 U 38/95, OLGR Düsseldorf 1996, 4 = NJW 1996, 731 [732]). Entsprechendes gilt in Bezug auf die Sichtbeeinträchtigung, die möglicherweise von Fußgängern ausgelöst worden ist. Sollten Passanten tatsächlich die Sicht behindert haben, wäre der Klägerin ebenfalls ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot des § 3 Abs.1 S.4 StVO anzulasten. Wer sich an einem erkennbaren Pfosten verhakt, ist entweder zu schnell gefahren oder hat infolge Unaufmerksamkeit zu spät reagiert (vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. 2001,
§ 3 StVO Rz. 32).
Der Unfall ist somit darauf zurückzuführen, dass die Klägerin die ihr obliegende Sorgfalt beim Befahren der S.-Promenade nicht wahrgenommen hat. Dabei handelt es sich nicht um den bloßen Vorwurf eines Mitverschuldens. Gegenüber einem Verkehrsteilnehmer, der die erforderliche Sorgfalt nicht walten lässt besteht bereits keine Verkehrssicherungspflicht.
presented
by allY
and jOhn
Über die
Decisions of the Week:
Diese Geschichtensammlung ist
während meiner Promotion an der
Uni Bayreuth entstanden und
erzählt die Geschichte der
Kanzleien R2DO und YO.