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Kennzeichnung von Lebensmitteln - Weinbergschnecken

LG Mainz vom 15.11.2001

Fundstelle: NJW 2002, 1055 f.

 

Sachverhalt

Schon seit längerer Zeit plant W einen schönen Abend mit Frau T zu verbringen. Er kennt ihre Vorliebe für Exotisches und beschließt daher, ein außergewöhnliches Mahl für seine Nicht-Ehefrau zu kochen. Er erinnert sich an ein Kochbuch, das ihm eine seiner Verflossenen geschenkt hatte: "Insekten und dergleichen - Mal anders Essen" Endlich kann er etwas mit diesem komischen Geschenk anfangen, denkt er erfreut. Er entscheidet sich für Reis mit gebratenen Heuschrecken als Hauptgang. Als Vorspeise will er zunächst eine Gemüsesuppe, garniert mit Mehlwürmern servieren. Doch Mehlwürmer! Bei aller Liebe zu Frau T, kann er sich nicht überwinden, diese Viecher überhaupt anzufassen geschweige denn zu essen. Ein knackiger Salat tut es schließlich auch. Begeistert von
seinem Plan, macht er sich an die Arbeit. Er sucht ein Zoologie-Geschäft auf und kauft 500 gr Wanderheuschrecken made in Zimbadwe. Zuhause angekommen, merkt er zu seinem Entsetzen, dass diese Tiere noch leben. In seinem Kochbuch steht, Umbringen durch Erfrieren sei ein angenehmer Tod für diese Heuschrecken.
Also steckt er die Tüte mit den Tierchen in seine Gefriertruhe und liest in seinem Kochbuch weiter. Nach dem "Mord" seien die Flügel und die Beine der Tiere zu entfernen. Wie bitte? Nein, zunächst soll er diese armen Tiere ermorden und hinterher auch noch auseinander nehmen. Zu viel für sein schwaches Herz. Überwältigt von seinem Mitgefühl für die Heuschrecken (schließlich hat er diesen Tieren ins Gesicht gesehen), rennt er zu seiner Gefriertruhe, nimmt die Tüte mit den Heuschrecken, öffnet sein Küchenfenster und läßt die Tiere entfliehen - in die dunkle kalte Nacht ... Nun muss ein Plan B her. Der steht auch in seinem Kochbuch: Schnecken. Schnecken konnte er sowieso nie leiden. Daher wird der "Mord" an Schnecken sein Herz nicht berühren."

Als Frau T bei ihrem "Alten" eintrifft, ist sie von dessen Idee zunächst sehr angetan, schließlich steht sie auf Absonderliches, auf dem Tisch und anderswo... Solange W noch mit der Zubereitung beschäftigt ist, gehen beide ihrem neuen Hobby nach, dem Spekulieren über die Identität von Herrn Y und Frau X. Bzgl. letzterer haben beide auch schon eine Theorie entwickelt, die angesichts der Einschätzung ihrer Bekannten als Mindermeinung bezeichnet werden muß: allY müsse S eine Freundin aus München vorgestellt haben, als die zu Besuch in Bayreuth gewesen war. Zwischen beiden müsse es schnell gefunkt haben und S habe Frau X mehrmals aufgesucht, als er wegen eines Gerichtsverfahrens in München zu tun hatte. Wie paßt aber der Besuch bei einem Fußballspiel (Bremen hat einmal mehr gegen München gewonnen) in das Bild? Ist man wirklich auf der richtigen Spur? Promoviert Frau X zur Zeit zum Thema "Hexenverbrennungen im Mittelalter"? Und warum spricht S immer wieder davon, einer Löwin in die Augen geblickt und sie besiegt zu haben? Wird S allY betrügen und demnächst beim Frühstücken fremd gehen? Fragen über Fragen und der Fluch der Neugier schwebt über allem, zumindest bis W beginnt, das Abendessen zu servieren und damit das Ende des vergnüglichen Beisammenseins einleitet. Entsetzt beschwert sich Frau T nämlich darüber, daß ihr Schnecken der Art Helix lucorum als Weinbergschnecken serviert werden. Das sei eigentlich ein guter Scheidungsgrund, meint sie, doch leider habe W es sehr geschickt eingefädelt und sich bisher erfolgreich vor einer Hochzeit gedrückt. Damit müsse jetzt endlich Schluß sein. Schließlich würde es nun langsam wieder Zeit für eine Scheidung...

Wurden Frau T wirklich keine Weinbergschnecken vorgesetzt?

 

 

Lösung

... Als Wettbewerbsverstoß i. S. von § 1 UWG ist eine lebensmittelkennzeichnungswidrige Bezeichnung von Lebensmitteln, auch von Schneckenfleisch unter Verletzung der §§ 3 und 4 LebensmittelkennzeichnungsVO zu bewerten. Wenn die Bezeichnung eines Lebensmittels gegen geltendes Lebensmittelkennzeichnungsrecht verstößt, liegt hierin zugleich auch ein Verstoß gegen § 1 UWG, wenn durch eine lebensmittelkennzeichnungswidrig Bezeichnung der Verbraucher irregeführt wird oder die Gesundheit der Verbraucher beeinträchtigt wird (vgl. Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 22. Aufl., § 1 UWGRdnr. 621 m. w. Nachw.). Lebensmittel dürfen gem. § 3 I Nr. 1 LebensmittelkennzeichnungsVO nur in Verkehr gebracht werden, wenn die Verkehrsbezeichnung nach Maßgabe von § 4 I Nr. 1 LebensmittelkennzeichnungsVO darauf angegeben ist. Eine inhaltlich unrichtige Bezeichnung eines Lebensmittels würde sich als Verstoß gegen § 1 UWG darstellen. Ob Schneckenfleisch der Art "Helix lucorum" als Weinbergschnecken bezeichnet werden darf, richtet sich danach, ob die Bezeichnung dieser Schneckenart als Weinbergschnecke die nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung darstellt (§ 4 I Nr. 1 LebensmittelkennzeichnungsVO). Die allgemeine Verkehrsauffassung umfasst die Auffassung aller am Verkehr mit dem betreffenden Lebensmittel beteiligten Kreise, welches sind die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Lebensmittelüberwachung und die Verbraucher (vgl. Zipfel, LebensmitteIR, C 104, § 4 LebensmittelkennzeichnungsVO Rdnr. 9f. m.w. Nachw.). Eine Bezeichnung ist nach allgemeiner Verkehrsauffassung nur insoweit üblich, als auf Grund der allgemeinen Verkehrsauffassung die Zuordnung des betreffenden Lebensmittels zu dieser Bezeichnung eindeutig ist.

III. Ausgehend von diesem Ansatzpunkt hat die Kammer zu der Frage Beweis erhoben, ob die allgemeine Verkehrsauffassung unter Weinbergschnecken ausschließlich die von der Kl. vertriebenen Schnecken der Art "Helix pomatia" versteht oder auch Schnecken der Art "Helix lucorum", welche von der Bekl. vertrieben wird.

In diesem Zusammenhang hat die Kammer zunächst das Gutachten D zur Kenntnis genommen, wonach der Name der Weinbergschnecke im deutschen Sprachraum für die Schneckenart Helix pomatia präokkupiert sei, ebenso das Gutachten des Landesveterinäruntersuchungsamtes Rheinland-Pfalz, Koblenz, vom 24. 3. 1999 (ebenso wie das erstgenannte Gutachten Parteigutachten der Kl.), wonach die Bezeichnung Weinbergschnecke" für die Schneckenart Helix lucorum unrichtig sei. Hierauf aufbauend hat die Kammer eine amtliche Auskunft der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission eingeholt. Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission beschreibt in ihren Leitsätzen für bestimmte Lebensmittelgruppen die Verkehrsauffassung, das heißt den redlichen Hersteller- und Handelsbrauch unter Berücksichtigung der Erwartung der Durchschnittsverbraucher. Sie arbeitet mit allen mit Lebensmittel beteiligten Gruppen zusammen (Wirtschaft, Wissenschaft, Verbraucher und Lebensmittelüberwachung) und legt die in diesen Verkehrskreisen verbreitete Verkehrsauffassung in ihrer, der Lebensmittelbuch-Kommission, jeweiligen Beschlussfassung zu Grunde (vgl. die Darstellung durch den Vorsitzenden der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission v. 28. 5. 2001). Dies bedeutet, dass die Deutsche Lebensmittelbuch-Kornmission eine überparteiliche Einrichtung ist, welche die Meinungsbildung in allen maßgeblichen Verkehrskreisen analysiert und zusammenfasst. Das Votum der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission hat daher für das Gericht einen objektiven, das Meinungs- und Auffassungsspektrum aller maßgeblichen Kreise berücksichtigenden und daher sachkundigen Charakter. Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission hat durch ihren Vorsitzenden am 28. 5. 2001 dem Gericht zur hier streitgegenständlichen Bezeichnung der Schneckenarten mitgeteilt: Mit der Beschreibung der Verkehrsauffassung in der Frage der Bezeichnung Weinbergschnecke" hat sich die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission bislang nicht befasst. Dies bedeutet, dass eine für das Gericht maßgebliche definitive Beschlussfassung der Lebensmittelbuch-Kommission über die Bezeichnung "Weinbergschnecke" noch nicht vorliegt. Allerdings hat die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission dem Gericht mitgeteilt, dass die Auffassungen der beteiligten Kreise im Rahmen des Beschlussfassungsverfahrens, welches zurzeit läuft, unterschiedlich seien. Es sei, so die Lebensmitteibuch-Kommission, daher zweifelhaft, ob sich eine Verkehrsauffassung zu der Kennzeichnung als "Weinbergschnecken" überhaupt prägnant beschreiben ließe.

Dieses Beweisergebnis bedeutet für die Kammer: Das nach Auffassung der Kammer überparteiliche und daher maßgebliche Gremium zur Definition der Verkehrsauffassung für den Begriff "Weinbergschnecke" vermochte weder die konkrete Aussage zu treffen, dass der Name Weinbergschnecke im deutschen Sprachraum ausschließlich für die Schnecke "Helix pomatia" reserviert sei, noch vermochte die Kommission umgekehrt die konkrete Aussage zu treffen, auch die Schneckenart "Helix lucorum" könne nach der Verkehrsauffassung jetzt gesichert als Weinbergschnecke bezeichnet werden. Die Lebensmitteibuch-Kommission hat die für das Gericht maßgebliche Beweisfrage daher offen gelassen, allerdings in ihrer amtlichen Auskunft zu erkennen gegeben, dass die Verkehrsauffassung auch zu dem Begriff "Weinbergschnecke" im Wandel begriffen sei, die Auffassungen der unterschiedlichen Kreise unterschiedlich seien und es daher höchst fraglich sei, ob überhaupt eine konkrete Verkehrsauffassung zur Definition "Weinbergschnecke" zurzeit noch definierbar sei.

IV. Bei diesem Beweisergebnis (non liquet) ist die Kammer gehalten, nach der Beweislast zu entscheiden. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Kl. als anspruchstellende Partei grundsätzlich die Beweislast trägt für die Tatbestandsmerkmale, welche Grundlage sind für eine irreführende oder wettbewerbswidrige, da lebensmittelkennzeichnungswidrige Bezeichnung als Weinbergschnecke (vgl. Baumbacb/Hefermehl, WettbewerbsR, 22. Aufl. § 3 UWG Rdnr. 119 f. m. w. Nachw.). Es gehört daher zur Beweislast der KI., dass es eine allgemeine Verkehrsauffassung i. S. von § 4 LebensmittelkennzeichnungsVO gibt, wonach als Weinbergschnecken nur die Helix-pomatia-Schnecken bezeichnet werden, nicht aber die Schnecken der Art Helix lucorum. Das Vorhandensein der gutachterlichen Stellungnahmen des D und des Landesveterinäruntersuchungsamtes Rheinland-Pfalz, Koblenz, vom 24. 3. 1999 führt nicht zu einer Umkehrung der Beweislast. Denn es geht im vorliegenden Fall um einen im Wandel befindlichen Begriff. Welche Schneckenarten unter "Weinbergschnecke" zu verstehen sind, entscheidet die sich im Laufe der Zeit ändernde Verkehrsauffassung. Deshalb vermögen in der Vergangenheit liegende gutachterliche Stellungnahmen zu dieser Definition die Verkehrsauffassung nicht zu zementieren und haben auch keine tatsächliche Vermutung des Inhalts zum Gegenstand, dass derjenige, der gegen die Aussagen der früheren Gutachten antritt, die Gegenbeweislast hat. Vielmehr hat bei der stets im Wandel befindlichen Verkehrsauffassung über den Begriff "Weinbergschnecke" grundsätzlich der die Beweislast, der hieraus Ansprüche herleitet, also die Kl. Die den Prozess führende Kl. trifft daher in beiden Instanzen auch das Risiko dafür, dass sich die für ihren Anspruch maßgebliche Verkehrsauffassung wandelt oder, wie es in der vorliegenden Verfahrensphase der Fall ist, nicht mehr präzise beweisen lässt.

Bei dieser Sachlage muss die Klage als unbegründet abgewiesen werden. Das Gericht geht davon aus, dass sich eine konkrete Verkehrsauffassung darüber, ob zurzeit lediglich die Schnecken der Art "Helix pomatia als Weinbergschnecken zu bezeichnen sind oder auch die Schnecken der Art "Helix lucorum", zurzeit nicht feststellen lässt.

 

presented by allY and jOhn

 

 

Über die Decisions of the Week:

Diese Geschichtensammlung ist während meiner Promotion an der Uni Bayreuth entstanden und erzählt die Geschichte der Kanzleien R2DO und YO.

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