Vollstreckungsgegenklage bei
Hinterlegungsmöglichkeit nach früherer Abtretung
BGH-Entscheidung vom 19.1.2000
Fundstelle: NJW 2001, S.231 f
Sachverhalt
W
ist wieder da. Und er hat den ersten Mandanten
aufgetrieben! Kurz nach der Schilderung seines
Problems ziehen sich B und M mit den Worten
We dont do enforcement law in
ihre Büros zurück, so dass die Bearbeitung des
ersten Falles an W und S hängen bleibt. Der
Mandant A hat folgendes Problem: B hat gegen ihn
einen rechtskräftigen Zahlungstitel erwirkt.
Nach Rechtskraft der Entscheidung hat A aber
erfahren, dass B schon während des Prozesses
seine Forderung an C abgetreten hat. Zunächst
hatte A sich mit seinem Problem an Raff+Gier,
die Kanzlei
mit dem Aquarium, gewandt. Dort war ihm zu
einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO
geraten worden. Was werden W und S dem A
vorschlagen?
Lösung
B
ist nach der Abtretung (§ 398 BGB)nicht
mehr Inhaber des Anspruchs gegen A. Dieser
Umstand begründet eine Einwendung nach § 767 I
ZPO. Nach Abs.2 müßte die Einwendung aber erst
nach Schluß der mündlichen Verhandlung
entstanden sein. Der Entstehungszeitpunkt ist nur
objektiv zu bestimmen. Auf den Zeitpunkt der
Kenntnis der Partei kommt es nicht an. Da die
Abtretung bereits während des Prozesses geschah,
stellt der Gläubigerwechsel keine neue Tatsache
nach § 767 II ZPO dar.
Die nachträgliche Kenntnis
könnte aber deswegen beachtlich sein, weil der
Schuldner dadurch den von § 407 BGB gewährten
Schutz verliert, schuldbefreiend an den alten Gläubiger
leisten zu können. Dieser oft vertretenen
Ansicht hat der BGH allerdings widersprochen: §
407 BGB begründet lediglich einen Einwand gegen
den neuen Gläubiger. Auf das Rechtsverhältnis
zum bisherigen Gläubiger hat diese Vorschrift
keinen Einfluß. Nach § 767 I ZPO sind aber nur
solche Einwendungen von Bedeutung, die den
titulierten Anspruch selber betreffen.
Eine analoge Anwendung des
§ 767 ZPO wäre aber dann in Erwägung zu
ziehen, wenn es ansonsten zu einer mit Sinn und
Zweck der §§ 404 ff BGB nicht zu vereinbarenden
Rechtsschutzlücke kommen würde. Diese
Vorschriften wollen den Schuldner davor schützen,
zweimal in Anspruch genommen zu werden.
Durch eine Zahlung an den
bisherigen Gläubiger wird der Schuldner im Verhältnis
zum Zessionar nicht von seiner Schuld befreit.
Der Gefahr, sowohl vom Zedenten als auch vom
Zessionar in Anspruch genommen zu werden, kann
der Schuldner aber entgehen:
Er hat nicht die notwendige
Sicherheit darüber an wen er zu zahlen hat (hat
etwa der Zessionar den Zedent zur Einziehung ermächtigt).
Der Abtretungsvorgang liegt außerhalb des
Einflussbereichs des Schuldners. Von diesem können
auch keine Anstrengungen zur Ermittlung des
Sachverhalts verlangt werden.
Somit kann der Schuldner
seine Verpflichtung im Wege der Hinterlegung erfüllen
(§§ 372 S.2, 378 BGB). Setzt der Gläubiger die
Vollstreckung aus dem Titel trotzdem fort, so
kann jetzt die Hinterlegung als nachträgliche
Tatsache angeführt werden.
Zudem hat der Schuldner die
Möglichkeit an den neuen Gläubiger zu zahlen.
Dies müsste nach § 409 BGB der alte Gläubiger
gegen sich gelten lassen. Tut er dies nicht, kann
jetzt auf die Zahlung an den Zessionar eine
Vollstreckungsabwehrklage gestützt werden.
W und S werden daher A
raten, an C zu zahlen oder den Betrag zu
hinterlegen. Eine Klage nach § 767 ZPO hätte
keine Erfolgschancen.
Über die
Decisions of the Week:
Diese Geschichtensammlung ist
während meiner Promotion an der
Uni Bayreuth entstanden und
erzählt die Geschichte der
Kanzleien R2DO und YO.