Unerwartetes
tut sich in der Kanzlei. M macht seine langjährige
Ankündigung wahr und beginnt damit, sich in den
besonderen Teil des Strafrechts einzulesen. Da
man ja schließlich modern ist, hat sich M kein
Buch, sondern die CD-ROM "Strafrecht BT
Ultra Light - auch für geprüfte
Strafrechtsunkundige geeignet" gekauft. Nach
dem 5 maligen Aufruf des Programms (die natürlich
nicht zum Lernen erfolgten, sondern nur um den
anderen Kanzleimitgliedern das Programm vorzuführen),
öffnet sich plötzlich ein Fenster mit folgendem
Inhalt: "Sie haben das Programm 5-mal
benutzt. Registrieren Sie ihr Exemplar bei "Jura
Ultra Light", damit Sie ihr Programm auch
weiterhin benutzen können. Klicken Sie auf
"Jetzt registrieren" und füllen Sie
das Informationsformular aus." Nach dem
Anklicken des Feldes erscheint ein Formular, in
dem Angaben u.a. zur Person und Adressen verlangt
werden. Erst nach Ausfüllen des Formulars wird
von "Jura Ultra Light" eine Codenummer
übermittelt, mit der das Programm wieder
gestartet werden kann. Von der Registrierung ist
auf der Packung und der Beschreibung des
Programms keine Rede.
M beschließt, sich nicht
registrieren zu lassen und seine
Strafrechtsstudien wieder einzustellen. Von seinen Kollegen
W und S, seit ihrer Promotion Experten im
Wettbewerbsrecht, möchte er aber dann doch gerne
wissen, ob das Vorgehen von Jura Ultra Light in
Ordnung geht.
Lösung
Das
Verhalten von Jura Ultra Light könnte gegen § 3
UWG verstoßen. Nach der Rechtsprechung kann eine
unvollständige Werbung als Irreführung
eingestuft werden. Dazu müßte eine Aufklärungspflicht
bzgl. des Umstandes einer später erforderlich
werdenden Registrierung bestanden haben. Der
Verkehr erwartet nicht, daß die weniger
vorteilhaften Eigenschaften einer Ware alle
offengelegt werden. Eine Aufklärungspflicht kann
nur dann bestehen, wenn in einem wesentlichen
Punkt getäuscht wird, der die Kaufentscheidung
zu beeinflussen geeignet ist. Aber auch die
Interessen des Werbenden sind hierbei zu berücksichtigen,
so daß zusammenfassend gesagt werden kann, daß
negative Eigenschaften offen zu legen sind, wenn
dies aus Verbraucherschutzgesichtspunkten unter
Berücksichtigung der Interessen des Werbenden
unerläßlich ist.
Der Kunde hat keinerlei
Kenntnis davon, daß er seine persönlichen Daten
mitteilen muß, um seine Nutzungsberechtigung zu
erhalten. Zwar kann eine Programmsperre unter dem
Gesichtspunkt des Mißbrauchsschutzes zulässig
sein, doch nicht bei dieser Handhabung. Eine
derartige Registrierungspflicht hätte Inhalt des
Kaufvertrages werden müssen. Mangels Hinweis auf
der Verpackung ist dies hier nicht der Fall.
Verworfen wurde vom OLG München auch der
Einwand, der Kunde müsse nur die Seriennummer
des Programms richtig eingeben und könne bei
allen anderen Angaben lügen. Dem Kunden sei
dieser Umstand nicht bekannt, vielmehr trägt die
Bemerkung "Pflichteingabe" neben einigen
Eingabefeldern zum Eindruck bei, zur ordnungsgemäßen
Registrierung sei eine wahrheitsgemäße Eingabe
erforderlich.
Jura Ultra Light hätte somit auf die
Registrierungspflicht hinweisen müssen. Ein
Verstoß gegen § 3 UWG liegt vor.
Ferner könnte auch § 1 UWG unter dem
Gesichtspunkt der Ausübung psychischen Zwangs
verletzt worden sein: Der Kunde wird sich in der
Regel aufgrund der Programmsperre veranlaßt
sehen, seine persönlichen Daten mitzuteilen.
Nach der mehrmaligen Benutzung des Programms wird
der Kunde viel eher zur Übermittlung seiner
Daten bereit sein als vor dem Erwerb des
Programms. Ihm ist auch nicht bekannt, daß Jura
Ultra Light im Falle der Verweigerung der
Registrierung den Kaufpreis zurückerstatten würde.
Schließlich führte das OLG München noch
aus, daß die Fallgruppe der Ausübung
psychischen Zwangs nicht nur dann zur Anwendung
kommt, wenn die Maßnahme auf den Abschluß eines
Kaufvertrags abzielt, sondern auch dann, wenn der
Kunde in sittenwidriger Weise zu einem anderen
Verhalten veranlaßt werden soll (Registrierung,
die zur Grundlage weiterer Werbemaßnahmen
gemacht werden soll).
Über die
Decisions of the Week:
Diese Geschichtensammlung ist
während meiner Promotion an der
Uni Bayreuth entstanden und
erzählt die Geschichte der
Kanzleien R2DO und YO.