Ordnungsgeldbeschluss vom 31.03.2000 - 4 HKO 18839/98
Gründe
I.
Mit Beschlußverfügung des Landgerichts München I vom 23.10.1998 (Az: 4 HKO
18839/98) ist der Antragsgegnerin bei Meidung eines Ordnungsgeldes von DM 5, --
bis zu DM 500.000,-- oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt worden, im
geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken wörtlich und/oder sinngemäß zu
behaupten,
1. ihre Produkte gewähren
"100% Schutz und Virendiagnose", und
2. ihr Produkt
"(...)" sei die beste Antiviren-Software der Welt.
Diese einstweilige Verfügung
wurde der Schuldnerin am 27.10.1998 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 10.11.1998
hat die Schuldnerin ein Anerkenntnis der gegenständlichen einstweilige Verfügung
an den Gläubigervertreter übersandt.
II.
1. Trotz des Verfügungsverbotes
hat es die Schuldnerin unterlassen, auf ihrer Homepage - von München aus zu
erreichen unter der Domain " http://www. (...) .de" - einen Link zu
deaktivieren, über den man auf die Seite "http://www. (...) .com" und
von dort mittels des Links "Products" zur Seite "Product
Lines" gelangt. Dort war am 15.11.1998 in englischer Sprache u. a. zu lesen
-
"(...) Defense 100% of viruses including floppy-discs (...)"
(übersetzt: (...) entdeckt 100 % aller Viren einschl. Floppy-Disks (...))
sowie - "1 in Virus Detection and Removal"
(übersetzt: Die Nr. 1 in Virus-Entdeckung und -Entfernung).
Aufgrund dieses
Sachverhaltes hat die Kammer gegen die Schuldnerin mit Beschluß vom 08.03.1999
ein Ordnungsgeld in Höhe von DM 2.500,-- festgesetzt.
2. Trotz des gegenständlichen
Verfügungsverbotes und des am 08.03.1999 ausgesprochenen Ordnungsgeldes konnte
man 02.11.1999 unter der Domain der Schuldnerin "http://www. (...)
.de" zu deren Homepage gelangen. Auf dieser fand sich am 02.11.1999 auf der
rechten Seite ein Link zu einem Viruskalender. Bei Aktivierung diese Links
gelangte der Internetnutzer auf die Seite "http://support. (...) .com/calender/November
1999.asp" und bei Aktivierung der dortigen Registerkarte
"Download" auf die Seite "http://www. (...) com/centers/download"
mit der weiteren Registerkarte "Try Software". Deren Aktivierung führte
zur Seite "http://download. (...) .com/eval/evaluate.asp", auf der das
Produkt "(...) 4.0" angeboten wurde. In der Zeile neben der Verpackung
wurde dieses Produkt wie folgt beworben: "2 in virus detection and
removal". Durch Aktivierung der vorbezeichneten Verpackung des Programmes
"(...)" kam man auf die Seite "http://download. (...) .com/prod_info/vscan4.asp".
Dort war als Werbung zu lesen: " (...) Delivers 100% Detection" - zu
deutsch: "Das Programm (...) gewährt 100% Erkennungsrate".
III .
Die Gläubigerin vertritt die Auffassung, die Schuldnerin wäre angesichts der
Beschlußverfügung verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, daß über
ihre Homepage kein Zugang zu verbotener Werbung erfolgen könne. Der am
02.11.1999 vorgefundene Sachverhalt offenbare, daß sich die Schuldnerin dem
gerichtlichen verbot hartnäckig widersetze.
Die Gläubigerin
beantragt deshalb,
gegen die Schuldnerin
ein angemessenes Ordnungsgeld, mindestens jedoch DM 10.000,--, zu verhängen.
Die Schuldner
beantragt,
den Antrag auf
Ordnungsgeld kostenfällig zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht,
der Link auf ihrer Homepage stelle aus Rechts- und Sachgründen keinen Verstoß
gegen die einstweilige Verfügung vom 23.10.1998 dar.
Zum einen schließe §
5 - hier letztlich Absatz 3 - TDG eine Verantwortlichkeit der Schuldnerin für
den Inhalt fremder Internetseiten aus. Andererseits haben die Parteien außergerichtlich
am 16./17.03.1999 vereinbart, nicht zu beanstanden, wenn der Internetnutzer
darauf aufmerksam gemacht werde, daß er bei Aktivierung eines Links die
Homepage der deutschen Gesellschaft verlasse und auf die Homepage einer ausländischen
Gesellschaft gelange. Demgemäß habe die Schuldnerin durch ihre Mitarbeiter
veranlaßt, daß ihre Links auf eine solche Seite umleiten, einen sog.
Jump-Screen, der den entsprechenden Hinweis beinhalte. Lediglich jener
Virenkalender sei infolge leichter Fahrlässigkeit der Mitarbeiter der
Schuldnerin nicht auf den eingerichteten Jump-Screen umgeleitet worden mit dem
Ergebnis des dargestellten Sachverhaltes. Angesichts dieser nur leichten Fahrlässigkeit
hafte die Schuldnerin nicht.
Zur Ergänzung des
Sachvortrags der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen, insbesondere die mit Schriftsatz des Gläubigervertreters
vorgelegte Vollmacht vom 23.12.1999.
IV.
Der Antrag auf Erlaß einer Ordnungsmaßnahme gegen die Schuldnerin ist begründet;
ein Ordnungsgeld in Höhe von DM 7.500,-- erscheint schuldangemessen.
1. Anspruchsgrund:
Unstreitig hatte die Schuldnerin auf ihrer unter "http://www. (...)
.de" erreichbaren Homepage einen Link gesetzt, der es gestattet, von dort
auf die Internetseite "http://download. (...) .com/prod_info/vsan4.asp"
mit der untersagten Werbeaussage "Das Programm (...) gewährt 100 %
Erkennungsrate" zu gelangen.
Sollte es sich insoweit
nicht um eine eigene Homepage der Schuldnerin, sondern um die Internetseite
eines ausländischen Dritten handeln, wäre auch in diesem Falle eine
Verantwortlichkeit der Schuldnerin zu bejahen.
Diesen Link hatte die
Schuldnerin zunächst bewußt programmiert, um dem Interessenten das
Warenangebot in dort vorhandener Aufmachung und mit entsprechender Aussage zu präsentieren.
Mit Hilfe des Links macht die Schuldnerin somit bewußt den Inhalt einer fremden
Internetseite bzw. die dort enthaltene Aussage zum Gegenstand ihrer eigenen
Werbung. Dieses Verhalten ist der Schuldnerin durch eine gerichtliche Verfügung
untersagt worden. Somit helfen für die nachträgliche Betrachtung die einzelnen
Absätze des § 5 TDG nicht. Sinn und Zweck des TDG kann nur sein, die
Verantwortung anläßlich der Teilnahme am Internet in einer generellen Weise zu
zeichnen. Diese allgemeine Rechtssituation hat aber durch die einstweilige Verfügung
vom 23.10.1998 eine Konkretisierung derart erfahren, daß der Schuldnerin ein
konkretes Verhalten untersagt worden ist. Die allgemeinen Regelungen, wie z.B.
§ 5 TDG, können in diesem Falle nicht herangezogen werden. Andererseits liefe
jegliche gerichtliche Anordnung ins Leere und könnte angesichts der Anonymität
des Internets perfekt unterlaufen werden. Diesen Sinn vermag die Kammer der
Regelung des § 5 TDG nicht zu entnehmen. Die Kammer erachtet daher die Homepage
mit entsprechendem Link zu einer konkreten Werbeaussage lediglich als
"Tatwerkzeug", als Mittel zum Zweck. Und dessen Einsatz ist der
Schuldnerin mittels gerichtlicher Verfügung im konkreten Fall untersagt worden.
Die gerichtliche Verfügung
vom 23.10.1998 schafft zwischen den Parteien des zugrundeliegenden
Rechtsstreites ein gesetzliches Schuldverhältnis, innerhalb dessen der Gläubiger
von der Schuldnerin gewisse Handlungsweisen zu unterlassen fordern kann. Diese
Tatsache verdeutlicht sich durch die seitens der Schuldnerin vorgetragenen
Absprache der Parteien, gegen den Ordnungsgeldbeschluß vom 08.03.1999 auf
Rechtsmittel zu verzichten. Im Rahmen diese Schuldverhältnisses
"schuldet" die Antragsgegnerin, die durch gerichtliche Verfügung
beanstandete Werbung zu unterlassen.
Im Rahmen dieses
gesetzlichen Schuldverhältnisses haftet die Schuldnerin entsprechend § 278 BGB
für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen, somit auch für deren leichte
Fahrlässigkeit, § 276 BGB. Soweit also die Mitarbeiter der Schuldnerin, Herr
J. D. und Frau T. H., übersehen haben, in Erfüllung der gerichtlichen
Anordnung auch den Link "Viruskalender" auf den Jump-Screen
umzustellen, haftet die Schuldnerin.
Ein Verstoß setzt
nicht voraus, daß die beanstandete Werbeaussage wortgetreu dem Verbotsinhalt
entspricht. Eine Zuwiderhandlung ist bereits zu bejahen, wenn gegen den
Kerngehalt der Verfügungsanordnung verstoßen wird (vgl. Kerntheorie in
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Auflage, Rz. 480, 485, 581 zur Einl.
UWG). Gegen den Sinngehalt der Ziffer 1. der einstweiligen Verfügung vom
23.10.1998 hat die Schuldnerin schuldhaft verstoßen.
2. Höhe des
Ordnungsgeldes:
a) Im Rahmen der Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes spricht zwar gegen die
Schuldnerin, daß sie das zweite Mal und in Kenntnis eines bereits ergangenen
Ordnungsbeschlusses gegen ein gerichtliches Verbot verstoßen hat. Zugunsten der
Schuldnerin spricht indes die Tatsache, daß sie in Ansehung des gerichtlichen
Verbotes und gemäß der außergerichtlichen Absprache mit der Antragstellerin sämtliche
in Betrieb befindlichen Links mit einem von der Gläubigerin abgesprochenen
Textbildschirm versehen hat. Übersieht sie hierbei angesichts der Vielzahl
vorhandener Verzweigungen einen Link, so ist die festgestellte und seitens der
Gläubigerin nicht in Frage gestellte leichte Fahrlässigkeit als wesentlich
mildernder Umstand zu berücksichtigen. Von einem hartnäckigen Leugnen eines
gerichtlichen Verbotes kann keine Rede sein.
b) Weitere Verstöße der Schuldnerin gegen des gerichtliche Verbot verneint die
Kammer:
Hinsichtlich der
Werbung unter den Firmenbezeichnungen "(...)" und "(...)" in
einem EDV-Katalog 99/2000 der Firma B. D. GmbH hat die Gläubigerin nähere
haftungsbegründende Umstände bzw. Tatsachen nicht vorgetragen. Aus der
Werbeanzeige ist nicht ersichtlich, wer, wann welchen Auftrag erteilt hat. Eine
Haftung der Schuldnerin würde desweiteren den Nachweis voraussetzen, daß sie
diese Anzeige, soweit sie diese nicht selbst veranlaßt haben sollte, zumindest
gekannt und gebilligt habe.
Unter Abwägung dieser
Überlegungen erachtet die Kammer ein Ordnungsgeld für angemessen, das höher
liegt als der Betrag des Ordnungsgeldes vom 08.03.1999 (DM 5.000,--),
andererseits die seitens der Gläubigerin beantragte Höhe (DM 10.000,--) noch
nicht erreichen muß. Ein Ordnungsgeld im vorliegenden Fall von DM 7.500,--,
ersatzweise für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, 15 Tage
Ordnungshaft, erscheint angemessen, § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 Satz 3, 91 ZPO.
VI.
Der Streitwert ist auf DM 25.000,-- festzusetzen.
Ausweislich der
einstweiligen Verfügung vom 23.10.1998 wurde der Streitwert des Verfügungsverfahren
in Höhe von DM 100.000,-- festgelegt. Für das Ordnungsmittelverfahren ist
dieser Hauptsachewert angemessen auf ein Viertel herabzusetzen (vgl. Zöller,
a.a.O., Rz. 16 zu § 3 ZPO - Stichwort: Ordnungs- und Zwangsmittelfestsetzung-
m.w.N.).