Unterlassungsanspruch wegen Framing eines medizinischen Lexikons
Hanseatisches
Oberlandesgericht Hamburg
Urteil
vom 22.2.2001 - Az. 3 U 247/00
Tatbestand
Die Antragstellerin
verlegt medizinische Publikationen. In ihrem Verlag erscheint in Buchform und
auf CD-ROM das Lexikon "Roche Lexikon Medizin". Die Antragstellerin
betreibt unter der Internet-Domain "www.roche-lexikon.de" eine Website
im Internet, die als Online-Datenbank das Werk "Roche Lexikon Medizin"
enthält.
Die Antragsgegnerin
entwickelt und vertreibt medizinische Online-Projekte und verwaltet medizinische
Datenbanken. Sie betreibt unter der Internet-Domain "www.medizin-forum.de"
eine Website im Internet, die eine Plattform für medizinische Informationen und
Nachrichten umfasst. Von der Website der Antragsgegnerin aus ist das von der
Antragstellerin ins Internet gestellte Lexikon "Roche Lexikon Medizin"
per Link abrufbar.
Mit der Beschlussverfügung
des Landgerichts vom 18. Mai 2000 ist der Antragsgegnerin unter Androhung von
Ordnungsmitteln verboten worden,
auf ihrer Website unter
der Internet-Domain "www.medizinforum.de" einen Link zu der von der
Antragstellerin unter der Internet-Domain "www.roche-lexikon.de"
betriebenen Website zu setzen, wenn nach Aktivierung des Links der Inhalt der
Website der Antragstellerin unverändert in einem Fenster auf der Website der
Antragsgegnerin erscheint.
Mit Urteil vom 12. Juli 2000 hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung
vom 18. Mai 2000 bestätigt.
Hiergegen richtet sich
die Berufung der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin
verteidigt das angefochtene Urteil. Sie beantragt hilfsweise, - unter Zurückweisung
der Berufung im übrigen - der Antragsgegnerin bei Vermeidung von
Ordnungsmitteln im Wege der einstweiligen Verfügung zu verbieten,
in ihrer Website unter
der Internet-Domain "www.medizinforum.de" einen Link zu der von der
Antragstellerin unter der Internet-Domain "www.roche-lexikon.de"
betriebenen Website zu setzen, wenn nach Aktivierung des Links der Inhalt der
Website der Antragstellerin unverändert in einem Fenster wiedergegeben wird,
weiches auf dem Bildschirm vor der im Hintergrund weiterhin sichtbaren Website
der Berufungsklägerin erscheint, insbesondere wie aus Anlage BB 1 ersichtlich;
höchst hilfsweise,
in ihrer Website unter
der Internet-Domain "www.medizinforum.de" einen Link zu der von der
Antragstellerin unter der Internet-Domain "www.roche4exikon.de"
betriebenen Website zu setzen, wenn nach Aktivierung des Links der Inhalt der
Website der Antragstellerin unverändert, jedoch ohne Navigationsleiste in einem
Fenster wiedergegeben wird, welches auf dem Bildschirm vor dem Hintergrund der
weiterhin sichtbaren Website der Berufungsklägerin erscheint, insbesondere wie
aus Anlage BB 1 ersichtlich.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung
der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Der Gegenstand des mit dem Hauptantrag geltend gemachten Unterlassungsanspruchs
ist das Betreiben der Website unter der Internet-Domain "www.medizinforum.de"
mit einem Link zu der von der Antragstellerin unter der Internet-Domain "www.roche-lexikon.de"
betriebenen Website. Zum Streitgegenstand gehört selbstverständlich, dass auf
der Website "www.roche-lexikon.de" der Antragstellerin ihr "Roche
Lexikon Medizin" installiert ist.
Wie sich aus dem
Nachsatz im Verbotsausspruch ("wenn nach Aktivierung ...") ergibt, ist
das Schalten bestimmter Links vom Verbot ausgenommen, und zwar solcher, die so
installiert sind, dass der Nutzer nach Aktivierung des Links die Website der
Antragsgegnerin ganz verlässt und statt dessen der Zugang auf die Website der
Antragstellerin direkt erfolgt.
II.
Der als Hauptantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nach
Auffassung des Senats aus den §§ 97 Abs. 1, 4 Abs. 1-2, 15 Abs. 1, 16 UrhG
begründet.
1.) Bei dem von der
Antragstellerin ins Internet (abrufbar über ihre Website "www.roche-lexikon.de")
gestellten "Roche Lexikon Medizin" handelt es sich um ein
Datenbankwerk (§ 4 Abs. 2 UrhG) und insoweit auch um eine persönliche geistige
Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG). Zugleich handelt es sich insoweit um ein
Computerprogramm (§ 69 a UrhG). Die Erläuterungsabschnitte zu einzelnen
Suchbegriff en sind Teile des Datenbankwerks, die ihrerseits urheberrechtlich
als Sprachwerke, wissenschaftliche Darstellungen und Lichtbilder geschützt
sind. Das bedarf verständigerweise keiner vertieften Ausführung.
2.) Zu Recht ist das
Landgericht davon ausgegangen, dass das Laden des Lexikons der Antragstellerin
in den Arbeitsspeicher des Nutzers eine urheberrechtlich relevante
Nutzungshandlung, und zwar eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG
darstellt.
Nach zutreffender, übereinstimmender
Auffassung in der Literatur handelt es sich bei solchen Vorgängen um eine
Vervielfältigung (Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Auflage, § 69 c UrhG,
Rz. 9), und zwar auch beim Herunterladen einer solchen Datenbank im Internet (Fromm-Nordermann-Vinck,
Urheberrecht, 9. Auflage, § 69 c UrhG Rz. 3).
Zu Unrecht beruft sich
die Antragsgegnerin darauf, es würden bei Aufruf des "Roche Lexikon
Medizin" über ihre Website nach Aktivierung des Links nur die Erläuterungen
zu einem bestimmten Suchbegriff aufrufbar sein. Auch die Vervielfältigung von
Teilen eines Werks, selbst kleinster Teile, die ihrerseits urheberrechtlich
geschützt sind, fällt unter § 16 UrhG (Schricker/Loewenheim, a. a. 0., § 16
UrhG, Rz. 14),
Insoweit geht es auch
nicht etwa die Vervielfältigung "nur eines einzelnen Datensatzes".
Wie die Antragsgegnerin nicht bestreitet, enthält der Erläuterungstext zu
einem Suchbegriff als Teil des Datenbankwerks wiederum weiterführende
Suchworte, im Regelfall sogar mehrere. Deswegen handelt es sich beim Laden auch
nur eines einzelnen Suchbegriffs, von dem aus ein "Weiterblättern" im
"Roche Lexikon Medizin" selbstverständlich möglich ist, nicht etwa
um nur unwesentliche Teile einer Datenbank im Sinne des § 87 b UrhG.
Zu Unrecht beruft sich
die Antragsgegnerin auf § 53 Abs. 1 UrhG, wonach zum privaten Gebrauch die
Herstellung von Vervielfältigungsstücken erlaubt ist. Nach § 53 Abs. 5 UrhG
findet § 53 Abs. 1 UrhG auf Datenbankwerke, deren Elemente einzeln mit Hilfe
elektronischer Mittel zugänglich sind, keine Anwendung; das betrifft das
Vervielfältigen eines Datenbankwerks oder selbständig schutzfähiger Teile
(vgl. (Schricker/Loewenheim, a. a. 0., § 53 UrhG, Rz. 51).
3.) Die Vervielfältigung
des Werks der Antragstellerin unter der beanstandeten Einschaltung des von der
Antragsgegnerin auf ihrer Website gesetzten Links ist widerrechtlich, die
Antragstellerin hat dieser Nutzungshandlung nicht zugestimmt.
(a) Eine ausdrückliche
Zustimmung hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin unstreitig nicht erteilt.
Es hat zwar Gespräche zwischen den Parteien wegen einer Kooperation gegeben, zu
einer vertraglichen Vereinbarung ist es aber nicht gekommen, insbesondere der
vorliegend in Rede stehende "Verlinkung" hat die Antragstellerin nicht
zugestimmt.
(b) Eine konkludente
Zustimmung seitens der Antragstellerin liegt ebenfalls nicht vor.
Zu Recht hat das
Landgericht dem Umstand, dass die Antragstellerin ihr Lexikon ins Internet auf
ihre eigene Website gesetzt und damit den Nutzern im Internet zur
"freien" Verfügung gestellt hat, nicht die Bedeutung einer Zustimmung
für das hier in Rede stehende Verhalten der Antragsgegnerin beigemessen. Das
Bereitstellen im Internet bedeutet nur, dass die betreffende Website aufgerufen
werden kann und soll und deren Inhalt genutzt werden kann. Deswegen greift auch
das Argument der Antragsgegnerin, die Antragstellerin habe das "Roche
Lexikon Medizin" ohne - ohne weiteres mögliche - technische Sperren
installiert, nicht durch; solche Sperren würden d er Antragstellerin dienlich
sein können, ihr Fehlen kann nicht als Freigabe für jede beliebige Form
gewerblicher Drittnutzung verstanden werden.
Dass nach dem
Vorbringen der Antragsgegnerin die Antragstellerin selbst um die Aufnahme eines
Hinweises auf das "Roche Lexikon Medizin" im Internet-Dienst der
Antragsgegnerin gebeten hat, ist ebenfalls nicht als konkludente Zustimmung für
die hier in Rede stehende Nutzungshandlung zu werten. Es ging ersichtlich nur um
Werbung für das Lexikon, nicht aber um ein in die Website der Antragsgegnerin
inkorporiertes Framing.
Etwas anderes ist auch
nicht dem Umstand zu entnehmen, dass die Antragstellerin das Schalten von Links
(betreffend das "Roche Lexikon Medizin") auf der Website der
Antragsgegnerin - wie auf anderen Websites Dritter - als solches nicht
beanstandet, wenn das Betätigen des Links zu einem vollständigen Verlassen der
Website der Antragsgegnerin führt, auf der sich der Link befindet, und der
Nutzer so direkt auf die Website der Antragstellerin gelangt. Das Einverständnis
erfasst das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin nicht, die Links auf der
Website der Antragsgegner sind so geschaltet, dass das Lexikon der
Antragstellerin, in die Website der Antragsgegnerin inkorporiert bleibt.
Dem steht nicht der
Umstand entgegen, dass nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin sämtliche
Hilfsfunktionen, die die Antragstellerin bei ihrem Online-Lexikon zur Verfügung
stellt und auf die der Nutzer bei direktem Ansteuern der Website der
Antragstellerin ohne weiteres zugreifen kann, beim "Umweg" über den
Link der Antragsgegnerin "nur zunächst ausgeblendet", aber über
besondere Vorkehrungen wieder aufrufbar sind. Vielmehr zeigt das auf, dass die
von der Antragsgegnerin über ihren Link bereitgestellte Nutzung des "Roche
Lexikon Medizin" nicht direkt über die Website der Antragstellerin,
sondern in einer von der Antragsgegnerin gestalteten "Umgebung"
erfolgt, wobei die Antragsgegnerin auf ihrer Website auch eine andere
Voreinstellung für die Darstellung des Lexikons gewählt hat.
4.) Zutreffend hat das
Landgericht die (mittelbare) Störereigenschaft der Antragsgegnerin bejaht.
Durch die beanstandete Schaltung des Link auf ihrer Website schafft sie die
Voraussetzungen dafür, dass sich die Nutzer in der vorgegebenen Weise
verhalten.
Dem steht nicht
entgegen, dass nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin der Nutzer bei Aufrufen
des "Roche Lexikon Medizin" über die Website der Antragsgegnerin
diese auch wieder schließen kann und sich dann unmittelbar auf der Website der
Antragstellerin befindet. Maßgeblich ist, dass die Antragsgegnerin die
streitgegenständliche Form der "Verlinkung" bietet. Dass es auch
andere Wege gibt, ändert daran nichts.
III.
Nach alledem war die Berufung der Antragsgegnerin unbegründet, der als
Hauptantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aus den §§ 97 Abs. 1, 4
Abs. 1-2, 15 Abs. 1, 16 UrhG begründet. Inwieweit auch § 1 UWG als
Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, lässt der Senat dahingestellt.
Die Kostenentscheidung
beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.