Aktenzeichen: 28
O 141/01 - Entscheidung vom 2. Mai 2001
Sachverhalt
Die
Verfügungsklägerin, die auch Inhaberin eines als Presseagentur tätigen
Medienunternehmens ist und ein Online-Magazin mit eigenen und fremden Textbeiträge
herausgibt, betreibt unter den Internet-Domains www.faktuell.de und
www.faktuell.net eine Website, die u.a. die Internet-Domain www.derpoet.de enthält,
wo lyrische Textbeiträge veröffentlicht werden. Dabei handelt es sich um eine
chronologisch angeordnete Zusammenstellung lyrischer Textbeiträge die seit
April 1999 mit erheblichem finanziellen und personellem Aufwand zusammengestellt
und betrieben wird....
Die Verfügungsbeklagte bietet unter der Internet-Domain www.*.de im
deutschsprachigen Raum Informations- und Navigationsportale an.
Am 13.03.2001 entdeckte der Ehemann der Verfügungsklägerin auf der
vorgenannten Domain der Verfügungsbeklagten in von der Verfügungsbeklagten
abrufbereit gehaltenen HTML-Dateien mehrere Referenzen, die auf die Homepage der
Verfügungsklägerin verwiesen. Bei Betätigung der von der Verfügungsbeklagten
gesetzten Links ergab sich eine Verlinkung auf die Seiten der Verfügungsklägerin
in Form eines Frame-Linking. Dabei wurde die Website vollständig und unverändert
abgebildet, oben links befand sich der Name der Verfügungsbeklagten mit dem
Zusatz, dass es sich um einen externen Link handelt, für den Inhalt dieser
Seite sei die Verfügungsbeklagte nicht verantwortlich. Daneben befand sich ein
Werbefeld mit einer bei der Verfügungsbeklagten geschalteten Werbeanzeige.
Mit Schreiben vom 15.03.2001 forderte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte
unter Fristsetzung bis zum 19.03.2001 zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung auf. Mit Schreiben vom 19.03.2001 erklärte die Verfügungsbeklagte,
sie könne die erwünschte Unterlassungsverpflichtung nicht abgeben, sie sei
jedoch bereit, die Seiten der Verfügungsklägerin aus den Web-Verzeichnissen zu
entfernen, wenn dies gewünscht werde und ihr dies angezeigt werde, da nicht
bekannt sei, auf welche Domains sich das Begehren der Verfügungsklägerin
beziehe.
Die Verfügungsklägerin behauptet, sie sei zwar im allgemeinen mit der
Verbreitung von Auszügen ihrer Website einverstanden, nämlich dann, wenn
interessierte Personen über den Eingang der Domain www.Faktuell.de oder
www.derpoet.de den Beitrag abrufen, da in diesem Falle sich die Hits auf ihrer
Website erhöhen. Dies gelte jedoch nicht mehr, wenn ohne Hinweis auf das
Sammelwerk der Verfügungsklägerin Teile der Datenbank systematisch dergestalt
entnommen werden, dass diese aus der Publikation herausgerissen erscheinen, mit
den Beiträgen verbundene Urheberrechtshinweise nicht eingeblendet werden und für
den Interessierten der Eindruck entstehe, der Verfügungsbeklagten sei die
Einwilligung zur Verwertung der selbständigen Elemente erteilt worden. Zudem
habe sie bei ihrer Sammlung lyrischer Texte bewusst darauf verzichtet, diese
zusammen mit Werbung zu veröffentlichen. Dies werde jedoch durch die
Vorgehensweise der Verfügungsbeklagten unterlaufen....
Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, die Verwertungsrechte der Verfügungsklägerin
würden durch sie nicht verletzt, da die in ihrem Frame dargestellten Inhalte
auf dem Server der Verfügungsklägerin verbleiben und eine Vervielfältigung
dieser Inhalte frühestens auf dem Rechner des Betrachters stattfinde. Zudem
bestehe die Möglichkeit für den Betreiber einer Seite im Netz diese über
einen sogenannten "Frame-Killer" mit geringem Aufwand vor einer
Frame-Verlinkung zu schützen. Wer eine Website ins Internet stelle, müsse mit
Verweisen rechnen und sei grundsätzlich hiermit einverstanden. Rechte der Verfügungsklägerin
würden nicht verletzt, da ein vollständiger Wechsel auf ihre Seite erfolge,
ihre Internet-Domain genannt werde und keine Veränderung oder Einschränkungen
der Navigations- und Nutzungsmöglichkeiten vorgenommen würden. Die Attraktivität
der Seite der Verfügungsklägerin werde folglich nicht berührt, vielmehr
steige sogar die Attraktivität der Seite da sich die Zugriffszahlen auf die
Seite der Verfügungsklägerin erhöhen.
Entscheidungsgründe
Der
Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass der von ihr begehrten einstweiligen
Verfügung ist in vollem Umfang begründet.
Der Verfügungsanspruch der Verfügungsklägerin ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1
Satz 1 2. Alt., 87 a, 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG.
Das von der Verfügungsklägerin bereitgehaltene Angebot an lyrischen Textbeiträgen
stellt eine nach § 87 a Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte Datenbank dar. Datenbank
im Sinne dieser Vorschrift ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen
unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln
mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren
Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang
wesentliche Investition erfordert. Diesen Anforderungen wird die von der
Antragstellerin unter der Domain www.derpoet.de angebotene Textsammlung gerecht,
denn die einzeln und unabhängig voneinander bestehenden Beiträge sind nach
ihrem unbestrittenen Vortrag von ihr zusammengestellt und geordnet worden und
sie sind mit elektronischen Mitteln einzeln zugänglich. Auch das Erfordernis
der wesentlichen Investition ist vorliegend zu bejahen, denn nach dem von der
Verfügungsbeklagten ebenfalls nicht bestrittenen Vortrag der Verfügungsklägerin
forderte die Erstellung und die weitere Bereithaltung der Textsammlung eine
Investition von erheblichem personellem und finanziellem Umfang.
Das demgemäss der Verfügungsklägerin zustehende ausschließliche Recht der
Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe ihrer Textsammlung
hat die Verfügungsbeklagte nach § 87 b Abs. 2 Satz 2 UrhG verletzt, denn indem
sie den Nutzern ihrer eigenen Internetseite es ermöglicht, unmittelbar Zugriff
auf die von der Verfügungsklägerin angebotenen Textbeiträge zu nehmen,
verbreitet sie nach Art und Umfang unwesentliche Teile der Datenbank der Verfügungsklägerin.
Unerheblich ist insoweit, dass die jeweiligen Nutzer des Internetangebots der
Verfügungsbeklagten durch die Betätigung des Links erst auf die Seite der Verfügungsklägerin
Zugriff nehmen, denn für § 87 b Abs. 1 UrhG gilt ein weiter
Verbreitungsbegriff, der sowohl das Angebot von Vervielfältigungsstücken an
die Öffentlichkeit als auch ihr Inverkehrbringen miteinschließt. Ein
Inverkehrbringen ist bereits bei jeder Handlung gegeben, durch die Datenbankstücke
aus der internen Betriebssphäre des Datenbankbetreibers der Öffentlichkeit
zugeführt werden. Dies ist hier gegeben, denn die Verfügungsbeklagte macht über
ihre Internetadresse vorgehenden Nutzern aus der Datenbank der Verfügungsklägerin
stammende Textbeiträge zugänglich.
Es liegt auch eine wiederholte und systematische Vervielfältigung i.S.v. § 87
b Abs. 1 Satz 2 UrhG vor, denn bei der vom Ehemann der Verfügungsklägerin am
13.03.2001 auf der Domain der Verfügungsbeklagten vorgefundenen Verweisung auf
die Homepage der Verfügungsklägerin handelt es sich nicht um einen Einzelfall
sondern Teil einer fortlaufend und regelmäßig vorgenommenen Verweisung seitens
der Verfügungsbeklagten.
Eine
Zustimmung der Verfügungsklägerin zu dieser Vorgehensweise der Verfügungsbeklagten
liegt nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob derjenige, der Websites ins
Internet stellt, mit Verweisen rechnen muss und deshalb hiermit auch grundsätzlich
einverstanden ist. Ebenso bedarf keiner Entscheidung, ob sich ein solches
generelles Einverständnis mit Verweisen auf die eigene Website regelmäßig
auch auf Verweise im Wege des Framing erstreckt, wenn die eigene Website vollständig
übernommen wird, dem Nutzer auch erkennbar bleibt, um wessen Website es sich
handelt und die Nutzungsmöglichkeiten unverändert bleiben, denn vorliegend
kann unabhängig hiervon schon deshalb von einer solchen Zustimmung der Verfügungsklägerin
nicht ausgegangen werden, weil der von der Verfügungsbeklagte gesetzte Frame
bei ihr geschaltete Werbeanzeigen enthält. Durch das Framing der Verfügungsbeklagten
wird eine Verbindung zwischen der auf der rechten oberen Seite des Frames
vorhandene Werbung und den darunter sichtbaren aus der Datenbank der Verfügungsklägerin
stammenden Texten hergestellt.
Eine solche Verbindung zwischen fremder Werbung und eigenen Texten muss der
Betreiber einer Datenbank aber grundsätzlich nicht hinnehmen. Dies gilt stets
in solchen Fällen, in denen der Datenbankbetreiber auf seiner eigenen Website
bei ihm geschaltete Werbeanzeigen veröffentlicht, deren Wert durch die zusätzliche
Werbung auf dem Frame der Verfügungsbeklagten beeinträchtigt wird. Eine solche
Beeinträchtigung ist nicht nur dann gegeben, wenn es sich dabei um Werbung
zweier miteinander in einem Wettbewerbsverhältnis stehenden Anbieter handelt
sondern ist grundsätzlich immer anzunehmen, da durch weitere Werbeanzeigen die
Aufmerksamkeit des Betrachters abgelenkt wird und daher nur noch in geringerem
Maße durch die auf der Website des Datenbankbetreibers vorhandene Werbung
gefesselt wird.
Aber auch wenn wie hier der Datenbankbetreiber keine eigene Werbung auf seiner
eigenen Website veröffentlicht muss er es nicht hinnehmen, wenn die von ihm
bereitgehaltenen Daten durch das Framing mit einer fremden Werbung in Verbindung
gebracht werden. Es obliegt grundsätzlich der Gestaltungsfreiheit des
Datenbankbetreibers, ob und inwieweit er seine Daten mit Werbung versehen oder
werbefrei veröffentlichen will. Diese Entscheidung, die von wesentlicher
Bedeutung für die Gestaltung der Website ist, darf nicht dadurch unterlaufen
werden, dass im Wege des Framings die bei dem Dritten geschaltete Werbung in
unmittelbarer Verbindung mit den eigenen Daten gebracht wird, so dass jedenfalls
dann, wenn dieses Framing mit einer Werbung verbunden ist, von einer Zustimmung
des Datenbankbetreibers mit Verweisen im Wege des Framings nicht ausgegangen
werden kann.
Durch das Vorgehen der Verfügungsbeklagten werden die berechtigten Interessen
der Verfügungsklägerin aus den vorgenannten Gründen auch unzumutbar beeinträchtigt,
denn die Gestaltungsfreiheit der Verfügungsklägerin als Datenbankbetreiberin
wird durch die konkrete Ausgestaltung des mit Werbebannern versehenen Framings
der Verfügungsbeklagten in erheblichem Maße gestört. Nichts anderes ergibt
sich auch daraus, dass nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten die Verfügungsklägerin
technisch die Möglichkeit hätte zu verhindern, dass eine Verlinkung im Wege
des Framings auf ihre Websites möglich ist, denn der Umstand, dass ein
Datenbankhersteller eine Vervielfältigung von unwesentlichen Teilen seiner
Datenbank mittels zusätzlichen Aufwandes unterbinden könnte, kann für die
Berechtigung der Verfügungsbeklagten, eine solche Vervielfältigung
vorzunehmen, nicht herangezogen werden, da ansonsten die Verfügungsbeklagte es
in der Hand hätte, durch eine unberechtigte Nutzung von unwesentlichen
Datenbankteilen der Verfügungsklägerin diese zur Tätigung weiterer
Investitionen zum Schutze ihrer Datenbank zu zwingen. Dies ist aber mit dem
Schutzzweck der § 87 a und b UrhG unvereinbar.
Der für den Erlass der von der Verfügungsklägerin begehrten einstweiligen
Verfügung erforderliche Verfügungsgrund ist ebenfalls gegeben, denn angesichts
der von der Verfügungsklägerin bereits laufend betriebenen Verweisung auf die
Seiten der Verfügungsklägerin kann dieser nicht zugemutet werden, den Ausgang
eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Nichts anderes ergibt sich auch aus der
von der Verfügungsbeklagten in ihrem Schreiben vom 19.03.2001 erklärten
Bereitschaft, die Seiten der Verfügungsklägerin aus ihren Webverzeichnissen zu
entfernen, denn da die Verfügungsbeklagte in dem gleichen Schreiben die Abgabe
einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hat, bot dieses Angebot
der Verfügungsbeklagten der Verfügungsklägerin keine ausreichende Sicherheit
dafür, dass ihre Rechte auch ohne die Inanspruchnahme einer einstweiligen Verfügung
gewahrt werden.