Urteil zu
"Sexführer" - Liste indizierter Webseiten
Amtsgericht
Hamburg- Bergedorf
Urteil
vom 8.11.1999
Az 7005 Js 196/98
In der Strafsache
(...)
hat das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf, Abteilung 411, in der Sitzung vom 14.
Oktober 1999, für Recht erkannt:
Der Angeklagte (...) wird wegen ungenehmigter Ankündigung indizierter Schriften
zu einer
Geldstrafe von 90 Tagessätzen
verurteilt.
Ein Tagessatz wird auf 30,--DM festgesetzt.
Dem Angeklagten wird gestattet, die Geldstrafe in Gesamthöhe von 2.700,-- DM in
monatlichen Raten von 150,-- DM, beginnend am 1. des auf die Rechtskraft
folgenden Monats zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn der Angeklagte
mit einer Rate mehr als 2 Wochen in Rückstand kommt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt
der Angeklagte.
Gründe
I. Aufgrund des Einlassung des Angeklagten in der mündlichen Hauptverhandlung
hat das Gericht zur Person folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte (...) ist 35 Jahre alt. Er ist verheiratet. Zurzeit befindet er
sich im Erziehungsurlaub und erhält monatlich 600,-- DM. Das Kind ist etwa 1
Jahr alt. Der angeklagte lebt in Hamburg. Er ist unbestraft.
II. Der Angeklagte hat im Jahre 1998 bis einschließlich März 1999 verschiedene
Schriften, d.h. in diesem Falle Internetseiten bzw. Informationen in diesem
Medium, die in der Liste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften
indiziert worden waren, ohne entsprechende Genehmigung angekündigt, und zwar
auf seiner eigenen Seite im Internet. Er hat dazu unter der Bezeichnung
http://www.sexfuehrer. com/Indiziert/index.htm folgenden Text ins Internet
gestellt:
Herzlich willkommen auf der Indizierungsseite
Auf dieser Seite erfahren Sie, welche Online Angebote von der Bundesprüfstelle
für jugendgefährdende Schriften indiziert worden sind.
Sodann folgte nach Monaten aufgegliedert die Bezeichnung der jeweils indizierten
Internetseiten, und zwar unter Angabe des Namens sowie der jeweiligen
Internetseite. Zum Beispiel:
CyberPorn - http: //www.cyberpornlinks.com.
Eine Zulassungsbeschränkung für den eigenen Sexführer gab es nicht. Die dort
mitgeteilten indizierten Internet-Seiten konnten durch einfache Angabe der vom
Angeklagten genannten Bezeichnung aufgerufen und eingesehen werden.
Der Angeklagte hat dieses Verhalten nicht bestritten. Er hat vielmehr auf
Vorhalt der ausgedruckten entsprechenden Internet-Seite (Blatt 3 ff d.A.) erklärt,
das habe er so tatsächlich erstellt. Er habe jedoch lediglich die von der
Bundesprüfstelle selbst herausgegebene Liste quasi 1:1 ins Internet gestellt.
Das halte er nicht für strafbar.
III. In der mündlichen Hauptverhandlung ist es nahezu ausschließlich um
Rechtsfragen gegangen. Im Wesentlichen ging es um die Frage, ob die von der
Bundesprüfstelle nach dem Gesetz zur Verbreitung jugendgefährdender Schriften
und Medieninhalte jeweils bekannt gemachte Liste unter Benennung der jeweils
indizierten Internetseiten im Internet veröffentlicht werden durfte.
Das durfte der Angeklagte nach der Überzeugung des Gerichts nicht ohne eine
entsprechende Genehmigung, die er zweifelsfrei nicht hatte. Die Annahme des
Angeklagten, er habe quasi dasselbe getan wie die Bundesprüfstelle, geht
insofern fehl, als die Bundesprüfstelle hierzu nach dem oben genannten Gesetz
ermächtigt ist. Die hat damit für ihre Tätigkeit eine Rechtfertigung im
Gesetz. Daran fehlt es für den Angeklagten.
Der Angeklagte hat übersehen, dass es gravierende Unterschiede zwischen
Internetseiten auf der eigenen Seite und den anderen Medien wie den Print-Medien,
CD's, Filmen pp. gibt. Wenn die Indizierung bestimmter Schriften oder filme
bekannt gemacht wird, z.B. in der Liste der Bundesprüfstelle, so kann dies zwar
auch jedermann zur Kenntnis nehmen. Es bedarf dann jedoch bis zur Kenntnisnahme
der indizierten Schriften eines weiteren Schrittes, nämlich der Beschaffung der
indizierten Druckwerke oder Filme. Im Internet ist das anders. Jedermann konnte
nach Kenntnisnahme der Internetseite, die der angeklagte erstellt hat, durch
schlichte Eingabe der dort genannten Adressen sofort auf die indizierten
Pornoseiten zugreifen. Es bedurfte keiner Beschaffung der indizierten Gegenstände
mit Hilfe Dritter, z.B. eines Ladens oder eines Versandhandels. Die dort für
den Zugriff von Jugendlichen erstellten Hürden entfallen im Internet, weil
niemand feststellen kann, wie alt der jeweilige Benutzer des Internets ist.
Der Angeklagte ist nach der Überzeugung des Gerichtes auch keineswegs gutgläubig
gewesen. Schon die Aufmachung seiner eigenen Internetseite und ihre Bezeichnung
machen deutlich, dass tatsächlich mehr Werbung für die indizierten
Internetseiten gemacht werden sollte als eine Warnung davor. Zwar hat der
Angeklagte auch Schreiben von Internetnutzern vorgelegt, die angaben, seine
Internetseite zu nutzen, um nicht ihrerseits indizierte Internetseiten zu
bewerben oder zu verbreiten. Das hält das Gericht im Ergebnis jedoch für eine
Schutzbehauptung. Der Angeklagte hat seine Internetseite als Sexführer
bezeichnet. Dieser Begriff wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, auf den es
entscheidend ankommt, für Hinweise benutzt, die zu Sexdarstellungen hinführen
und nicht davor schützen. Wer im Internet den Begriff "Sexführer"
eingibt erwartet, dass er eine Internetseite vorfindet, die ihn zu irgendwelchen
Sexangeboten hinführt und nicht davor bewahrt. Auch die optische Aufmachung,
die in der mündlichen Hauptverhandlung durch Augenscheinseinnahme zur Kenntnis
genommen worden ist, deutet eindeutig darauf hin, dass der Angeklagte hier nicht
vor irgendetwas warnen will. sondern Interesse gerade für die indizierten
Seiten erwecken will. Genau das ist nach dem GjS, §§ 5, 21 verboten. Der
Angeklagte hat hier zumindest das Tatbestandsmerkmal des Ankündigens erfüllt.
IV. Der Angeklagte befand sich auch nicht in einem Irrtum über das, was er
getan hat. Das ergibt sich schon daraus, dass er nach der Überzeugung des
Gerichts wie oben dargestellt gar nicht etwas verhindern wollte, sondern tatsächlich
verdeckt Werbung betreiben wollte. Er hat hier weder über ein
Tatbestandsmerkmal geirrt noch über das Verbotensein seiner Handlung. Dem
Angeklagten ist nach der Überzeugung des Gerichts nach seinen Äußerungen in
der mündlichen Hauptverhandlung sehr wohl bewusst gewesen, dass für ihn nicht
dieselben Regeln gelten wie für die Bundesprüfstelle. Es war auch keineswegs
Aufgabe des Angeklagten, an Stelle der Bundesprüfstelle, die im Internet nicht
ihre Liste veröffentlicht, in diesem Medium tätig zu werden. Der Unterschied
zwischen ihm als Privatmann und der Bundesprüfstelle als oberste Bundesbehörde
ist dem Angeklagten nach der Überzeugung des Gerichts durchaus bekannt.
In der mündlichen Hauptverhandlung ist in der Diskussion mit dem Angeklagten
auch deutlich geworden, was die Motivation für den angeklagten war. Er hat sich
letztlich erhofft, für andere eigene Produkte mehr Interesse und damit auch
mehr Werbemöglichkeiten zu erhalten. Auf diese Weise wollte der Angeklagte von
diesem Vorgehen profitieren.
V. Der Angeklagte hat damit rechtswidrig und vorsätzlich entgegen § 5 Abs. 2
GjS indizierte Schriften zumindest angekündigt im Sinne des § 21 Abs. 1 Ziff.
7 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und
Medieninhalte.
Im Rahmen der Strafzumessung ist zugunsten des Angeklagten berücksichtigt
worden, dass er unbestraft ist. Der Angeklagte hat außerdem den Sachverhalt
nicht bestritten. Schließlich ist nicht zu übersehen, dass es sich hier
weitgehend um juristisches Neuland handelt. Schließlich hat der Angeklagte
etwas getan, was andere, zumindest die Bundesprüfstelle, in dieser Weise hätte
tun dürfen, und zwar legal.
Anderseits hat das Gericht dem Angeklagten seine Gutwilligkeit in keiner Weise
abgenommen. Der Angeklagte hat eindeutig aus Eigennutz gehandelt, um
wirtschaftliche Vorteile aus der Tätigkeit zu erzielen. Er hat darüber hinaus
eine Vielzahl zu Recht indizierter pornographischer Seiten jedem Jugendlichen,
der über einen PC und Onlineanschluss verfügt, leichter zugänglich gemacht,
als dies ohne diese Seite möglich gewesen wäre.
Unter Abwägung all dieser Umstände hat das Gericht die Verhängung einer
Geldstrafe für tat- und schuldangemessen erachtet. Eine solche von 90 Tagessätzen
hält das Gericht für verhältnismäßig.
Nach den Einkünften des Angeklagten sowie dem aufstockenden Unterhaltsanspruch
seiner berufstätigen Ehefrau hat das Gericht einen Tagessatz der Höhe nach auf
30,-- DM festgesetzt.
Dem Angeklagten ist Ratenzahlung gewährt worden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 465 StPO.