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BGH- Urteil: Internet-Reservierungssystem
Urteil vom 3.4.2003
I ZR 222/00
Tatbestand:
Die
Klägerin, die ein Reisebüro betreibt, bietet im Internet
ein Reservierungssystem für Linienflüge und
Pauschalreisen an, das sie auch anderen Reisebüros zur
Verfügung stellt.
Nach
fortlaufender Eingabe von Reisedaten (u.a. Abflughafen,
Reiseziel und Reisezeit) über mehrere Internet-Seiten
kann der Nutzer die gewünschte Reise mit dem
abschließend kalkulierten Reisepreis auswählen. Die
Angaben umfassen den Tarif und die Steuern pro Person
und graphisch hervorgehoben den Gesamtpreis.
Vor der erstmaligen Anzeige von Flugtarifen erscheint
auf einer der Internet-Seiten des Systems der Hinweis:
"Alle ausgewiesenen Tarife verstehen sich zuzüglich
Steuern und Flughafengebühren. Da die anfallenden
Steuern und Gebühren vom jeweiligen Flugziel und vom
Routing abhängig sind, wird der endgültige Flugpreis
erst nach Auswahl der gewünschten Flugverbindung
angezeigt."
Auf der
folgenden Internet-Seite werden die in Betracht
kommenden Flüge mit den Flugtarifen ohne Steuern und
Flughafengebühren angeführt. In weiteren Schritten
ermittelt das System die Verfügbarkeit freier Plätze auf
den vom Nutzer ausgewählten Flügen und weist den
kalkulierten Gesamtpreis hierfür aus. Anschließend
besteht die Möglichkeit zur Buchung.
Die Beklagte
ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
Sie hat das Reservierungssystem der Klägerin wegen eines
Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung beanstandet
und Reisebüros, die das System der Klägerin nutzen,
abgemahnt, weil vor Angabe des Endpreises auf den
Internet-Seiten bereits Flugtarife ohne Steuern und
Flughafengebühren angegeben werden.
Die Beklagte
ist zudem der Auffassung, die Klägerin sei aufgrund
einer strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 12.
November 1997 verpflichtet, die beanstandete Werbung zu
unterlassen und wegen des Verstoßes gegen das
Unterlassungsgebot durch das Reservierungssystem die
vereinbarte Vertragsstrafe von 7.000 DM zu zahlen. Mit
der Unterwerfungserklärung hatte die Klägerin sich
verpflichtet, es ab dem 26. November 1997 zu
unterlassen, in der an den letzten Verbraucher
gerichteten Werbung für Flugreisen unter Angabe von
Preisen zu werben, ohne gleichzeitig in bezifferter Form
darauf hinzuweisen, daß zusätzlich Kosten für
Sicherheitsgebühren/örtliche Steuern anfallen, es sei
denn, daß diese Sicherheitsgebühren und Steuern bereits
in den Preis eingerechnet sind.
Die Klägerin hat sich mit einer Feststellungsklage gegen
die Abmahnung ihrer Vertragspartner gewandt.
Die Beklagte hat gegen die Klägerin Widerklage erhoben
und beantragt,
die
Klägerin zu verurteilen,
I. an die Beklagte 7.000 DM nebst 4 % Zinsen seit
dem 12. August 1999 zu zahlen und
II. es
zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken
des Wettbewerbs mit Flugreisen Dritten ein
Informations- und Einbuchungssystem im Internet zur
Verfügung zu stellen und/oder es selbst gegenüber
dem Letztverbraucher zu benutzen, bei welchem für
Flugreisen mit Flugtarifen geworben wird, ohne
gleichzeitig entweder die zusätzlich zu
entrichtenden Passagier- und Sicherheitsgebühren
und/oder Flughafensteuern auszuweisen oder die
Passagier- und Sicherheitsgebühren und/oder
Flughafensteuern in den Gesamtpreis einzubeziehen.
Die
Klägerin ist der Widerklage entgegengetreten und hat
einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung und
das vertragliche Unterlassungsgebot in Abrede
gestellt.
Das Landgericht hat die Feststellungsklage als
unzulässig abgewiesen und der Widerklage
stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das
Berufungsgericht unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels die Widerklage
abgewiesen.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin
beantragt, verfolgt die Beklagte ihre
Widerklageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das
Berufungsgericht hat die Widerklage für unbegründet
erachtet und hierzu ausgeführt:
Weder aufgrund der Unterlassungserklärung vom 12.
November 1997 noch nach § 1 UWG i.V. mit § 1 PAngV
könne die Beklagte die begehrte Unterlassung
verlangen, weil die Klägerin in der Werbung
gleichzeitig mit der Angabe der Tarife auch
anfallende Steuern und Gebühren nenne und den
Gesamtpreis für einen ausgewählten Flug hervorhebe.
Die erforderlichen Angaben seien im
Reservierungsprogramm der Klägerin am Ende des
Systems deutlich erkennbar. Die vorherige Nennung
nur des Preisbestandteils "Flugtarif" sei
unschädlich, weil sich das Reservierungsprogramm als
einheitliches Informations- und Buchungssystem
darstelle, in dem alle erforderlichen Angaben
enthalten seien. Der durchschnittlich informierte
Verbraucher werde die Einheit des
Reservierungssystems erkennen und nicht davon
ausgehen, es handele sich bei den vor der Auswahl
eines von ihm gewünschten Fluges angegebenen Tarifen
um den Gesamtpreis.
II. Die
Revision hat keinen Erfolg. Der Beklagten steht der
geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aus
Vertrag aufgrund der von ihr angenommenen
strafbewehrten Unterlassungserklärung der Klägerin
vom 12. November 1997 noch nach § 1 UWG i.V. mit § 1
Abs. 1 und Abs. 6 PAngV zu. Auch ein Anspruch auf
Zahlung der Vertragsstrafe nach § 339 BGB ist nicht
gegeben.
1. Mit
Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen,
dass die Klägerin in der Erklärung vom 12. November
1997, soweit die Unterlassungsverpflichtung in Rede
steht, das an Verpflichtungen übernommen hat, was
sich bei der Werbung für Flugreisen ohnehin aus § 1
Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 PAngV ergibt.
Die
Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung
diente der Ausräumung der Wiederholungsgefahr, die
aus einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 PAngV aufgrund
einer Zeitungswerbung der Klägerin folgte. Mit der
Unterlassungserklärung wollte sich die Klägerin
ersichtlich nicht weitergehend binden, als es ihrer
Verpflichtung nach der Preisangabenverordnung zur
Werbung für Flugreisen entsprach. Durch die in der
Unterwerfungserklärung enthaltene Verpflichtung zur
gleichzeitigen Angabe der bezifferten
Sicherheitsgebühren und örtlichen Steuern hat die
Klägerin der Beklagten keine zusätzlichen Rechte
eingeräumt. Danach steht der Beklagten aus der
strafbewehrten Unterlassungserklärung kein
weitergehender Anspruch zu, als er sich ohnehin aus
§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 PAngV ergibt.
Davon
ist auch das Landgericht ausgegangen. Die Berufung
der Klägerin hat das Berufungsgericht daher
zutreffend auch insoweit als zulässig angesehen, als
sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung der
Vertragsstrafe richtete. Eine ordnungsgemäße
Berufungsbegründung muß nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO
a.F. die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen
anzuführenden Gründe der Anfechtung
(Berufungsgründe) sowie der neuen Tatsachen,
Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die
Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen
hat. Betrifft die Berufung mehrere prozessuale
Ansprüche, muß die Begründung sich auf alle Teile
des Urteils beziehen, deren Abänderung beantragt ist
(vgl. BGH, Urt. v. 15.6.1993 - XI ZR 111/92, NJW
1993, 3073, 3074). Das ist vorliegend der Fall. Denn
in der Berufungsbegründung hat sich die Klägerin mit
den Anforderungen der Preisangabenverordnung
auseinandergesetzt und sich gegen die Annahme
gewandt, ihr Internet-Auftritt verstoße gegen die
Verpflichtung, Flugtarife nicht ohne
Sicherheitsgebühren und Steuern zu beziffern. Dies
reichte aus, weil diese Begründung für sich genommen
geeignet war, die landgerichtliche Entscheidung auch
hinsichtlich der Verurteilung der Klägerin zur
Zahlung der Vertragsstrafe in Frage zu stellen.
2. Die
Klägerin verstößt mit der beanstandeten Art der
Preisangabe in ihrem Reservierungssystem nicht gegen
die Preisangabenverordnung.
a) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die von
der Klägerin angegebenen Endpreise entsprächen nicht
den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV, da
nicht zu erkennen sei, dass in den Preisen auch
Flughafengebühren einbezogen seien.
aa) Endpreise sind nach der Legaldefinition des § 1
Abs. 1 Satz 1 PAngV die Preise, die einschließlich
der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile
unabhängig von einer Rabattgewährung zu zahlen sind.
Dazu gehören bei einer Flugreise neben dem Flugtarif
auch diejenigen Leistungen Dritter, die bei jeder
Flugreise in Anspruch genommen werden müssen, wie
Flughafen- und Sicherheitsgebühren sowie die bei der
Flugreise anfallenden Steuern (vgl. BGH, Urt. v.
5.7.2001 - I ZR 104/99, GRUR 2001, 1166, 1168 = WRP
2001, 1301 - Fernflugpreise).
Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts gibt die
Klägerin auf der die abschließende Kalkulation
enthaltenden Internet-Seite in hervorgehobener Form
den Gesamtpreis an. Mit ihrem gegenteiligen, in der
Revisionsinstanz erstmals erfolgten Vortrag, dieser
Gesamtpreis enthalte neben dem Flugpreis nur die
anfallenden Steuern, nicht aber auch Sicherheits-
und Flughafengebühren, kann die Beklagte nicht
gehört werden (§ 561 ZPO a.F.). In den
Tatsacheninstanzen war zwischen den Parteien
unstreitig, daß der in der abschließenden
Kalkulation angegebene Preis sämtliche anfallenden
Steuern und Gebühren umfaßt, auch wenn die Klägerin
in der Kalkulation des Endpreises nur die Positionen
"Tarif pro Person" und "Steuern pro Person"
gesondert anführt. Darauf beruhen die Feststellungen
des Berufungsgerichts.
bb) Anders als die Revision meint, verstößt die
abschließende Kalkulation nicht gegen die Grundsätze
der Preisklarheit und Preiswahrheit (§ 1 Abs. 6 Satz
1 PAngV). Der durchschnittlich informierte und
verständige Verbraucher wird nach dem Hinweis, daß
die anfallenden Steuern und Gebühren vom jeweiligen
Flugziel und der Flugroute abhängen und der
endgültige Flugpreis nach der Auswahl der
gewünschten Flugverbindung angezeigt wird, den dort
angegebenen Preis als Endpreis auffassen.
Entsprechend ist die Beklagte in den
Tatsacheninstanzen selbst davon ausgegangen, dass
diese Angabe der Preisangabenverordnung entspricht.
b) Dem
Berufungsgericht ist auch bei der Prüfung, ob die
Angabe von Flugtarifen ohne Gebühren und Steuern vor
der abschließenden Kalkulation des Endpreises auf
den Internet-Seiten des Reservierungssystems der
Klägerin gegen § 1 PAngV verstößt, kein Rechtsfehler
unterlaufen. Die Angaben genügen dem Gebot
eindeutiger Zuordnung und leichter Erkennbarkeit
nach § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV. Denn auch wenn bereits
vor der Kalkulation des Endpreises Flugtarife ohne
Steuern und Gebühren angegeben werden, ist diese
Angabe erkennbar vorläufig. Der Endpreis lässt sich
durch Auswahl des gewünschten Fluges einschließlich
Steuern und Gebühren eindeutig, leicht erkennbar und
gut wahrnehmbar bestimmen. Die Angabe der einzelnen
Flüge erfordert auf den der Kalkulation des
Endpreises vorausgehenden Seiten dagegen noch keine
Anführung der Endpreise, auch wenn dort bereits
Flugtarife angegeben werden. Vielmehr reicht es aus,
wenn die Endpreise aufgrund einfacher elektronischer
Verknüpfung, etwa durch einen Wechsel in ein
Preisverzeichnis (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2001,
1696; Völker, Preisangabenrecht, 2. Aufl., § 4 PAngV
Rdn. 34 und § 5 PAngV Rdn. 20; vgl. auch
Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 4 PAngV Rdn. 11; a.A.
Landmann/Rohmer/Gelberg, Gewerbeordnung, § 4 PAngV
Rdn. 23) oder durch weitere fortlaufende Eingabe in
das Reservierungssystem der Klägerin festgestellt
werden können und die Nutzer - wie im Streitfall -
klar und unmissverständlich hierauf hingewiesen
werden.
3. Die
Vertragsstrafe hat die Klägerin nicht verwirkt, weil
sie mit ihrem Reservierungssystem nicht gegen den
vertraglich vereinbarten Unterlassungsanspruch
verstoßen hat (vgl. Abschn. II 1 und 2).
III. Die
Revision der Beklagten war danach mit der
Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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