Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts
Ob für Ihre Angebote das Fernabsatzrecht gilt, bestimmt
sich nach § 312 b BGB. Maßgeblich sind folgende
Voraussetzungen:
-
Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher
(Verträge zwischen Unternehmern oder zwischen
Verbrauchern werden nicht erfasst!)
Verbraucher ist gem. § 13 BGB jede natürliche
Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke
abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer
selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet
werden kann.
Unternehmer ist gem. § 14 BGB eine natürliche
oder juristische Person oder eine rechtsfähige
Personengesellschaft, die bei Abschluss eines
Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder
selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
In der Praxis bestehen die meisten Schwierigkeiten
darin, zu bestimmen, ob ein Verkäufer auf
Auktionsplattformen wie eBay noch privat oder
schon gewerblich tätig wird. Indizien können u.a.
sein:
- Zahl und Häufigkeit der durchgeführten
Verkaufsauktionen (teilweise begründen Gerichte die
Unternehmenseigenschaft alleine mit der Zahl der
Bewertungen, zum Teil wird dies nur als ein Aspekt
im Rahmen einer Gesamtbewertung gesehen, zu ersten
Gerichten gehören: OLG Frankfurt, Urteil vom
16.8.2004, CR 2005, 297; OLG Frankfurt, Urteil vom
27.7.2004, GRUR 2004, 1042; OLG Frankfurt, Urteil
vom 8.9.2005, MMR 2006, 38, 39; OLG Frankfurt,
Urteil vom 15.6.2004, NJW 2004, 2098 f.; AG
Wernigerode, MMR 2007, 402, 403; LG Kleve, Urteil
vom 1.9.2004, Az. 2 O 290/04; LG Berlin, Urteil vom
9.11.2001, CR 2002, 371, 372; LG Schweinfurt, Urteil
vom 30.12.2003, WRP 2004, 654; zu letzteren gehören:
LG Hof, Urteil vom 29.8.2003, CR 2003, 854; AG
Gemünden a.M., Urteil vom 13.1.2004, Az 10 C
1212/03)
- der Anlass des Verkaufes
- die Art des Geschäftsgegenstandes (nach dem BGH
liegt bei wiederholtem Anbieten von Neuware ein
Handeln im geschäftlichen Verkehr nahe, vgl. BGH,
Urteil vom 19.04.2007, GRUR 2007, 708, 710)
- der vorherige Ankauf der Ware zum Zweck des
Weiterverkaufs (BGH, NJW 2004, 3102; LG Hanau, MMR
2007, 339; LG Berlin, MMR 2007, 401)
- das Anbieten mehrerer gleichartiger Artikel - der Auktionsumsatz - die Verwendung von AGB (str.) - die Verwendung der Sofort-Kaufen-Option (str.) - das Auftreten als Powerseller (BGH,
GRUR-RR 2005, 317, 318; OLG Frankfurt,
Urteil vom 4.7.2007, K&R 2007, 585; OLG Frankfurt,
Urteil vom 21.3.2007, MMR 2007, 378; OLG Frankfurt,
Urteil vom 22.12.2004, CR 2005, 883, 884; OLG
Koblenz, NJW 2006, 1438; AG Bad Kissingen, CR 2006,
74; AG
Radolfzell, Urteil vom 29.7.2004, NJW 2004, 3342).
Powerseller müssen u.a. durchschnittlich mindestens
300 Artikel pro Monat oder vier Artikel pro Monat
bei einem monatlichen Handelsvolumen von mindestens
3000 Euro veräußern und 98% positive Bewertungen
aufweisen.
- das Eröffnen eines eBay-Shops (OLG Frankfurt/M.,
NJW 2004, 3433)
Sofern ein Wirtschaftsgut sowohl für berufliche als
auch für private Zwecke erworben wird, ist auf den
Schwerpunkt der Nutzung abzustellen.
Unerheblich ist ein Hinweis, dass es sich um eine
Privatauktion handelt. Der subjektive Wille des
Verkäufers spielt keine Rolle.
Zur Beweislast: Im Zweifel muss der Verbraucher
nachweisen, dass sein Vertragspartner Unternehmer
ist (a.A. das LG Koblenz, NJW 2006, 1438, das von
einer Beweislastumkehr ausgeht). Zu seinem Glück
sind die maßgeblichen Kriterien aber überwiegend
ohne Probleme auf der Website der Auktionsplattform
einsehbar.
-
Vertrag über Waren oder Dienstleistungen, wobei
der Begriff der Dienstleistung sehr weit zu
verstehen ist. Er umfasst u.a. Dienst-, Werk-,
Werklieferungsverträge, Partnerschaftsverträge und
Maklerverträge
-
Vertragsschluss unter ausschließlicher Verwendung
von Fernkommunikationsmitteln
Fernkommunikationsmittel sind nach § 312 b II
BGB Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum
Abschluss eines Vertrags
zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer
ohne gleichzeitige
körperliche Anwesenheit
der Vertragsparteien eingesetzt werden können,
insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe,
Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und
Mediendienste.
Bestellungen in Online-Shops sind damit
grundsätzlich erfasst!
Bei der Beurteilung, ob ausschließlich
Fernkommunikationsmittel eingesetzt wurden, ist eine
umfassende Betrachtung des Vertragsschlusses
erforderlich. Der Verbraucher soll vor den
Nachteilen geschützt werden, die sich daraus
ergeben, dass er weder den Vertragspartner selber
sehen konnte noch das zu erwerbende Produkt. Von
diesem Sinn und Zweck der Vorschrift ausgehend,
liegt kein Fernabsatzgeschäft vor, wenn beide
Vertragsparteien sich zu Verhandlungen persönlich
getroffen haben, selbst wenn dann die eigentlichen
Willenserklärungen z.B. per E-Mail abgegeben wurden.
Ein Fernabsatzvertrag liegt auch vor, wenn
ein Bote eingesetzt wird, der keinerlei Erklärungen
zum Inhalt des Vertrags machen kann. Dies ist auch
beim Einsatz der Deutschen Post im Wege des
Postident-2-Verfahrens der Fall
(BGH,
Urteil vom 21.10.2004, Az.: III ZR 380/03)
-
Vertragsschluss in einem
organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems
Wer nur hin und wieder Verträge unter Einsatz von
Fernkommunikationsmitteln abschließt, soll nicht an
die strengen gesetzlichen Voraussetzungen gebunden
sein. Werbung für die Entgegennahme einer Bestellung
über Internet oder E-Mail dürfte aber im Regelfall
bereits schaden.
Im Zweifel muss der Unternehmer beweisen, dass er
über kein organisiertes Vertriebs- oder
Dienstleistungssystem verfügt.
-
Gesetzliche Ausnahmen
In § 312 b III BGB werden einige Bereiche
aufgezählt, in denen das Fernabsatzrecht nicht
anwendbar ist. Dazu zählen u.a.:
- Bau- und Immobilienverträge (Nr.4)
- Verträge über die
Lieferung von
Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen
Haushaltsgegenständen
des täglichen Bedarfs
(Nr. 5; in Betracht kommen nur verbrauchbare Güter,
typisches Beispiel ist ein Pizzalieferdienst). Nicht
unter diese Ausnahme fällt z.B. der Kauf einer
Digitalkamera, siehe LG Kleeve, Urteil vom
22.11.2002, MMR 2003, 424.
- primär touristische Dienstleistungen oder
solche im Zusammenhang mit Freizeitveranstaltungen
(Nr. 6) z.B. fällt der Kauf von Tickets für
Konzerte oder für Kinoveranstaltungen nicht unter
das Fernabsatzrecht (so AG München, Urteil vom
2.12.2005, Az. 182 C 26 144/05, MMR 2007, 743 f.
(das Urteil wurde vom LG München I bestätigt und die
Revision vom BGH zurückgewiesen), a.A. AG
Wernigerode, Urteil vom 22.2.2007, Az. 10 C 659/06)
Gesetzliche Vorschriften
§ 312 b BGB lautet:
(1)
Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung
von Waren oder über die
Erbringung von Dienstleistungen, die zwischen einem
Unternehmer und einem
Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von
Fernkommunikationsmitteln
abgeschlossen werden, es sei
denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für
den Fernabsatz
organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems
erfolgt.
(2)
Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die
zur Anbahnung oder zum
Abschluss eines Vertrags
zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne
gleichzeitige
körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt
werden können, insbesondere Briefe, Kataloge,
Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele-
und Mediendienste.
(3) Die
Vorschriften über Fernabsatzverträge finden keine
Anwendung auf Verträge
1. über
Fernunterricht (§ 1 Fernunterrichtsschutzgesetz),
2. über die
Teilzeitnutzung von Wohngebäuden (§ 481),
3. über
Finanzgeschäfte, insbesondere Bankgeschäfte, Finanz- und
Wertpapierdienstleistungen
und Versicherungen sowie
deren Vermittlung, ausgenommen
Darlehensvermittlungsverträge,
4. über die
Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen
Rechten, die Begründung,
Veräußerung und Aufhebung
von dinglichen Rechten an Grundstücken und
grundstücksgleichen
Rechten sowie über die Errichtung von Bauwerken,
5. über die
Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen
Haushaltsgegenständen
des täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, am
Aufenthaltsort oder am Arbeitsplatz eines
Verbrauchers von
Unternehmern im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten
geliefert werden,
6. über die
Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen
Unterbringung, Beförderung,
Lieferung von Speisen und
Getränken sowie Freizeitgestaltung, wenn sich der
Unternehmer bei
Vertragsschluss verpflichtet, die Dienstleistungen zu
einem bestimmten Zeitpunkt oder
innerhalb eines genau
angegebenen Zeitraums zu erbringen,
7. die
geschlossen werden
a) unter
Verwendung von Warenautomaten oder automatisierten
Geschäftsräumen oder
b) mit
Betreibern von Telekommunikationsmitteln auf Grund der
Benutzung von öffentlichen
Fernsprechern, soweit sie
deren Benutzung zum Gegenstand haben.
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