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Verstoß gegen §
6 TDG - Wettbewerbswidrig?
LG
Berlin, Beschluss vom 17.09.2002, Az 103 O 102/02
Tatbestand
Die in Berlin ansässige Klägerin vertreibt über das
Internet an Gewerbetreibende und Endverbraucher bundesweit Tinten- und
Tonerpatronen für Drucker-, Kopier- und Telefaxgeräte sowie Papiere und Folien
für druckende und kopierende Büromaschinen.
Über die Domain www.de werden ebenfalls über das Internet
Druckerpatronen für Büromaschinen vertrieben. Die Website wurde von dem
Beklagten zu 2) registriert und dem Beklagten zu 1) kostenlos zur Verfügung
gestellt.
Am 05.05.2002 gelangte dem Geschäftsführer der Klägerin
bei einem Besuch der Website www.de zur Kenntnis, dass darauf keine den
Diensteanbieter vollständig identifizierende Anbieterkennzeichnung im Sinne von
§ 6 Nr. 1 des Teledienstgesetzes (TDG) angebracht war.
Auf der Startseite der Domain www.de war lediglich die
Firmenbezeichnung und die Firmenanschrift angegeben sowie dazwischen der
Nachname des Beklagten zu 1), nicht hingegen dessen Vorname. Der komplette Name
des Beklagten zu 1) und die Bezeichnung als „Inhaber" war lediglich zu
Anfang der AGB angegeben.
Daraufhin mahnte die Klägerin die Beklagten mit Schreiben
vom 13.05.2002 ab und forderte sie zum Ausschluss der Wiederholungsgefahr auf,
eine hinreichend vertragsstrafenbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung
abzugeben.
In dem Schreiben vom 21.05.2002 wurde das Bestehen eines
Unterlassungsanspruchs von den Beklagten zurückgewiesen; eine Unterlassungserklärung
wurde nicht abgegeben. Am 28. Juni 2002 erhob die Klägerin die Klage.
Mit Anwaltsschreiben vom 12. August 2002 verpflichtete sich
der Beklagte zu 1) ohne Anerkennung einer Rechtspflicht der Klägerin gegenüber,
in Zukunft für jeden Fall des Verstoßes gegen die Vorschriften des § 6 TDG,
in der jetzigen Fassung und unter Ausschluss der Einrede des
Fortsetzungszusammenhangs eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,00 EUR an die
Klägerin zu zahlen.
Die Klägerin erklärte deshalb am 26. August 2002 die Klage
gegenüber dem Beklagten zu 1) für erledigt und beantragte, dem Beklagten zu 1)
insoweit die Kosten aufzuerlegen.
Die Klägerin beantragt,
1. dem Beklagten zu 2) aufzugeben, es bei Meidung eines für
jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00-
EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr über die bei der X, Frankfurt am Main,
auf den Beklagten zu 2) registrierte Internet-Domain www.de selbst oder durch
andere. Druckerpatronen für Büromaschinen gewerbsmäßig anzubieten oder
anbieten zu lassen, ohne den Namen des Diensteanbieters zu nennen.
2. festzustellen, dass der Rechstreit hinsichtlich des
Beklagten zu 1) in der Hauptsache erledigt ist.
3. hilfsweise, den Beklagten zu 1) entsprechend dem
Klageantrag zu 1) zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen, die Klage
abzuweisen. Sie sind der Auffassung, dass die
Namensangabe des Beklagten zu 1) eingangs der AGB den Anforderungen von § 6 TDG
genüge. Ein Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten zu 2) bestehe nicht,
da er nicht im Wettbewerb mit der Klägerin stehe.
Entscheidungsgründe
Die Anträge auf Unterlassung gegen den Beklagten zu 2) sowie
auf Feststellung, dass sich der Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1) in der
Hauptsache erledigt hat, sind zulässig und begründet.
Der Feststellungsantrag des Klägers, dass sich der
Rechtsstreit hinsichtlich des Beklagten zu 1) in der Hauptsache erledigt hat,
ist begründet, weil der Klageantrag bei Zustellung am 3. Juli 2002 zulässig
und begründet war und durch die Abgabe der Unterlassungserklärung des
Beklagten zu 1) vom 12. August 2002 hinsichtlich des Beklagten zu 1) nach
Rechtshängigkeit unbegründet geworden ist.
Die Beklagten haben gegen die Anbieterkennzeichnungspflicht
nach § 6 TDG verstoßen und dadurch einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 1 UWG
begangen.
Gemäß § 6 Nr. 1 TDG haben Diensteanbieter für geschäftsmäßige
Teledienste den Namen und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind,
leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten.
Indem auf der Startseite der Homepage des Beklagten zu 1)
lediglich dessen Nachname, zwischen dem Firmennamen und der Anschrift der Firma
abgebildet war, sind die Anforderungen des § 6 Nr. 1 TDG nicht erfüllt worden.
Anhand dieser Darstellung war für (potentielle) Kunden nicht leicht erkennbar,
dass es sich bei um den Diensteanbieter handelte. Zunächst konnte bei einem
Betrachter der Irrtum entstehen, dass die Bezeichnung Teil des Straßennamens
ist. Zudem war für potentielle Künden nicht bereits anhand der Startseite ohne
weiteres erkennbar, dass das Wort den Diensteanbieter bezeichnen soll, denn
durch die bloße Nennung des Nachnamens wurde der Dienstanbieter hier nicht
hinreichend individualisiert.
Der Name kommt häufig vor und war auch nicht mit einem
Hinweis versehen, wie z. B. „Inhaber", um zu verdeutlichen, dass es sich
dabei um den Dienstanbieter handelt.
Dem steht nicht entgegen, dass der vollständige Name des
Beklagten zu 1) im oberen Teil der auf der Homepage einsehbaren AGB abgebildet
war. Denn unter dieser Rubrik waren die Informationen nicht unmittelbar
erreichbar im Sinne des § 6 TDG.
Es muss angenommen werden, dass sich potentielle Kunden im
Internet in erster Linie am Warenangebot und der Werbung auf einer Website
orientieren und der Kaufentschluss von diesen Kriterien beeinflusst wird.
Wenn der Kunde wissen will, mit wem er den Vertrag abschließt,
wird er nicht ohne weiteres darauf kommen, dass sich die Informationen über den
Diensteanbieter auf der Seite mit den AGB befinden. Üblicherweise befinden sich
solche Angaben eher in einer anderen Rubrik, wie zum Beispiel dem
„Impressum".
Zudem werden viele Kunden die AGB-Seite gar nicht anklicken,
weil bei Geschäften des täglichen Lebens über geringpreisige Gegenstände die
AGB regelmäßig nicht von Interesse sind.
Ein Verstoß gegen § 6 TDG begründet auch einen Verstoß
gegen § 1 UWG, da § 6 TDG verbraucherschützenden Charakter hat und für
gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen will. Der Wettbewerbsschutz des TDG ergibt
sich daraus, dass neben dem Schutz des Verbrauchers - dem ohne weitere
Recherchen die Kenntnis seines Vertragspartners sowie Reklamationen und
Klagezustellungen unproblematisch ermöglicht werden sollen - auch die
Mitbewerber durch die Einhaltung etwa, der Anforderungen des § 6 TDG insofern
geschützt werden sollen, als der Internetauftritt von Diensteanbietern bei
allen Mitbewerbern den gleichen Voraussetzungen und Regeln unterliegen soll. Ein
Mitbewerber, der die Pflicht zur Anbieterkennzeichnung nach § 6 TDG nicht
hinreichend beachtet, erzielt dadurch einen Vorsprung im Wettbewerb, weil es für
die Verbraucher schwieriger ist, dem normverstoßenden Anbieter gegenüber Ansprüche
durchzusetzen.
Dass das Teledienstgesetz die Funktion hat, die Gegebenheiten
eines bestimmten Marktes festzulegen und gleiche Voraussetzungen für die auf
diesem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen, ergibt sich auch ausdrücklich
aus § 1 TDG, wonach der Zweck des TDG darin besteht, einheitliche
wirtschaftliche Rahmenbedingungen im Internet zu schaffen. Der Beklagte zu 1)
hat damit eine Wettbewerbsverletzung begangen.
Der Unterlassungsanspruch gegen den Beklagte zu 2) ist begründet,
weil dieser als Mitstörer anzusehen ist.
Mitstörer ist jeder, von dem ernstlich zu befürchten ist,
dass er an der wettbewerbswidrigen Handlung eines eigenverantwortlichen Dritten
willentlich und adäquat kausal mitwirkt, vorausgesetzt, dass der als Mitstörer
in Anspruch genommene die rechtlichen Möglichkeiten hat, die Handlung zu
verhindern; eine Wettbewerbsförderungsabsicht ist nicht erforderlich.
Wenn der Beklagte zu 2) dem Beklagten zu 1) seine Domain zu
Verfügung stellt, muss er auch darauf achten, dass Vorschriften eingehalten
werden, zumal er selbst Dienstanbieter i. S. v. § 3 TDG ist.
Es ist auch kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Klägerin
gegeben, weil die Klägerin selbst auf ihrer Website Angaben unterlassen hat,
die für eine ordnungsgemäße Anbieterkennzeichnung im Sinne von § 6 TDG
erforderlich gewesen wären. Denn dies ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Das von den Beklagten eingewandte Argument der „unclean
hands", mit anderen Worten, nur der Wettbewerber könne sich auf die
Einhaltung der Wettbewerbsregeln berufen und Verstöße hiergegen geltend
machen, der selber wettbewerbsgemäß handle, vermag an diesem Ergebnis nichts
zu ändern (vgl. zu Begriff und Reichweite Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Auflage
2001, UWG Einl., Rdnr. 448). Anders als im privatautonom geregelten
Vertragsrecht, wo der Grundsatz „tu quoque" - also der eigenen
Vertragstreue - über § 242 BGB und insbesondere § 326 BGB eine
allgemeine Ausprägung gefunden hat, gibt es einen solchen Grundsatz im
Wettbewerbsrecht nicht. Zwar ist auch im Wettbewerbsrecht der Einwand des
Rechtsmissbrauchs zulässig, jedoch ist zu berücksichtigen, dass das
Wettbewerbsrecht - anders als das Vertragsrecht - nicht nur die
Individualinteressen der Konkurrenten schützt, sondern Schutzobjekte des
Wettbewerbsrechts ebenso Allgemeininteressen, Verbraucherinteressen und der
lautere Wettbewerb als Institution sind (Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Auflage
2001, UWG Einl. Rdnr. 41 f.). Das Recht des unlauteren Wettbewerbs hat also
nicht rein obligatorischen Charakter. Deshalb wird das Klagerecht der
Mitbewerber gemäß §§ 1, 3, 13 Abs. 2 UWG regelmäßig nicht durch den
Einwand der „unclean hands" ausgeschlossen: Unlauteres
Wettbewerbsverhalten der Klägerin berechtigt die Beklagten nicht ebenfalls zu
unlauterem Wettbewerb (zum Ganzen Baumbach/ Hefermehl, UWG Einl., Rdnr. 448 f.).
Ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Klägerin ist auch
nicht unter dem Gesichtspunkt gegeben, dass die Beklagten schon jeweils mit
Klageschrift vom 28. Mai 2002 beim Landgericht Münster negative
Feststellungsklage erhoben haben.
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran, einen
vollstreckbaren Titel zu erlangen, aus dem sie bei Erfolg gegen weitere Verstöße
vorgehen kann. Diesen hat die Klägerin selbst dann nicht, wenn die
Feststellungsklage abgewiesen werden würde.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Nr. 1
ZPO.
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