Notwendiger
Inhalt einer Anbieterkennzeichnung -
OLG München, Urteil vom 26.07.2001, Az 29 U 3265/01
Tatbestand
Der Kläger ist der Dachverband der
Verbraucherzentralen und weiterer Verbraucher- und sozialorientierter
Organisationen in Deutschland. Er ist Rechtsnachfolger u.a. des
Verbraucherschutzvereins e.V., Berlin, der ursprünglich die Unterlassungsklage
erhoben hat. Auch der Kläger ist in der vom Bundesverwaltungsamt in Köln geführten
Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 22 a AGBG eingetragen. Die Beklagte
bietet über das Internet u.a. Bücher, Videos, Computer- und Videospiele an.
Die auf ihrer Web-Seite http://www.a... .de in das Internet eingestellte Form
des Impressums, wie sie im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils
wiedergegeben ist, führte für den Bereich "Warenrücknahme" als
Anbieterkennzeichnung an:
"verantwortlich für den Inhalt:
Bücher: Stefan R...
Musik, Video und DVD: Thorsten R...
E-Carts: Maiken M...-H...
Computer- & Videospiele: Markus P...
Software & CD-ROMS: Markus P..."
Der gesetzliche Vertreter der
Beklagten war im Rahmen der Anbieterkennzeichnung nicht aufgeführt.
Der Kläger machte geltend, dass die
Angaben der Beklagten auf ihrer Web-Seite nicht den Anforderungen des § 6 des
Gesetzes über die Nutzung von Telediensten genügten. Es reiche nicht aus, dass
lediglich die für den Inhalt verantwortlichen Mitarbeiter benannt würden,
nicht aber der oder die vertretungsberechtigten Personen. Der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch sei gemäß § 22 AGBG i.V.m. § 6 TDG begründet.
Zugleich stelle der Verstoß gegen die verbraucherschützende Vorschrift des §
6 TDG auch einen Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des
Rechtsbruchs dar.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung näher bezeichneter
Ordnungsmittel zu unterlassen, im Zusammenhang mit Angeboten im Internet keine
den Anforderungen des § 6 des Gesetzes über die Nutzung von Telediensten
(TDG) genügende Anbieterkennzeichnung anzugeben, insbesondere nicht den Namen
des oder der vertretungsberechtigten Person/Personen zu nennen.
Die Beklagte hat
Klageabweisung
beantragt.
Sie zog die Aktivlegitimation des Klägers in Zweifel und trat den Angriffen
des Klägers gegen ihre Anbieterkennzeichnung entgegen. Im Impressum seien
Personen als verantwortlich - und damit vertretungsberechtigt - für die
einzelnen Rubriken aufgeführt. Die Verbraucher könnten deshalb dem Impressum
auf einen Blick entnehmen, wie das anbietende Unternehmen heiße, wo es seinen
Sitz habe, welche Person innerhalb des Unternehmens für den jeweiligen Bereich
zuständig und vertretungsberechtigt sei und wie diese Person ohne weiteres
erreicht werden könne. Ein Verstoß gegen § 6 TDG liege nicht vor. Diese
Bestimmung solle den Nutzern von Telediensten vorwiegend die Kenntnis über die
Identität des Anbieters ermöglichen. Wer Online-Angebote in Anspruch nehme,
solle - entsprechend einem Kaufhauskunden - erkennen können, mit wem er es als
Geschäftspartner zu tun habe. Dies sei durch Beachtung der Vorschrift des § 6
Nr. 1TDG gewährleistet. Die in § 6 Nr. 2 TDG geforderten Angaben sollten zwar
auch die Rechtsverfolgung erleichtern. Diese Bestimmung sei aber nicht dahin
auszulegen, dass - über den Wortlaut hinaus - ein juristisch
Vertretungsberechtigter zu nennen sei. Selbst wenn von einem Verstoß gegen § 6
TDG auszugehen sein sollte, bestehe kein Unterlassungsanspruch des Klägers
gemäß § 1 UWG. § 6 TDG sei eine wertneutrale Vorschrift, deren Verletzung
erst dann wettbewerbswidrig sei, wenn der Handelnde bewusst und planmäßig
vorgehe, um einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb vor
gesetzestreuen Mitbewerbern zur erlangen. Hieran fehle es im Streitfall.
Schließlich müsse der zu allgemein gehaltene Klageantrag zu einer
Teilabweisung führen.
Die Beklagte hat das Verfahren zum Anlass genommen, auf der Impressum-Seite
noch den Namen des Geschäftsführers anzufügen.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 14.3.2001 mit der Begründung
abgewiesen, es könne dahingestellt bleiben, ob mit
"Vertretungsberechtigter" im Sinne des § 6 TDG der gesetzliche
Vertreter gemeint sei, denn es handele sich bei dieser Bestimmung um eine
wertneutrale Vorschrift, so dass ein Verstoß nur dann wettbewerbswidrig im
Sinne von § 1 UWG sei, wenn besondere wettbewerbsrelevante Umstände
hinzuträten. Ein Verhalten, das zeige, dass die Beklagte bewusst und
planmäßig gehandelt habe, um sich einen sachlich ungerechtfertigten Vorsprung
im Wettbewerb zu verschaffen, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Auf das
landgerichtliche Urteil wird verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger das Unterlassungsbegehren weiter. Unter
Wiederholung seines Vorbringens im ersten Rechtszug rügt er, das Landgericht
habe § 22 AGBG als Anspruchsgrundlage für das Unterlassungsbegehren
unberücksichtigt gelassen. Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung
sei lediglich, dass eine dem Verbraucherschutz dienende Vorschrift verletzt
werde. Auf die zu § 1 UWG entwickelten Voraussetzungen für den sogenannten
Rechtsbruchtatbestand komme es in § 22 AGBG gerade nicht an. § 6 TDG diene dem
Verbraucherschutz, ein Verstoß hiergegen löse den Unterlassungsanspruch aus §
22 AGBG aus. Da bei einer GmbH der "Vertretungsberechtigte" nun einmal
der "gesetzliche Vertreter" sei, führe der in der Nichtaufführung
des gesetzlichen Vertreters liegende Verstoß zum Unterlassungsanspruch.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Landshut vom 14.3.2001 die
Beklagte bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,
geschäftsmäßige Angebote ohne Namen und Anschrift des
Vertretungsberechtigten im Internet zu veröffentlichen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft ihren
Rechtsstandpunkt. Sie führt aus, dem Landgericht sei zu folgen, dass § 6 Nr. 2
TDG eine lediglich aus Gründen ordnender Zweckmäßigkeit erlassene Vorschrift
sei. Die Anwendbarkeit von § 22 AGBG setze voraus, dass der Verbraucherschutz
der eigentliche Zweck der Gesetzesbestimmung sei. Unterstellt, die Einhaltung
von § 6 Nr. 2 TDG liege auch im Interesse des Verbrauchers, weil es für ihn
angenehm sei, einen Vertretungsberechtigten auf der Web-Site zu finden, sei doch
der Aspekt des Verbraucherschutzes nur von untergeordneter Bedeutung. Sämtliche
für die Rechtsverfolgung (und weitere Aufklärung der Identität des
Diensteanbieters) notwendigen Informationen seien bereits durch § 6 Nr. 1 TDG
geregelt. Da § 6 Nr. 2 TDG gerade nicht von dem "juristischen
Vertreter" des Anbieters, sondern von einem
"Vertretungsberechtigten" spreche, genüge es schon nach wörtlicher
Auslegung, wenn ein für den jeweiligen Bereich verantwortlich Handelnder
genannt werde. Im Übrigen müsse der Vertretungsberechtigte nur bei
"Personenvereinigungen und -gruppen" angegeben werden. Juristische
Personen, also auch sie, die Beklagte, seien sonach von § 6 Nr. 2 TDG nicht
erfasst. Grund hierfür sei, dass eine effektive Rechtsverfolgung gegenüber
juristischen Personen auch ohne Nennung des Vertretungsberechtigten durch
Einsichtnahme in das Handelsregister möglich sei. Bei Personenvereinigungen und
-gruppen, etwa bei einem als BGB-Gesellschaft betriebenem Anbieter, sei dies
nicht der Fall. Ein Verstoß gegen § 6 Nr. 2 TDG liege sonach im Streitfall
nicht vor.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die im Berufungsverfahren
eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet, soweit der Unterlassungsantrag auf
den konkreten Verletzungsfall gerichtet ist. Dem aktivlegitimiertem Kläger
steht ein Unterlassungsanspruch gemäß § 22 AGBG gegen die Beklagte zu. Der
weitergehende Antrag ist unbegründet.
Wie der ursprüngliche Kläger, der Verbraucherschutzverein e.V., gemäß §
13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugt war, ist auch der nunmehrige Kläger als
Rechtsnachfolger des Verbraucherschutzvereins nach dieser Bestimmung und gemäß
§ 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG i.V.m. § 22 a AGBG klagebefugt. Nach § 22 Abs. 1 AGBG
kann im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen
werden, wer Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten dienen die in § 6 TDG unter Nr. 1 und ebenso
unter Nr. 2 für die Anbieterkennzeichnung als geboten angesehenen Angaben dem
Verbraucherschutz. Es ist zwar richtig, dass eine Vorschrift nur dann dem § 22
AGBG unterfällt, wenn der Verbraucherschutz der eigentliche Zweck der
Bestimmung ist und nicht nur eine beiläufige Nebenwirkung darstellt. Dieser
eigentliche Zweck liegt aber nicht nur bei den in Abs. 2 des § 22 AGBG
aufgezählten Gesetzen vor, sondern auch bei der als Einzelbestimmung gezielt
Verbraucherschutz bewirkenden Vorschrift des § 6 TDG (vgl. auch Ulmer/Hensen
AGB-Gesetz, 9. Aufl., § 22 Rdnr. 8).
§ 6 Nr. 2 TDG schreibt für die Anbieterkennzeichnung bei
Personenvereinigungen und -gruppen die Angabe von Name und Anschrift des
Vertretungsberechtigten vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten, die sich
insoweit auf Gola-Müthlein, Kommentar zum TDG, § 6, Rdnr. 5.3 beruft, versteht
der Senat "Personenvereinigungen und -gruppen" nicht nur im Sinne von
Personenzusammenschlüssen, die im Gegensatz zu natürlichen und juristischen
Personen nicht rechtsfähig sind. Unter diesen Begriff fallen vielmehr auch
juristische Personen, beispielsweise wenn es sich bei dem Dienstanbieter um eine
GmbH, eine OHG, eine AG oder einen Verein handelt (vgl. Burcher/Leyendecker,
Mediengesetze, § 6 MDStV, Rdnr. 2). Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass -
wie der Kläger meint - in jedem Fall der gesetzliche Vertreter in der
Anbieterkennzeichnung anzugeben sei. Wäre eine solche Beschränkung auf den
gesetzlichen Vertreter gemeint, so hätte dies im Gesetzestext - wie etwa in §
35 a GmbHG für Angaben auf Geschäftsbriefen durch das Gebot, die
Geschäftsführer anzugeben - seinen Niederschlag gefunden.
"Vertretungsberechtigte" sind aber nicht schon solche Personen, die
"für den Inhalt verantwortlich" sind. Für den Innhalt
verantwortliche Personen sind in der im MDStV vorgesehenen Anbieterkennzeichnung
zusätzlich zum Vertretungsberechtigten anzugeben, wie sich § 6 MDStV entnehmen
läßt. Absatz 2 dieser Bestimmung sieht nämlich vor, dass Anbieter von
journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen vollständig oder
teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben
werden, zusätzlich einen Verantwortlichen mit Angabe des Namens und der
Anschrift benennen müssen. "Zusätzlich" bezieht sich auf Absatz 1,
der, wie § 6 TDG, unter Nr. 2 bei Personenvereinigungen und -gruppen die Angabe
auch des Namens und der Anschrift des Vertretungsberechtigten gebietet. Auch im
Streitfall ist mit der Angabe des jeweils für den Inhalt Verantwortlichen noch
nichts über die Vertretungsberechtigung ausgesagt. Die Angabe des
Vertretungsberechtigten, der nicht notwendigerweise der gesetzliche Vertreter
sein muss, ist aber zum Schutz des Verbrauchers unerläßlich. Der Auffassung
der Beklagten, dem Verbraucherschutz sei jedenfalls durch Beachtung von § 6 Nr.
1 TDG ausreichend Genüge getan, die Rechtsverfolgung werde allein schon durch
Angabe von Namen und Anschrift des Dienstanbieters gewährleistet, kann nicht
beigetreten werden.
Es verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit, bei der hier vorliegenden Fallgestaltung den
Unterlassungsanspruch nach § 22 AGBG als begründet anzusehen. Der Verstoß ist
hinreichend gewichtig, um im Interesse des Verbraucherschutzes unterbunden zu
werden.
Der Beklagten ist allerdings beizupflichten, dass der ursprüngliche
Klageantrag, soweit er allgemein gehalten auf das generelle Verbot gerichtet
war, keine den Anforderungen des § 6 des Gesetzes über die Nutzung von
Telediensten genügende Anbieterkennzeichnung anzugeben, zu unbestimmt und zu
weitgehend war. Der konkrete Verletzungsfall wird erst mit dem "insbesondere-Zusatz"
beschrieben und angegriffen. In einem solchen Zusatz ist keine Beschränkung auf
die konkrete Verletzungshandlung zu sehen. Es liegt auch keine zur besseren
Kennzeichnung des konkreten Verletzungsfalls zulässige Verallgemeinerung des
Klageantrags vor. Hierzu müßte in der erweiterten Form das Charakteristische
der konkreten Verletzungshandlung zum Ausdruck kommen, was durch die schlichte
Bezugnahme auf die "Anforderungen des § 6 TDG" nicht geschehen ist.
Da der teils unzulässige teils unbegründete allgemein gehaltene Antrag in der
Berufungsverhandlung nicht mehr gestellt wurde, ist insoweit Klagerücknahme
erfolgt. Die im verkündeten Urteilstenor unter III. infolge eines
offensichtlichen Versehens erfolgte Zurückweisung der Berufung im Übrigen war
deshalb im Wege der Berichtigung gemäß § 319 ZPO zu streichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
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