Link
zum Impressum erst nach Scrollen sichtbar
Nach Ansicht des OLG München genügt eine
Anbieterkennzeichnung den gesetzlichen Anforderungen bereits dann nicht mehr,
wenn sie über einen Link erreichbar ist, der erst nach dem Scrollen auf der
vierten Bildschirmseite sichtbar wird. Die Anmerkung widerspricht diesem
Ergebnis:
Anmerkung
zu OLG München, Urteil vom 12.02.2004, Az. 29 U 4564/03
Das
OLG München hatte nun zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres Gelegenheit, sich
zu den Anforderungen an eine Anbieterkennzeichnung im Internet bzw. genauer zu
der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen diese durch das Setzen eines
Hyperlinks erfüllt werden können, zu äußern. Das erste Urteil vom September
2003 (MMR 2004, 36 ff.) war insoweit wegweisend, als das OLG München als erstes
Gericht ausgesprochen hat, dass eine über das Anklicken zweier Links
erreichbare Anbieterkennzeichnung den gesetzlichen Anforderungen genügen kann.
Zuvor hatten sich zwar bereits einige andere Gerichte im Rahmen verschiedenster
Informationspflichten (§ 6 TDG, § 4 HWG, § 1 PAngV und § 312 c BGB) mit der
Thematik der Erreichbarkeit von Pflichtangaben via Hyperlinks beschäftigt.
Diese waren aber aufgrund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls
immer zu der Unzulässigkeit der gewählten Gestaltung gelangt (vgl. z.B. OLG
Hamburg MMR 2003, 105 ff.; OLG Karlsruhe MMR 2002, 618 ff., OLG
Frankfurt a.M. MMR 2001, 747 f.; OLG Frankfurt a.M. MMR 2001, 529 f;
ausführlicher zu diesen Urteilen Ott, WRP 2003, 945 ff., im Internet im
Volltext unter <http://www.linksandlaw.de/informationspflichten.htm>). In
dem neuen Urteil des OLG München ging es nun darum, ob ein Anbieter den
Anforderungen des § 6 TDG genügt, wenn er den Link zur Anbieterkennzeichnung
am unteren Seitenrand platziert und er erst durch Scrollen auf der vierten
Bildschirmseite sichtbar gemacht werden kann. Hinzu kommt, dass der Link neben
einigen weiteren Links angebracht ist, darunter einer mit dem Text „Über...
.de“.
Gem.
§ 6 TDG müssen bestimmte, dort näher aufgeführte Informationen über einen
Anbieter leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar
gehalten werden. Nach der auch vom OLG München zitierten Gesetzesbegründung
(BT-Drucks. 14/6098, S. 21) bedeutet dies, dass die Informationen an einer gut
wahrnehmbaren Stelle stehen und ohne langes Suchen und jederzeit auffindbar sein
müssen. Bereits das OLG Hamburg (MMR 2003, 105) hatte im Jahr 2002 diese
Voraussetzungen als nicht erfüllt angesehen, wenn der Link zu den
Pflichtangaben erst nach dem Scrollen des Bildschirms sichtbar wird. Im
konkreten Fall musste bei einer Auflösung des Bildschirms von 800*800 Pixeln
der Bildschirmausschnitt nach rechts gescrollt werden. Ganz so eng wollte das
OLG München dies nicht sehen: Das Gericht äußerte Zweifel daran, dass eine
Information bereits dann nicht unmittelbar erreichbar ist, wenn sie erst durch
Scrollen sichtbar wird. Das Scrollen über vier Bildschirmseiten hinweg erschien
ihm aber dann doch zuviel Aufwand für einen Nutzer zu sein. Überzeugen kann
indes weder dieses Ergebnis noch die dazu gelieferte Begründung: Die
Platzierung des Links „Impressum“ am unteren Seitenrand könne ein Nutzer
zunächst nur vermuten. Es handle sich nicht mehr um eine kurze noch zumutbare
Suche.
Typischerweise
wird sich ein Link zum Impressum entweder am oberen, unteren, linken oder
rechten Rand einer Webseite befinden und zwar in aller Regel im Zusammenhang mit
einem Menü mit weiteren Links, nicht aber irgendwo „versteckt“ innerhalb
des eigentlichen Inhalts. Eine Suche nach Anbieterangaben konzentriert sich
daher bereits zwangsläufig auf diese vier Orte. Wie lang eine Webseite ist und
wie weit ein Nutzer zu einem Seitenrand scrollen muss, ist irrelevant, weil der
Nutzer im eigentlichen Inhalt nicht nach einem Link zu den Pflichtangaben suchen
und deshalb immer sofort – in Sekundenbruchteilen - z.B. zum Ende der Webseite
nach unten scrollen wird. Die aufgewendete Suchdauer ist damit in aller Regel
unabhängig von der Länge einer Webseite.
Sofern
nicht der komplette Inhalt einer Webseite auf dem Bildschirm sichtbar ist und
anfänglich, also beim ersten Aufrufen der Seite, ein Link zu den Pflichtangaben
nicht wahrnehmbar ist, kann ein Nutzer immer nur vermuten, an einer
anderen Stelle könnte dieser noch zu finden sein. Wollte man das OLG München
hier beim Wort nehmen, müsste Scrollen mit der gelieferten Begründung
eigentlich immer zur Unzulässigkeit führen, aber genau das will das Gericht
nicht aussprechen. Entscheidend muss vielmehr alleine sein, dass anhand des
Balkens am rechten bzw. unteren Rand einem Nutzer immer erkennbar ist, dass er
noch nicht den gesamten Inhalt zur Kenntnis genommen hat. Auch im nicht
sichtbaren Bereich muss er mit dem Vorhandensein wichtiger Informationen rechnen
und tut dies auch.
Will
man nun also nicht, wohin ja selbst das OLG München tendiert, die Notwendigkeit
des Scrollens alleine schon als Grund für die Unzulässigkeit der Gestaltung
der Pflichtangaben ansehen, steht man vor dem Problem, eine Grenze zu ziehen und
sich festzulegen, das Scrollen wie vieler Bildschirmseiten einem Nutzer zumutbar
ist. Die Beantwortung dieser Frage wird zusätzlich verkompliziert, weil die
„Bildschirmseite“ keine feste Größe ist. Das Erscheinungsbild einer
Webseite auf dem Bildschirm ist von vielen Faktoren abhängig, z.B. von der
Bildschirmauflösung und von der gewählten Konfiguration des Browsers
hinsichtlich Fenster- oder Schriftgröße. Zusätzlich integrierte Menüleisten,
wie z.B. die Google Toolbar, können den Bereich, in dem eine Webseite angezeigt
wird, weiter verkleinern und noch weniger von der Webseite im Sichtfeld eines
Nutzers liegen lassen. Entweder das Scrollen ist einem Nutzer deshalb zumutbar
oder eben nicht. Ein Mittelweg, der auf die Länge einer Webseite abstellt, kann
unter Internetnutzern nur zu Kopfschütteln führen und produziert zahlreiche
Abgrenzungsprobleme: Man stelle sich nur eine Webseite vor, die eine
Produktbeschreibung enthält und für Nutzer die Möglichkeit vorsieht,
Kommentare abzugeben. Mit jedem neuen Kommentar muss ein Nutzer weiter nach
unten scrollen, um den sich dort befindenden Link zur Anbieterkennzeichnung zu
erreichen. Nach der Logik des OLG München müsste diese Gestaltung bei zu
vielen Kommentaren irgendwann einmal rechtswidrig werden! Darüber, wann die
Grenze zur Unzulässigkeit überschritten wird, können ein Anbieter und ebenso
ein Rechtskundiger nur Vermutungen anstellen. Die Rechtssicherheit bleibt auf
der Strecke.
Ferner
gilt es noch die Konstellation zu bedenken, bei der ein Link zu einer Stelle
innerhalb eines Dokuments führt. Genügt ein Webmaster, wenn es sich um eine längere
Webseite handelt, seiner gesetzlichen Pflicht schon deshalb nicht, weil ein
Nutzer, der über diesen Link zu ihr gelangt, nun ggf. über vier
Bildschirmseiten hinweg zum Seitenanfang mit dem Link zur Anbieterkennzeichnung
scrollen muss?
Abschließend
noch einige kritische Anmerkungen zu der zweiten Aussage des OLG München,
wonach ein Link zur Anbieterkennzeichnung, der mit „Impressum“ beschrieben
ist, dann nicht mehr leicht erkennbar sein soll, wenn sich in der Zeile darüber
der Link „über ... .de“ befindet. Begründet wird dies damit, dass ein Link
zu den Angaben nach § 6 TDG nicht nur zulässigerweise mit dem Text
„Impressum“, sondern auch mit „Wir über uns“ beschrieben sein kann.
Angesichts dessen, dass sich der BGH mittlerweile am Verbraucherleitbild des
EuGH orientiert (siehe zu diesem z.B. EuGH WRP 1999, 307, 311 –
Sektkellerei Kessler) und seinen Entscheidungen ein durchschnittlich
informierter und verständiger Durchschnittsverbraucher zugrunde liegt (siehe
z.B. BGH WRP 2002, 74, 77 – Das Beste jeden Morgen), überzeugt dies
nicht. Die Entscheidung des OLG München lässt einem das Bild eines Nutzer vor
Augen erscheinen, der von inneren Zweifeln gequält vor zwei Links verharrt,
sich in seiner Unsicherheit nicht für einen der beiden zu entscheiden vermag
und schließlich entnervt seine Suche abbricht. Ein solches Nutzerverhalten
entspricht nun aber in keinster Weise den tatsächlichen Gegebenheiten. Das
Ausprobieren von zwei Links erfordert keinen großen Zeitaufwand oder führt zu
einer aufwendigen Suche. Auch der Kläger dürfte die Angaben für seine Klage
rasch gefunden haben. Zu diesem, dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und
Verbraucherverbände, sei noch angemerkt, dass sich auf dessen Webseite (<www.vzbv.de>)
sowohl die Menüpunkte „Wir über uns“, „Kontakt“ und „Impressum“
befinden und dies sowohl am linken als auch am unteren Bildschirmrand. Verwirrt?
|