BGH
Urteil vom 12.4.2007
Az.
VII ZR 122/06
Tatbestand:
Die
Klägerin verlangt eine pauschalierte Vergütung für nicht erbrachte
Werkleistungen. Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe den Werkvertrag
rechtzeitig widerrufen.
Ein Handelsvertreter der Klägerin suchte die
Beklagte am 29. März 2005 in deren Wohnung auf und bot ihr Fassadenanstrich-
und Fassadenputzarbeiten zu einem Festpreis an. Die Beklagte unterzeichnete
am selben Tag ein Bestellformular der Klägerin. Auf der Rückseite des der
Beklagten ausgehändigten Bestellformulars befindet sich eine abgesetzte und
schwarz umrandete Erklärung mit folgendem Wortlaut:
"Widerrufsbelehrung: Sie können Ihre
Bestellung innerhalb von zwei Wochen ab Aushändigung dieser Belehrung ohne
Begründung in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der
bestellten Gegenstände gegenüber der Fa. D. - es folgt die Adresse -
widerrufen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des
Widerrufs.
Im
Falle des Widerrufs müssen Sie die erhaltene Sache zurück- und gezogene
Nutzungen herausgeben. Ferner haben Sie Wertersatz zu leisten, soweit die
Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen
ist, Sie den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet,
verarbeitet oder umgestaltet haben oder die erhaltene Sache sich
verschlechtert hat oder untergegangen ist. Die durch bestimmungsgemäße
Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung bleibt außer Betracht.“
Unter
dieser Erklärung befindet sich in der für den Kunden vorgesehenen Zeile der
Namenszug der Beklagten.
Mit
Schreiben vom 8. April 2005, das der Beklagten am 9. April 2005 zugegangen
ist, bestätigte die Klägerin die Bestellung der Beklagten. Mit Schreiben vom
13. April 2005 widerrief die Beklagte ihre Bestellung.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten auf
der Grundlage ihrer Vertragsbedingungen 36 % der vereinbarten Vergütung, das
sind 6.362,07 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der
Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
Die
Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die
Beklagte habe das ihr nach §§ 312, 355 BGB zustehende Widerrufsrecht wirksam
ausgeübt. Die Widerrufsfrist habe nicht mit ihrem Angebot, sondern erst mit
dem Vertragsschluss begonnen. Nach § 312 BGB stehe dem Verbraucher ein
Widerrufsrecht zu, wenn er zum Abschluss eines Vertrages, der ein
Haustürgeschäft zum Inhalt habe, bestimmt worden sei. Damit räume ihm das
Gesetz das Recht ein, einen bereits zustande gekommenen Vertrag zu
widerrufen. Folglich müsse dem Verbraucher die volle Widerrufsfrist nach
Abschluss des Vertrages zur Verfügung stehen. Würde die Frist vorher laufen,
könnte das dazu führen, dass die Widerrufsfrist abgelaufen sei, bevor der
Unternehmer die Annahme erkläre und der Vertrag damit zustande komme. Das
Gesetz gehe auch davon aus, dass der Widerruf zur Rückabwicklung eines
bereits abgeschlossenen Vertrages führe. Dem entsprächen Artikel 5 und 7 der
Richtlinie 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von
außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vom 20. Dezember 1985.
Artikel 4 der Richtlinie stehe dem nicht entgegen. Auch der Zweck des
Widerrufsrechts erfordere, dass die Widerrufsfrist erst mit Vertragsschluss
laufe. Die dem Verbraucher eingeräumte Bedenkfrist könne erst dann ihren
Sinn erfüllen, wenn der Verbraucher wisse, ob der Unternehmer dem
Vertragsschluss zustimme.
II.
Das
hält der rechtlichen Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
1.
Der Beklagten steht nach den nicht angefochtenen Feststellungen des
Berufungsgerichts ein Widerrufsrecht gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 355
BGB zu. Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 1 BGB zwei Wochen und
beginnt in dem Zeitpunkt, in dem dem Verbraucher eine den Anforderungen des
Gesetzes entsprechende Widerrufsbelehrung mitgeteilt worden ist.
2. Im Streit steht, ob die Frist nicht
beginnen kann, bevor ein Vertrag zustande gekommen ist, der Unternehmer also
ein in der Haustürsituation abgegebenes Angebot des Verbrauchers angenommen
hat. Die Revision hält die entsprechende Auffassung des Berufungsgerichts
für unzutreffend. Sie verweist auf die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom
20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb
von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. Nr. L 372 S. 31). Darin
ist geregelt, dass dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung zum Zeitpunkt der
Abgabe des Angebots auszuhändigen ist, Artikel 4, und der Verbraucher
innerhalb von sieben Tagen nach diesem Zeitpunkt von der eingegangenen
Verpflichtung zurücktreten darf, Artikel 5. Der Senat hat nicht zu
entscheiden, inwieweit die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der
§§ 312, 355 BGB mit der Richtlinie zu vereinbaren ist und eine von der
Richtlinie abweichende Regelung gemäß Artikel 8 zulässig wäre. Auch muss er
nicht eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur
Klärung der Frage in Erwägung ziehen, ob das Verständnis des
Berufungsgerichts zu Artikel 5 der Richtlinie zutreffend ist. Denn auf die
Frage, wann die Frist von zwei Wochen beginnt, kommt es nicht an.
3.
Der Widerruf der Beklagten war schon deshalb rechtzeitig, weil die
Widerrufsbelehrung nicht den Anforderungen des Gesetzes entspricht. Die
Klägerin hat lediglich auf die Pflichten, nicht jedoch auf wesentliche
Rechte des Verbrauchers hingewiesen. Eine derartige Widerrufsbelehrung
genügt nicht den Anforderungen des § 312 Abs. 2 BGB, wonach die
Widerrufsbelehrung auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB hinweisen
muss. Die Widerrufsbelehrung ist deshalb unwirksam, so dass eine
Widerrufsfrist nicht laufen konnte.
a)
Die Klägerin hat kein Formular verwendet, das dem Muster gemäß § 14 Abs. 1
Anlage 2 BGB-InfoV entspricht. Sie kann schon deshalb keine ihr günstigen
Rechtswirkungen aus der BGB-InfoV herleiten.
b)
Der Schutz des Verbrauchers erfordert eine möglichst umfassende,
unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige
Belehrung (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, ZIP 2002, 1730, 1731).
Eine diesen Anforderungen genügende Information über die Rechtsfolgen des §
357 Abs. 1 und 3 BGB kann sich nicht darauf beschränken, allein die
Pflichten des Verbrauchers wiederzugeben, denn zu den in § 357 Abs. 1 BGB
geregelten Rechtsfolgen gehören ebenso Rechte des Verbrauchers. Auch § 355
Abs. 1 BGB fordert, dass der Verbraucher über seine Rechte informiert wird.
c) Eine Beschränkung der Anforderungen an
den Inhalt einer Widerrufsbelehrung derart, dass abweichend vom Wortlaut des
Gesetzes lediglich über die Pflichten des Verbrauchers zu belehren ist,
ergibt sich nicht aus der Gesetzesbegründung zu § 312 Abs. 2 BGB.
Nach
der Gesetzesbegründung wurde zwar unter Hinweis auf § 312 d Abs. 3 BGB
besonderer Wert auf die allein die Pflicht des Verbrauchers betreffende
Information gelegt, dass eine bereits vor dem Widerruf empfangene
Dienstleistung mit der vereinbarten Vergütung als Wertersatz zu bezahlen
ist. Denn der Verbraucher solle wissen, was auf ihn zukomme (BT-Drucksache
14/7052 S. 190). Aus dieser besonderen Hervorhebung lässt sich jedoch nicht
herleiten, dass lediglich über die dem Verbraucher nachteiligen Rechtsfolgen
aufzuklären ist. Eine solche Einschränkung findet sich im Gesetzestext
nicht. Auch in der Gesetzesbegründung wird abschließend ausgeführt, dass der
Unternehmer den Verbraucher über diese Rechtsfolgen "sowie über die
sonstigen Rechtsfolgen des Widerrufs" zu belehren hat und zudem darauf
hingewiesen, dass ein Gleichlauf zwischen den Belehrungspflichten über die
Rechtsfolgen des Widerrufs bei Fernabsatzverträgen und Haustürgeschäften
erreicht werden soll (BT-Drucksache 14/7052 S. 190). Nach § 312c Abs. 1 Satz
1 BGB muss der Unternehmer u.a. die Informationen zur Verfügung stellen, für
die dies in der Rechtsverordnung nach Artikel 240 des Einführungsgesetzes
zum Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt ist. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV
muss der Verbraucher über die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe,
einschließlich der Informationen über den Betrag, den der Verbraucher im
Falle des Widerrufs oder der Rückgabe gemäß § 357 Abs. 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuches für die erbrachte Dienstleistung zu zahlen hat, informiert
werden.
d) Der Senat muss nicht entscheiden, in
welchem Umfang der Verbraucher im Einzelnen über seine sich aus § 357 Abs. 1
und Abs. 3 BGB ergebenden Rechte zu informieren ist. Der Schutzzweck der
Regelung erfordert jedenfalls eine Belehrung über die wesentlichen Rechte,
die sich aus den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt ergeben. Dazu
gehört, dass auch der Unternehmer die empfangenen Leistungen
zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen herauszugeben hat.
Dementsprechend sieht auch das Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV
den Text vor: "Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits
empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggfls. gezogene Nutzungen (z.B.
Zinsen) herauszugeben." Die Widerrufsbelehrung der Klägerin informiert
demgegenüber lediglich darüber, dass der Verbraucher die Pflicht zur
Rückgewähr und zur Herausgabe gezogener Nutzungen hat. Das ist eine
einseitige Darstellung, die geeignet ist, Unsicherheit beim Verbraucher
darüber hervorzurufen, inwieweit der Unternehmer in gleicher Weise
verpflichtet ist. Sie wird dem Ziel, den Verbraucher möglichst
unmissverständlich zu belehren, nicht gerecht. Diesem drängt sich die
unbeantwortete Frage auf, wieso nur seine Verpflichtung zur Rückgabe und
nicht die des Unternehmers zur Rückzahlung erwähnt wird. Insbesondere wird
ihm die Information vorenthalten, dass auch der Unternehmer die gezogenen
Nutzungen, z.B. Zinsen, herauszugeben hat.
Da mangels einer ordnungsgemäßen Belehrung
eine Widerrufsfrist nicht lief, ist der Widerruf der Beklagten wirksam.
IV.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.