Ein Monat
Widerrufsfrist bei ebay
KG Berlin
Urteil vom 5.12.2006
Az.: 5 W
295/06
Gründe
I.
Der
Antragsteller wendet sich im vorliegenden Eilverfahren in zweierlei Hinsicht
gegen die Widerrufsbelehrung im Internetauftritt des mit ihm in Wettbewerb
stehenden Antragsgegners bei eBay. In dieser Belehrung heißt es unter
anderem:
„Sie
können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von
Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der
Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“
Der
Antragsteller hält Satz 1 dieser Belehrung für falsch, weil infolge erst
nach Kaufvertragsabschluss in Textform erteilter Widerrufsbelehrung die
Frist einen Monat betrage.
Satz
2 sei falsch, weil der Fristbeginn nur durch eine Belehrung in Textform
ausgelöst werde, was auf die hier in Rede stehende Belehrung nicht zutreffe.
Das
Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner - form- und fristgerecht
eingelegten - sofortigen Beschwerde.
II.
Die
sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569
ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Dem Antragsteller steht gegen
den Antragsgegner gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG
der aus der Verbotsformel ersichtliche Unterlassungsanspruch zu, wobei
dessen Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet wird.
Der
Unternehmer hat gemäß § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB dem Verbraucher klar und
verständlich die Information zur Verfügung zu stellen, für die dies gemäß
Art. 240 EGBGB i.V. mit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV bestimmt ist, so unter
anderem über die Bedingungen der Ausübung des Widerrufs.
Das
in § 355 BGB geregelte Widerrufsrecht bezweckt den Schutz der Verbraucher.
Dieser Schutz erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche und
aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung. Dem tragen die bei
der Belehrung von Gesetzes wegen zu beachtenden Formvorschriften und
inhaltlichen Anforderungen (wie hier nach § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB nebst
Bezugsnormen) Rechnung. Der Verbraucher soll durch die Belehrung nicht nur
von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage
versetzt werden, dieses auszuüben (vgl. BGH GRUR 2002, 1085, 1086 -
Belehrungszusatz).
Diese
Informationspflicht erfüllt der Antragsgegner mit seiner vorstehend
zitierten Belehrung, wie der Antragsteller mit Recht geltend macht, in
zweierlei Hinsicht nicht.
1.
Die in Rede stehende Widerrufsbelehrung ist zunächst wegen der Angabe einer
Zweiwochenfrist nicht richtig, da die Frist - worauf der Antragsteller mit
Recht hinweist - in Wirklichkeit einen Monat beträgt. Die insoweit
unrichtige Belehrung ist daher in bestimmten Fällen (Zeitablauf von
beispielsweise drei Wochen) geeignet, einen Verbraucher von der
Geltendmachung seines ihm (noch) zustehenden Rechts auf Widerruf abzuhalten,
da sie in ihm den Irrtum hervorruft, die Frist für einen Widerruf sei
bereits abgelaufen.
a)
Die Dauer der Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge ist in § 312d Abs. 1 i.V.
mit § 355 BGB geregelt und beträgt zwar grundsätzlich zwei Wochen (§ 355
Abs. 1 Satz 2 BGB), abweichend davon jedoch dann einen Monat, wenn die in
Textform mitzuteilende Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss
mitgeteilt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB). Letzteres ist hier der Fall. Das
ergibt sich aus Folgendem:
aa)
Die hier in Rede stehende Belehrung im Internetauftritt des Antragsgegners
ist dem Verbraucher zwar schon vor Vertragsschluss zugänglich. Sie ist
jedoch keine Widerrufsbelehrung "in Textform", die dem Verbraucher
"mitgeteilt" wird.
bb)
"Textform" erfordert gemäß § 126b BGB unter anderem, dass die Erklärung in
einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen
geeignete Weise abgegeben ist. Danach ist die im Internetauftritt des
Antragsgegners zu findende Widerrufsbelehrung keine solche, die dem
Verbraucher in "Textform" mitgeteilt wird. Denn bei Texten, die in das
Internet eingestellt, dem Empfänger aber nicht (beispielsweise per E-Mail)
übermittelt worden sind, ist § 126b BGB nur gewahrt, wenn es tatsächlich zur
Perpetuierung der Erklärung beim abrufenden Verbraucher (Ausdruck der Seite
oder Download, d.h. Abspeicherung auf der eigenen Festplatte) kommt (Senat
NJW 2006, 3215, 3216; OLG Hamburg MMR 2006, 675, 676).
cc)
Stellt danach die Widerrufsbelehrung im Internetauftritt des Antragsgegners
noch keine Mitteilung "in Textform" gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB dar, so
ist für die hier in Rede stehenden eBay-Geschäfte mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Belehrung erst nach
(jedenfalls nicht vor) Vertragsschluss in Textform mitgeteilt wird, da bei
eBay die Waren im Rechtssinne verbindlich angeboten werden, mit der Folge,
dass mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung des Verbrauchers ein
Kaufvertrag geschlossen wird (Senat a.a.O., S. 3216 f.; OLG Hamburg a.a.O.).
b)
Steht mithin die Belehrung "Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von
zwei Wochen … widerrufen" in Widerspruch zu § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach
die Frist einen Monat beträgt, so verstößt sie gegen § 312c Abs. 1 Satz 1
BGB (nebst Bezugsnormen), da sie dem Verbraucher nicht klar und verständlich
die Information über die Bedingungen der Ausübung des Widerrufs zur
Verfügung stellt. Dieser Verstoß ist gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unlauter, da
die angeführten Vorschriften zu den Unterrichtungspflichten bezüglich der
Widerrufsrechte dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das
Marktverhalten zu regeln (Senat a.a.O., S. 3217; OLG Hamburg a.a.O.; OLG
Jena GRUR-RR 2006, 283), und da es sich nicht lediglich um einen
Bagatellverstoß, sondern - mit Blick auf das vorstehend unter II und unter
II 1 Ausgeführte - um eine Beeinträchtigung gewichtiger
Verbraucherinteressen handelt.
c)
Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zum vorstehend
angeführten Punkt eine gegenteilige Auffassung vertreten und hierzu
ausgeführt: Der Antragsgegner habe nicht unlauter gehandelt. Die
angegriffene Widerrufsbelehrung des Antragsgegners entspreche im
entscheidenden Teil dem in Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV enthaltenen Muster,
welches in § 312c Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1, 4 Satz 2 BGB-InfoV in Bezug
genommen werde. Das Muster enthalte den Hinweis auf eine Widerrufsfrist von
zwei Wochen. Der Gestaltungshinweis zu 1, wonach bei Belehrung erst nach
Vertragsschluss statt einer Zweiwochenfrist eine Monatsfrist zu setzen sei,
beziehe sich nicht auf den hier vorliegenden Fall, dass das Muster zur
Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflicht gemäß § 312c Abs. 1 BGB
verwendet werde.
d)
Diesen Ausführungen stimmt der Senat nicht zu. Der Antragsgegner kann sich
nicht mit Erfolg auf eine mustergetreue Formulierung seiner
Widerrufsbelehrung berufen. Denn das Muster setzt - unabhängig davon, ob es
um eine Belehrung nach § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB oder um eine solche nach §
312c Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB geht - stets eine Belehrung in Textform voraus.
Das Muster ist nämlich bezeichnet als "Anlage 2 (zu § 14 Abs. 1 und 3)", und
§ 14 Abs. 1 BGB-InfoV stellt darauf ab, dass das Muster der Anlage 2 "in
Textform" verwandt wird. Die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Satz 2 BGB-InfoV
ermöglicht es dem Unternehmer, das "in § 14" bestimmte Muster (also gemäß §
14 Abs. 1 BGB-InfoV: in Textform) zu verwenden. Das Muster kommt bei einer -
wie hier - lediglich ins Internet gestellten Belehrung demnach von
vornherein nicht zum Tragen. Käme es zum Tragen, griffe überdies besagter
"Gestaltungshinweis". Denn die hier in Rede stehende, lediglich ins Internet
gestellte Passage ist keine Belehrung, die dem Verbraucher vor
Vertragsschluss "mitgeteilt" wird. Die Belehrung wird dem Verbraucher
vielmehr lediglich (i.S. von § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB) "zur Verfügung
gestellt".
2.
Mit Recht beanstandet der Antragsteller des Weiteren den Inhalt der in Rede
stehenden Belehrung des Antragsgegners, soweit es dort heißt, die Frist (zum
Widerruf) beginne frühestens mit Erhalt dieser Belehrung, und greift auch in
diesem Punkt den zurückweisenden Beschluss des Landgerichts mit Erfolg an.
a)
Die genannte Formulierung ist als Information über die Bedingungen der
Ausübung des Widerrufs für den Verbraucher ebenfalls entgegen § 312c Abs. 1
Satz 1 BGB, Art. 240 EGBGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoVO nicht klar und
verständlich. Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn ist in erster Linie gemäß
§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB die Mitteilung der Widerrufsbelehrung in Textform
(weitere Anknüpfungspunkte finden sich in § 312d Abs. 2 BGB). Eine
Widerrufsbelehrung in Textform ist - wie ausgeführt - mit der ins Internet
gestellten Widerrufsbelehrung des Antragsgegners noch nicht erfolgt. Mit
Erhalt "dieser" Belehrung beginnt die Frist also (gemäß § 312d Abs. 2 BGB)
nicht zu laufen. Bezogen auf den Erhalt der Widerrufsbelehrung als
Mindestvoraussetzung zur Fristauslösung muss richtigerweise dort also
angeführt werden, dass die Frist frühestens mit Erhalt einer in Textform
noch gesondert mitzuteilenden Widerrufsbelehrung zu laufen beginnt.
b)
Auch insoweit hilft es dem Antragsgegner entgegen der Auffassung des
Landgerichts nicht, dass die Belehrung sich an besagtem Muster orientiert.
Denn dieses Muster gilt - wie ausgeführt - nur für Belehrungen in Textform.
Der Wortlaut des Musters ist - wie der Fall zeigt - in mehrfacher Hinsicht
von vornherein ungeeignet, wenn gemäß § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB vor
Vertragsschluss Informationen über ein Widerrufsrecht nicht in Textform
mitgeteilt, sondern lediglich in einem Internetauftritt zur Verfügung
gestellt werden.
3.
Mit Blick auf den gerügten Verstoß und das verfolgte Rechtsschutzziel weicht
die Verbotsformel in Anwendung von § 938 Abs. 1 ZPO geringfügig von der in
der Antragsschrift angeregten Fassung ab, ohne dass damit eine
Teilzurückweisung verbunden ist.
III.
Die
Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung beruhen auf §§ 91,
3 ZPO.