Belehrung über die Haftung des
Verbrauchers für die Verschlechterung von Sachen
OLG Hamburg
Beschluss vom 12.9.2007
Az. 5 W 129/07
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe
– außer für die Rechtsverteidigung gegen Ziff. I 5 der einstweiligen
Verfügung – gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig, hat jedoch in der Sache nur
teilweise Erfolg. Lediglich gegenüber den Verfügungsanträgen aus Ziff. I 2
und 8 bzw. dem gleich lautenden Verbot der einstweiligen Verfügung ist die
Rechtsverteidigung des Antragsgegners hinreichend aussichtsreich im Sinne
des § 114 ZPO.
Im Einzelnen
1. Soweit der Antragsgegner Einwände erhebt, die für alle Verfügungsanträge
gleichermaßen gelten sollen (fehlende Parteifähigkeit der Antragstellerin,
keine ordnungsgemäße Vertretung, unzureichend Abmahnung, kein
Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien), hat das Landgericht diese
Einwände in dem angefochtenen Beschluss zu Recht und mit überzeugender
Begründung zurückgewiesen. Dem schließt sich der Senat zur Vermeidung von
Wiederholungen an. In seiner Beschwerdebegründung ist der Antragsgegner auch
nicht mehr hierauf zurückgekommen.
2. Zu Recht hat das Landgericht dem Verfügungsantrag zu Ziff. I 1
stattgegeben. Er ist gemäß den §§ 312 c Abs. 1 S.1 BGB, 1 Abs.1 Nr. 10
BGB-infoV i.V.m. §§ 3,4 Nr. 11 UWG begründet, da der Antragsgegner unrichtig
über die Bedingungen des Widerrufsrechts belehrt. Bei den
Informationspflichten gemäß § 312 c Abs.1 S.1 BGB in Verbindung mit
BGB-infoV handelt es sich um Rechtsnormen, die im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG
auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten
zu regeln. Dies sind jedenfalls solche Normen, deren Beachtung sich im
Markt, d.h. zum Zeitpunkt der Nachfrageentscheidung des Verbrauchers
auswirken (Senat NJW 2007, 2264). Dazu gehören die genannten
Belehrungspflichten.
Nach der Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts beträgt die
verbraucherrechtliche Widerrufsfrist bei Online-Auktionen über eBay einen
Monat und nicht 14 Tage oder zwei Wochen, wie es in der Belehrung des
Antragsgegners in dem Angebot gemäß Anlage Ast. 1 unter „Angaben des
Verkäufers zur Rücknahme“ und in seinen AGB unter „Widerrufsbelehrung
Widerrufsrecht“ heißt (HansOLG MMR 06,675; ebenso KG MMR 06,678).
Mit der bloßen Abrufbarkeit der Widerrufsbelehrung in einer eBay-Auktion
wird diese – so die zitierten Entscheidungen – dem Verbraucher noch nicht im
Sinne des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB in Textform mitgeteilt. Der Vertrag kommt
durch das Anbieten der Ware zur Versteigerung, welches ein verbindliches
Verkaufsangebot des Verkäufers ist, nach Ablauf des Auktionszeitraums
zwischen dem Anbieter und dem Höchstbietenden ohne weiteres Zutun zustande
(s. dazu auch Hoffmann, Anm. zu HansOLG MMR 2006, 675, 676). Die sodann
vorzunehmende Widerrufsbelehrung in Textform gemäß § 312 c Abs. 2 BGB
gegenüber dem Verbraucher als Käufer 3erfolgt nach Vertragsschluss, so dass
die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB einen Monat beträgt.
Vorliegend handelt es sich bei dem Angebot des Antragsgegners gemäß Anlage
Ast. 1 zwar um ein „Sofort-Kaufen“-Angebot und nicht um eine Auktion. Die
Antragstellerin hat jedoch für dieses Angebotsformat bei eBay unbestritten
vorgetragen und durch Vorlage der AGB von eBay glaubhaft gemacht (Anlage
Ast. 9), dass auch ein solches Angebot ein bindendes Angebot des Verkäufers
i.S.d. § 145 BGB darstellt, das von dem Käufer sofort angenommen werden
kann. Eine Belehrung über das Widerrufsrecht in Textform wird auch in diesem
Angebotsformat weder vor noch bei, sondern frühestens nach Vertragsabschluss
dem Käufer mitgeteilt.
Soweit der Antragsgegner einwendet, auch die Antragstellerin verwendet eine
fehlerhafte Widerrufsbelehrung, so dass die Rechtsverfolgung missbräuchlich
sei, verfängt dieser sog. Vorwurf der „unclean hands“ bereits aus den in dem
angefochtenen Beschluss genannten Gründe nicht. Im Übrigen ist er auch der
Sache nach nicht gerechtfertigt, denn die Widerrufsbelehrung der
Antragstellerin verstößt entgegen der Meinung des Antragsgegners nicht gegen
§ 357 Abs. 3 BGB. Wie der Senat in anderer Sache bereits entschieden hat,
kann die Belehrung über die Haftung des Verbrauchers für die
Verschlechterung von Sachen nach Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechts
bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Waren gemäß § 312 c Abs.2 S.1
Nr.2 BGB in Textform noch bis zur Lieferung der Ware an den Verbraucher
erfolgen, da es sich insoweit um eine Spezialbestimmung des Fernabsatzrechts
zum Zeitpunkt und zur Art und Weise der Belehrung über die Rechtsfolgen des
Widerrufs handelt, die in ihrem Anwendungsbereich § 357 Abs.3 S.1 BGB
vorgeht (Beschluss vom 19.06.2007 zum Aktz. 5 W 92/07). Die Formulierung in
den AGB der Antragstellerin entspricht in diesem Punkt außerdem dem
Mustertext gemäß § 14 Abs.1 i.V.m. Anlage 2 BGB-InfoV, so dass auch aus
diesem Grunde ein eigener Wettbewerbsverstoß der Antragstellerin nicht
vorliegt.
3. Die Klausel „Die
Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, welche sich in den
AGB des Antragsgegners unter „WIDERRUFSBELEHRUNG WIDERRUFSRECHT“ findet,
hält die Antragstellerin wegen Verstoßes gegen die § 312 c Abs.1 S.1 BGB
i.V.m. § 1 Nr.10 BGB-InfoV gemäß § 3, 4 Nr.11 UWG und unter dem
Gesichtspunkt der Irreführung über den Fristbeginn gemäß § 5 UWG für
wettbewerbswidrig (Antrag zu Ziff. I 2).
Dieser Auffassung folgt der Senat entgegen dem Landgericht nicht, so dass
eine Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Antragsgegners zu bejahen
und Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist. In diesem Punkt entspricht die
Belehrung des Antragsgegners nämlich dem Mustertext gemäß Anlage 2 zu § 14
BGB-InfoV. Zwar ist dieser Mustertext jedenfalls insofern unvollständig, als
er § 312 d Abs.2 BGB nicht berücksichtigt. Nach dieser Bestimmung ist es für
den Fristbeginn bei der Lieferung von Waren im Fernabsatz nämlich zusätzlich
erforderlich, dass die Ware beim Empfänger eingeht (s. dazu auch
Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 14 BGB-InfoV Rn.5). Nach Auffassung des
Senats stellt es aber zumindest keinen erheblichen Wettbewerbsverstoß im
Sinne des § 3 UWG dar, wenn die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist
dem Mustertext des Gesetzgebers folgt, selbst wenn dieser unvollständig ist.
Es wäre ein Überspannung der Pflichten eines Gewerbebetreibenden, wenn man
verlangen wollte, dass er in dem überaus komplizierten und verschachtelten
Fernabsatzrecht klüger sein soll als der Gesetzgeber.
4. Zu Recht hat das
Landgericht die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung hinsichtlich des
Antrages zu Ziff. I 3 verneint. Mit diesem Antrag greift die Antragstellerin
die Klausel in den AGB des Antragsgegners an, wonach bei Ausübung des
Widerrufsrechts durch Rücksendung der Ware unfreie Pakete vom Verkäufer
nicht angenommen würden. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob der Verbraucher
durch diese Klausel dahingehend in die Irre geführt wird, auch die
Wirksamkeit der Ausübung des Widerrufsrechts hänge davon ab, dass er die
Sendung frankiere. Denn jedenfalls verstößt die Belehrung in diesem Punkt
gegen die §§ 312c Abs.1 S.1 BGB, § 1 Abs.1 Nr.10 BGB-InfoV, da unrichtig
über die Bedingungen der Ausübung des Widerrufs die Kosten der Rücksendung
zu tragen. Dies bedeutet nach zutreffender Auffassung, dass der Verbraucher
die Ware unfrei zurücksenden kann und nicht – wie in den angegriffenen
Klausel vorgesehen – dazu verpflichtet ist, die Kosten vorzuschießen
(Münchner Komm. zum BGB, 5.Aufl., § 357 Rn.17 m.w.N.). In diesem Punkt liegt
auch kein Bagatellverstoß im Sinne des § UWG vor, denn durch die
Vorschusspflicht auf die Rücksendekosten, die im Einzelfall nicht
unerheblich sein können, kann der Verbraucher durchaus davon abgehalten
werden, von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch zu machen.
5. Auch hinsichtlich
des Antrags zu Ziff. I 4 hat das Landgericht zu Recht die Erfolgsaussicht
der Rechtsverteidigung verneint. Dadurch, dass der Antragsgegner lediglich
in seinen AGB unter der Überschrift „PREISE; VERSAND; GEFAHRÜBERGANG“ darauf
hinweist, dass die Preise sich inklusive Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer)
verstünden, verstöße er gegen § 1 Abs.2 Nr.1 PAngV. Der Hinweis darauf, dass
der Preis für Waren, die im Wege des Fernabsatzes vertrieben werden, die
Umsatzsteuer enthält, muss gemäß § 1 Abs.6 S.2 PAngV dem Angebot oder der
Werbung mit Preisen eindeutig zugeordnet sowie leicht erkennbar, deutlich
lesbar oder sonst gut wahrnehmbar sein. Dazu gehört, dass sich der Preis und
seine Bestandteile entweder in unmittelbarer Nähe zu der Werbung mit den
Artikeln befindet oder der Nutzer jedenfalls in unmittelbarer räumlicher
Nähe zu der Werbung unzweideutig zu dem Preis mit allen seinen Bestandteilen
geführt wird (BGH NJW 2003,3055,3056 – Internet-Reservierungssystem; Senat
GRUR-RR 05, 27, 28 – Internetversandhandel). Die Unterbringung des Hinweises
auf die Umsatzsteuer lediglich in den AGB eines Internetanbieters genügt
nicht den Anforderungen der Preisangabenverordnung, wie das Landgericht in
dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat (s. auch Senat, Urteil
v. 14.02.2007 zum Aktz. 5 U 152/06).
Es liegt entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch kein
Bagatellverstoß im Sinne des § 3 UWG vor. Einen solchen hatte der Senat in
der zuletzt genannten Entscheidung deshalb angenommen, weil der Verbraucher
zusätzlich zu dem Hinweis in den AGB im Rahmen des Bestellvorgangs, und zwar
noch vor Abgabe der Bestellung darauf hingewiesen wurde, dass der Preis die
Umsatzsteuer enthielte. Einen solchen zusätzlichen Hinweis gibt der
Antragsgegner im vorliegenden Fall gerade nicht. Schließlich folgt die
Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung entgegen der Auffassung der
Beschwerde auch nicht aus der Antragsfassung. Der Verfügungsantrag bezieht
sich insgesamt nur auf die konkrete Verletzungsform des Angebots gemäß
Anlage Ast.1. Der Antrag zu Ziff. I 4 hat somit die Art und Weise des
Hinweises auf die Umsatzsteuer zum Gegenstand, so wie sie in diesem Angebot
erfolgt ist.
6. Ebenfalls zu Recht
hat das Landgericht die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung gegenüber den
Anträgen zu Ziff. I 6, 7, 9 und 10 verneint. Mit sämtlichen in diesen
Anträgen genannten Klauseln in seinen AGB will der Antragsgegner die
rechtliche Bindung an sein Angebot bei eBay abgebildet bzw. beschriebenen
Artikel einen geänderten Artikel zu liefern. Wie schon ausgeführt, hat die
Antragstellerin unbestritten vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass sowohl
Angebote im Angebotsformat „Auktion“ als auch im Angebotsformat „Sofort
Kaufen“ bei eBay Vertragsangebote im Sinne des § 145 BGB sind, deren Bindung
der Verkäufer nach Ablauf der Auktion bzw. Ausübung der „Sofort
Kaufen“-Option nicht mehr beseitigen kann. Hiervon geht auch mindestens ein
rechtlich relevanter Teil der Nutzer von eBay aus. Dies kann der Senat,
dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, aus eigenem
Wissen beurteilen. Wenn ein Verkäufer entgegen einer solchen
Verkehrserwartung diese Bindung durch seine AGB wieder beseitigt, wirbt er
mit seinem jeweiligen eBay-Angebot irreführend im Sinne des § 5 Abs.2 Nr.2
UWG über die Bedingungen, unter denen die Waren geliefert oder die
Dienstleistung erbracht werden. Denn zu den Bedingungen in diesem Sinne
gehören nicht nur Liefer-, sondern auch Angebotsbedingungen (Harte/Henning-Weidert,
UWG, § 5 Rn.604ff.). Damit ist auch die Frage erfasst, ob eine Werbung ein
rechtlich bindendes Angebot oder nur eine unverbindliche invitatio ad
offerrendum darstellt.
Folglich kommt es für diese Anträge nicht darauf an, ob die genannten
Klauseln auch gegen AGB-Recht, insbesondere gegen § 305 c und § 308 Nr.4
BGB, verstoßen und ihre Verwendung zusätzlich nach § 4 Nr.11 UWG
wettbewerbswidrig ist.
7. Hingegen hat die
Rechtsverteidigung des Antragsgegners Aussicht auf Erfolg, soweit er sich
gegen den Verfügungsantrag zu Ziff. I 8 zur Wehr setzt. Die Antragstellerin
meint, dass der Antragsgegner mit der Klausel „Bei Stornierung des Auftrags
seitens des Kunden erhebe ich Stornierungsgebühren in Höhe von fünf Prozent
des Bestellwertes, mindestens jedoch 10 Euro“ das Widerrufsrecht des
Verbrauchers in unzulässiger Weise entgegen den Regelungen des § 357 BGB
einschränke.
Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die
angegriffene Klausel über die Stornierungsgebühr findet sich in den AGB des
Antragsgegners unter der Überschrift „VERTRAGSSCHLUSS“ und gilt für alle
„Kunden“, also auch Unternehmer. Speziell für den Verbraucher als Kunden ist
das Widerrufsrecht einschließlich der durch seine Ausübung ausgelösten
Rechtsfolgen unter den Überschriften „WIDERRFSBELEHRUNG WIDERRUFSRECHT“ und
„
WIDERRUFSFOLGEN“ geregelt. Hierbei handelt es sich erkennbar um die
einschlägige und abschließende Spezialregelung für den Fall, dass eine
„Stornierung“ des Vertrags durch die Ausübung des gesetzlichen
Widerrufsrechts durch einen Verbraucher erfolgt.
8. Schließlich folgt
der Senat dem Landgericht, soweit es auch der Rechtsverteidigung gegen
Antrag zu Ziff. I 11 keine Erfolgsaussicht beigemessen hat. Das Landgericht
hat dies in dem angefochtenen Beschluss überzeugend begründet. Dem schließt
auch der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen an. Soweit der
Antragsgegner in seiner Widerspruchsbegründung noch ausführt, es gebe
unerlaubte Anbieter bei eBay, die entgegen den eBay-Geschäftsbedingungen
doch Gebühren verlangten, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung.
Eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeit wird nicht dadurch
gerechtfertigt, dass es Anbieter gibt, die Rechts- oder Vertragsbedingungen
– hier die eBay-Bedingung -, nicht beachten. Angesichts des Umstandes, dass
der Antragsgegner den Hinweis „Keine eBay-Gebühr“ durch die animierte und
graphische Gestaltung besonders heraushebt, kann auch nicht mehr von einem
Bagatellverstoß im Sinne des § 3 UWG gesprochen werden.
Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 127 Abs.4 ZPO nicht erforderlich.
Angesichts des Umstandes, dass die Beschwerde überwiegend ohne Erfolg
geblieben ist, hat der Senat von der Möglichkeit einer Ermäßigung der
Gerichtskosten abgesehen (Ziff. 1812 Kostenverzeichnis GKG).