Widerrufsbelehrung bei eBay
LG Karlsruhe
Urteil vom 8.8.2007
Az.:13 O 76/07 KfH I
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) betreibt einen der regional
größten Heizungs- und Sanitätfachmärkte mit der gesamten Angebotspalette aus
dem Segment Heizungs- und Sanitärartikel. Die Verfügungsbeklagte vertreibt
auf der Handelsplattform eBay unter dem Namen ... Pumpen und Hebeanlagen. Am
22.05.07 veröffentlichte sie das auch an den Endverbraucher gerichtete, eine
Hebeanlage betreffende Angebot unter eBay Artikelnummer .... Dabei belehrte
sie auf der „Mich-Seite" unter „Widerrufsrecht" u.a. wie folgt:
„Sie können die erhaltene Ware
ohne Angabe von Gründen innerhalb von zwei Wochen durch Rücksendung der Ware
zurückgeben. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Ware und dieser
Belehrung …“
sowie:
„Bei einer Verschlechterung der
Ware kann Wertersatz verlangt werden. Dies gilt nicht, wenn die
Verschlechterung der Ware ausschließlich auf deren Prüfung, wie sie Ihnen
etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre, zurückzuführen ist. Im Übrigen
können sie die Wertersatzpflicht vermeiden, in dem sie die Ware nicht wie
ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert
beeinträchtigt".
Die Klägerin hat die Beklagte dieserhalb erfolglos abgemahnt und trägt vor,
diese Belehrung sei unrichtig. Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB betrage die
Widerrufsfrist einen Monat, wenn die Belehrung über den Widerruf in Textform
erst nach Vertragsschluss erfolge. Das Vorhalten solcher Informationen im
Internet ohne Abspeicherung durch den Verbraucher wie die vom Beklagten bei
eBay verwendete Belehrung erfülle nicht die Anforderung an die Textform.
Auch die Verwendung des Begriffs „frühestens“ sei nicht klar und
verständlich. Die Verwendung der Anlage zu § 14 BGB/lnfoV entfalte keine
Schutzwirkung, weil es bei dem Inhalt der Anlage 2 ausschließlich um die in
Textform erteilte Belehrung gehe. Ein missbräuchliches Vorgehen liege nicht
vor. Der Umsatz der Klägerin belaufe sich auf iebenstellige Jahreszahlen.
Zutreffend sei, dass die Klägerin in den vergangenen zwei Jahren 50 bis 60
Mitarbeiter wegen Wettbewerbsverstößen durch Widerrufsbelehrungen oder AGB
habe abmahnen lassen. Den behaupteten Umsatz der Beklagten im Raum Kiel seit
01.01.06 bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen.
Die Klägerin beantragt,
die ergangene einstweilige Verfügung vom 25.06.2007 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten
Antrag zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor,
es fehle an der für den Erlass einstweiliger Verfügungen erforderlichen
Dringlichkeit. Die Parteien seien nicht Wettbewerber, die Klägerin sei im
Heizungsbau tätig, die Beklagte verkaufe Pumpen. Gegen § 312 c Abs. 1 BGB
habe sie, die Beklagte, nicht verstoßen, da dieser keine Textform verlange.
Sie habe wörtlich das Muster für die Rückgabebelehrung nach Anlage 3 zur
BGB-InfoV übernommen. Auch ein Verstoß gegen § 356 Abs. 1, 3 BGB liege nicht
vor. Das über eBay gemachte Angebot und seine Bedingungen sei vor und nach
Annahme des Angebots durch den Käufer nicht mehr abänderbar. Schließlich sei
§ 312 c Abs. 2 BGB eine dem § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB vorgehende
spezialgesetzliche Regelung. Jedenfalls sei die Geltendmachung von
Unterlassungsansprüchen vorliegend gemäß § 8 Abs. 4 UWG
rechtsmissbräuchlich. So habe die Klägerin nach eigenen Angaben 50 bis 60
wirkliche oder vermeintliche Wettbewerber abmahnen lassen und sich dabei
stets auf Klauseln bezogen, die keine oder nur geringfügige Bedeutung
hätten. Sie, die Beklagte habe im Raum Kiel seit 01.01.06 nur eine Lieferung
ihres Sortiments zu einem Gesamtumsatz von EUR 148,26 netto erbracht.
Außerdem wurden seitens der Klägerin Streitwerte angegeben, die in krassem
Missverhältnis zu deren Interesse stünden, so könne der Streitwert
vorliegend 1000,- € nicht überschreiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die
zu Protokoll genommenen Erklärungen der Parteien verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung war aufrechtzuerhalten, da sie zu Recht ergangen
ist.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein wettbewerbsrechtlicher
Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3, 4 Nr. 11 UWG zu, weil
sie einer gesetzlichen Vorschrift zuwidergehandelt hat, die auch dazu
bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Zu diesen Vorschriften, deren Verletzung regelmäßig wettbewerbsrechtliche
Unterlassungsansprüche auslöst, gehört auch die Belehrung über ein
bestehendes Widerrufsrecht nach § 355 BGB (OLG Karlsruhe, WRP 06, 1039).
Es bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Klägerin Mitbewerber
der Beklagten im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist.
Zumindest soweit die Beklagte Pumpen für Heizungsanlagen anbietet,
überschneidet sich ihr Angebot ersichtlich mit den von der
Klägerin angebotenen Heizungsanlagen und -teilen.
Die Beklagte, die mittels Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern kontrahiert,
hat mit der Streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung gegen ihre
Verpflichtung nach § 312 c Abs. 1 Satz 1 Ziffer 18GB verstoßen. Danach hat
der Unternehmer den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen
Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel
entsprechenden Weise klar und verständlich die Informationen zur Verfügung
zu stellen, für die die BGB-lnfoV bestimmt ist, also gemäß § 1 Nr. 10
BGB-InfoV die Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen eines
Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der
Ausübung usw.
a) Dazu gehört vor allem auch die Widerrufs- beziehungsweise Rückgabefrist.
Die Beklagte hat die Interessenten ihres Angebots bei eBay auf der von der
Klägerin beanstandeten „Mich-Seite" insoweit dahin belehrt, dass die Ware
innerhalb von zwei Wochen durch Rückgabe der Ware zurückgegeben werden
könne. Diese Belehrung ist unzutreffend und verstößt daher gegen § 312 c
Abs. 1 Nr. 1 BGB, welcher nicht nur eine formale Information sondern vor
allem eine klare und zutreffende Information verlangt. Denn die
Widerrufsfrist beträgt dann, wenn die Belehrung in Textform erst nach
Vertragschluss mitgeteilt wird einen Monat. Dies gilt, wie die Beklagte im
Übrigen durch die aktuell verwendete Belehrung selbst einräumt, auch dann,
wenn vor Vertragsschluss im Internet wie geschehen belehrt wird. § 312 c
Abs. 1 BGB macht die Belehrung in Textform nicht überflüssig. Er statuiert
vielmehr eine zusätzliche Informationspflicht bei Fernabsatzverträgen und
wird ergänzt durch die ausdrückliche Verpflichtung, dem Verbraucher die
entsprechenden Informationen (auch) in Textform mitzuteilen und zwar bei der
Lieferung von Waren spätestens bis zu deren Lieferung an den Verbraucher.
Genügt danach nicht schon die Belehrung auf der Internetseite den
Anforderungen der Textform, so greif daher zwingend § 355 Abs. 2 BGB ein und
es gilt eine einmonatige Widerrufsfrist.
So liegt es auch bei den vorliegenden Onlineangeboten der Beklagten über die
Internetplattform eBay (OLG Hamburg MMR 06, 675). Denn auch die
Widerrufsbelehrung des Beklagten auf der „Mich-Seite" bei eBay genügt nicht
der Textform, welche gemäß § 126 b BGB vielmehr verlangt, dass die Erklärung
in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in
Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben wird. Nach derzeit wohl
herrschender obergerichtlicher Rechtsprechung ist daher bei Texten, die in
das Internet eingestellt werden, dem Empfänger aber nicht (zum Beispiel per
E-Mail) übermittelt worden sind, § 126 b BGB nur gewahrt, wenn es
tatsächlich zum Ausdruck oder zur Abspeicherung bei abrufenden Verbrauchern
kommt (KG NJW 06, 3215 ff; OLG Hamburg a.a.O., OLG Hemm, ZIP 07, 824).
Informationen auf einer Webseite alleine sind dagegen nicht ausreichend
solange sie nur im Arbeitsspeicher des Computers, im Cache des Browsers oder
in sonstiger flüchtiger Form und damit nicht dauerhaft im Machtbereich des
Empfängers gespeichert und zugleich dem Zugriff des Erklärenden entzogen
sind (vgl. Junker In: Juris PK-BG8. 3. Auflage, § 126 b, Rn. 13.0; Palandt/Heinrichs,
BGB, 66. Auflage, § 128 b, Rn 3).
Soweit die Beklagte geltend macht, das über eBay gemachte Angebot und seine
Bedingungen seien vor und nach Annahme des Angebots durch den Käufer nicht
mehr auffindbar, führt dies nicht zu abweichender Beurteilung. Auch wenn die
Internetplattform die ABG dauerhaft speichert, reicht dies jedenfalls
solange nicht aus, als die Speicherung wieder aufgehoben werden kann und wie
die von der Klägerin ohne beachtlichen Gegenvortrag oder gar
Glaubhaftmachung der Beklagten dargelegt, durch entsprechende Darstellungs/
Wiedergabetechniken des Anbieters problemlos unterlaufen werden kann (vgl.
auch OLG Hamburg a. a. O. Seite 676).
Wurde die erforderliche Belehrung in Textform nach allem erst nach
Vertragschluss mitgeteilt, so galt die einmonatige Widerrufsfirst
beziehungsweise Rückgabefrist nach §§ 355 II 1, 356 II BGB.
b) Danach beanstandet die Klägerin zu Recht auch, dass nach der
streitgegenständlichen Belehrung die Frist „frühestens mit Erhalt der Ware
und dieser Belehrung“ beginne. Denn die Widerrufsfrist beginnt nach § 355
BGB zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher eine deutlich gestaltete
Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform zugeht, beziehungsweise nach
weiteren Erfordernissen in § 312 d Abs. 2 BGB mit Widerrufsbelehrung in
Textform und Lieferung der Ware. Mit Email der Ware beginnt die Frist gemäß
§ 312 d Abs. 2 BGB also nur dann, wenn dem Verbraucher bis dahin auch die
Widerrufsbelehrung in Textform zugegangen ist Dem genügt der Hinweis auf die
lediglich im Internet, mithin nicht in Textform abgespeicherte Belehrung
nicht (vgl. KG NJW 06, 3215.).
c) Schließlich ist die einstweilige Verfügung auch in Punkt I. c zu Recht
ergangen. Gemäß § 357 Abs. 3 BGB hat der Verbraucher abweichend von § 346
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße
Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung nur dann zu leisten,
wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und
eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Diese
Voraussetzung liegt nicht vor, so dass die Belehrung des Beklagten auch
insoweit unzutreffend ist.
Die Auffassung bei § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB handle es sich um eine allgemeine
Vorschrift denen § 312 c Abs. 1 und Abs. 2 BGB als Spezialvorschriften auch
bezüglich der Rechtsfolgen vorgingen, vermag sich die Kammer nicht
anzuschließen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass hier durch das
Erfordernis einer Belehrung In Textform bereits vor Vertragsschluss für die
verschärfte Haftung des Verbrauchers modifiziert werden sollte. Dem
Erfordernis der Belehrung in Textform kommt insoweit ersichtlich
Warnfunktion bei Verschärfter, die Rücktrittsvorschriften zu Lasten des
Verbrauchers modifizierender Haftung zu. Dies wird auch durch die
Information nach § 312 c Abs. 1 BGB, welche wie dargelegt, vorliegend der
Textform nicht genügt, nicht entbehrlich (anders aber OLG Hamburg, Beschluss
vom 19.06.2007 - 5 W 92/07).
2. Es liegt auch kein Bagatellverstoß im Sinne von § 3 UWG vor, welcher
einen Unterlassungsanspruch nicht begründen kann. Schon die Vielzahl der
online über die Internetplattform eBay ansprechbaren Interessenten belegt,
dass es sich hier keineswegs um eine nur unwesentliche Beeinträchtigung des
Wettbewerbs handelt.
3. Der Anspruch wird von der Klägerin auch nicht missbräuchlich geltend
gemacht (§ 8 Abs. 4 UWG). Dass sie Klägerin in der Vergangenheit eine
erhebliche Zahl von Konkurrenten abgemahnt hat, vermag einen Missbrauch
nicht zu begründen. Ob es zutrifft, dass die Beklagte seit 01.01.2006 im
Raum Kiel nur eine Lieferung im Wett von 148,26 netto erbracht hat, wofür
jede Glaubhaftmachung fehlt, kann dahingestellt bleiben. Es ist schon nicht
ersichtlich, dass sich die gewerbIiche Tätigkeit der Parteien ausschließlich
im dortigen Bereich überschneidet und ein Wettbewerb an anderer Stelle
ausgeschlossen ist.
Schließlich kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, ihren Anspruch
mit ersichtlich übertriebenen Wertvorstellungen verbunden zu haben. Die
große Vielzahl an über das Internet ansprechbaren Interessenten rechtfertigt
vorliegend durchaus die Annahme eines Wettbewerbsinteresses von 10.000,-
Euro.
4. Die Dringlichkeit der einstweiligen Verfügung wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG
vermutet. Die Beklagte hat nichts dargelegt, was diese Vermutung widerlegen
konnte, insbesondere ist der seit Abmahnung der Beklagten verstrichene
Zeitraum (Monatsfrist eingehalten), insoweit ungeeignet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die einstweilige Verfügung und die weitere Kostenentscheidung sind ohne
gesonderten Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne weiteres
vollziehbar.