Abmahnung - Beauftragung von einem Rechtsanwalt
erforderlich?
OLG
Düsseldorf
Urteil
vom 20.02.2001
Az.:
20 U 194/00
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die
Widerklage abgewiesen. Hierzu hat der Senat in der mündlichen Verhandlung darauf
hingewiesen, dass die mit der Widerklage eingeklagten Anwaltskosten in Höhe von
1.633,80 DM (vgl. Rechnung Anl. 2 zur Klageschrift) der Beklagten ohne Rücksicht
auf die markenrechtliche Problematik schon deshalb nicht zustehen, weil die
vorprozessuale Einschaltung des "Hausanwaltes" der Beklagten zum Zwecke der
Abmahnung der Klägerin nicht erforderlich war.
Unter solchen Umständen entfällt ein Erstattungsanspruch sowohl nach den
Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag als auch nach
Schadensersatzrecht. Stützt man die Erstattung der Abmahnkosten mit der heute
vorherrschenden Ansicht auf einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag
(vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 41, Rdnr. 84),
dann stehe der Beklagten ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB nicht zu,
weil sie die Einschaltung eines Rechtsanwalts den Umständen nach nicht für
erforderlich halten durfte (vgl. Pastor/Ahrens/Scharen, Der Wettbewerbsprozeß,
4. Aufl., Kap. 18, Rdnr. 19). Sieht man die Abmahnkosten als Teil eines Schadens
an, den der Verletzer (hier etwa nach § 14 Abs. 6 MarkenG) zu ersetzen hat (vgl.
Teplitzky a.a.O., Kap. 41, Rdnr. 82), ist ebenfalls entscheidend, daß vorliegend
die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts nicht erforderlich war (vgl. Palandt/Heinrichs,
BGB, 60. Aufl., § 249, Rdnr. 21; Teplitzky, a.a.O.).
Im Bereich des Markenrechts ist ein solcher Fall zwar die Ausnahme (vgl. zum
allgemeinen Wettbewerbsrecht Pastor/Ahrens/Scharen, a.a.O., Kap. 18, Rdnr. 20),
hier ist er aber anzunehmen. Die der Würdigung zugrundeliegenden Tatsachen sind
seit dem Schriftsatz der Klägerin vom 17. März 2000 schon in erster Instanz
unstreitig gewesen. Es handelt sich um eine Vielzahl gleichgelagerter Verstöße,
bei denen immer wieder die aus den USA stammende Software "FTP-EXPLORER" von
Internet-Nutzern wie der Klägerin auf ihrer Internet-Seite zur Übernahme
angeboten wird. In der mündlichen Verhandlung war unwidersprochen von etwa 80
gleichgelagerten Fällen die Rede, deren Ermittlung mit Hilfe von Suchmaschinen
zu Serienabmahnungen der Beklagten bzw. ihres Hausanwaltes geführt habe. Da sich
die Anbieter des Programms im Markenrecht regelmäßig nicht auskennen, geben sie
- wie die Klägerin - nahezu alle auf Abmahnung sofort die geforderte
Unterlassungserklärung ab. Einziger Streitpunkt ist regelmäßig nur die
Kostennote des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten. Ein derartiges
"Massengeschäft" erfordert auch im Bereich des Markenrechts nicht die
Einschaltung eines Rechtsanwalts. Eine schematische Zuerkennung von Aufwendungen
für Rechtsanwaltskosten ist auch hier abzulehnen (vgl. Pastor/Ahrens/Scharen,
a.a.O.; Baumach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG, Rdnr. 555).
Vielmehr entfällt ein Ersatzanspruch, weil die Beklagte aufgrund ihrer Erfahrung
zu einer Abmahnung selbst im Stande war (Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., vor § 13,
Rdnr. 194). Für die Beklagte handelte es sich um eine alltägliche
Routineangelegenheit, bei der die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht geboten
war (vgl. Teplitzky, a.a.O., Kap. 41, Rdnr. 82; auch Gloy, Handbuch des
Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 60, Rdnr. 33). Dabei muss man besonders hier den
Zweck der Abmahnung im Auge behalten, den oft rechtsunkundigen Verletzer über
die Rechtslage zu belehren, mit seiner Unterlassungserklärung einen Rechtsstreit
zu vermeiden und so die Belastung der Gerichte gering zu halten (vgl. Teplitzky,
a.a.O.; Kap. 41, Rdnr. 3).
Die anwaltlichen Abmahnungen der Beklagten erreichen offensichtlich das
Gegenteil. Zwar unterwerfen sich die Abgemahnten in aller Regel sofort, es kommt
jedoch zu zahlreichen Prozessen über die Anwaltskosten, weil sie aus
verständlichen Gründen deren Notwendigkeit bezweifeln. Die Beklagte könnte sich,
wie die Klägerin schon in erster Instanz vorgetragen hat, ohne weiteres einen
Musterbrief für ihre Abmahnungen fertigen oder fertigen lassen. Auch ihr Anwalt
verwendet unstreitig Abmahnschreiben mit Textbausteinen und legt die Vollmacht
der Beklagten nur in Kopie vor. Übernähme die Beklagte diese Serienabmahnungen
selbst, dann würden als zu ersetzende Kosten regelmäßig nur die reinen
Portokosten und Kosten für Papier etc. entstehen (vgl. Pastor/Ahrens/Scharen,
a.a.O., Kap. 18, Rdnr. 18). Die Kosten könnten sogar, wie die Klägerin ebenfalls
bereits in erster Instanz vorgetragen hat, mit Hilfe des Internet noch niedriger
gehalten werden, was bei Markenverletzungen im Internet und hier besonders
naheliegt. Da es sich bei der Beklagten um ein Software-Haus handelt, und die
Verletzer sämtlich über einen Internet-Anschluss mit "E-Mail-Adresse" verfügen,
könnte die Abmahnung per "E-Mail" praktisch kostenlos erfolgen. Damit könnte die
Beklagte ihre markenrechtliche Position eben so gut wahren, weil sich die
Abgemahnten unstreitig in der Regel unterwerfen; in den übrigen Fällen könnte
sie immer noch ihren Anwalt mit der Rechtsverfolgung beauftragen. Auf der
anderen Seite würde das Interesse der Abgemahnten berücksichtigt, nicht trotz
ihrer umgehenden Unterwerfung mit von der Beklagten leicht zu vermeidenden
Kosten belastet zu werden. Die Beklagte hat sich gemäß § 670 BGB am Interesse
der Abgemahnten und daran zu orientieren, ob und inwieweit die Aufwendungen für
die Abmahnung angemessen sind und in einem vernünftigen Verhältnis zur Bedeutung
des Geschäfts und zum angestrebten Erfolg stehen (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., §
670, Rdnr. 4). Die Beklagte hätte berücksichtigen müssen, daß die Abmahnung
aufgrund ihrer Erfahrung mit diesen Serienabmahnungen ein einfaches Geschäft
war, das die Einschaltung ihres Rechtsanwalts nicht erforderte.
Ein Aufwendungsersatz der Rechtsanwaltskosten kann auch nicht damit begründet
werden, dass die Beklagte die Überwachung des Marktes und die Verfolgung von
Verstößen ihrem Rechtsanwalt übertragen hat. Diese Praxis wurde in der
mündlichen Verhandlung von dem anwesenden "Hausanwalt" der Beklagten nicht
bestritten, sondern verteidigt. Die Kosten solcher überwachungs- und
Vorbeugemaßnahmen sind aber kein zu ersetzender Schaden (vgl. Palandt/Heinrichs,
a.a.O., vor § 249, Rdnr. 44). Sie sind auch nicht als Kosten einer zweckmäßigen
Geschäftshaftung anzusehen. (Eine wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung des
Abmahnenden zum Abgemahnten kommt erst aufgrund einer tatsächlich begangenen
Verletzungshandlung und der darauf erklärten Abmahnung zustande (vgl. BGH NJW
95, 715, 716 - Kosten unbegründeter Abmahnung).
Aufgrund des geschilderten Sachverhalts bestehen hier im Gegenteil deutliche
Berührungspunkte zum Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (vgl. § 13 Abs. 5 UWG
und BGH NJW 2001, 371 - Vielfachabmahner), wobei die nachfolgenden Grundsätze
für das Lauterkeitsrecht entwickelt worden sind, aber auch gewisse Bedeutung für
die Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte haben. Das gilt schon allgemein,
denn wer unnötige Anwaltskosten für Abmahnungen veranlasst, setzt sich dem
Verdacht aus, dass er daraus eine selbständige Einnahmequelle für sich selbst
oder für einen nahestehenden, mit ihm zusammenwirkenden Anwalt machen will (vgl.
Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 13 UWG, Rdnr. 51; Pastor/Ahrens/Jestaedt, a.a.O.,
Kap. 25, Rdnr. 14). Umgekehrt kann selbstverständlich kein Aufwendungsersatz
verlangt werden, wo die Rechtsverfolgung mißbräuchlich ist (Melullis, Handbuch
des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdnr. 804).
Vor allem aber ist in der Regel von einem Rechtsmissbrauch auszugehen, wenn dem
Anwalt die Überwachung des Marktes und die Verfolgung von Verstößen weitgehend
ohne Kontrolle durch den Auftraggeber überlassen bleibt, er also das
Abmahngeschäft "in eigener Regie" betreibt (vgl. Pastor/Ahrens/Jestaedt, a.a.O.,
Kap. 25, Rdnr. 14; Melullis, a.a.O., Rdnr. 396; Köhler/Piper, a.a.O., § 13, Rdnr.
61). Es wurde bereits ausgeführt, dass der in der mündlichen Verhandlung
anwesende Hausanwalt der Beklagten seine derartige Praxis sogar verteidigt hat,
obwohl das bloße Betätigen der Suchmaschinen zwecks Aufspürung weiterer "FTP-Explorer"-Fälle
genausogut oder besser der insoweit fachkundigen Beklagten selbst überlassen
werden könnte.
Im übrigen haben die Klägerin und ihre Streithelferin von Anfang an
substantiiert und mit ungewöhnlicher Schärfe gerügt, die Abmahnungen würden ohne
jede Rücksprache mit der Partei allein auf Initiative des
Prozessbevollmächtigten der Beklagten durchgeführt und abgewickelt
(erstinstanzliche Schriftsätze vom 17. März und 18. September 2000). Die
Beklagte erteile auch nicht in jedem Einzelfall eine Vollmacht für die
Abmahnung. Ihr Anwalt dagegen belaste sie auch nicht mit deren Kosten, wenn
diese wider Erwarten uneinbringlich seien. Hier gehe es nicht um Markenschutz
sondern vorrangig um das "Abkassieren", und es sei gegen die Beklagte und deren
Prozeßbevollmächtigten bereits eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung von
Abmahnungen ergangen.
Es fällt auf, dass zu diesem Vortrag im umfangreichen Vorbringen der Beklagten
erst mit Schriftsatz vom 13. Februar 2001, also kurz vor der
Berufungsverhandlung, Stellung bezogen wurde, und zwar eher beiläufig am Ende
des Schriftsatzes (S. 13). Dort wird auch nur ausgeführt, auch die Beklagte
(gemeint wohl: die Klägerin) kritisiere in ihrem Schriftsatz vom 17. März 2000
die "berüchtigte Abmahnpraxis der Beklagten", gehe also davon aus, dass es sich
nicht um die Abmahnung des Verkehrsanwaltes der Beklagten handele. Daraus geht
nicht die Absicht hervor, diese Abmahnpraxis bestreiten zu wollen (§ 138 Abs. 3
ZPO), die in der mündlichen Verhandlung zudem ausdrücklich verteidigt wurde.
Wenn es in dem Vortrag der Beklagten weiter heißt, der Verkehrsanwalt erhalte
von ihr in jedem Einzelfall eine Vollmacht, und alle Fälle würden gegenüber der
Beklagten abgerechnet, dann schließt das nicht aus, dass bei Abmahnungen im
Einzelfall noch keine Vollmacht vorliegt und die Beklagte bei Uneinbringlichkeit
nicht mit den Kosten der Abmahnung belastet wird, wie die Klägerin behauptet
hatte.
In solchen Fällen ist ein Rückgriff auf § 13 Abs. 5 UWG auch dann unentbehrlich,
wenn ein Gewerbetreibender zwar entweder unmittelbar Verletzter oder aus § 13
Abs. 2 Nr. 1 UWG klagebefugt ist, aber Wettbewerbsverstöße in erster Linie aus
Gewinninteresse (unter Umständen zugunsten eines ihm nahestehenden Anwalts)
mittels Abmahnung und Klage verfolgt (Köhler/Piper, a.a.O.). Es ist nicht Sinn
des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG den Gewerbetreibenden die Möglichkeit zu geben,
unabhängig von jedem vernünftigen wirtschaftlichen Interesse ihres Unternehmens
als selbsternannte Wettbewerbshüter Wettbewerbsverstöße jeglicher Art zu
verfolgen. Die Missbrauchsklausel des § 13 Abs. 5 UWG hat die Funktion eines
Korrektivs gegenüber der weitgefassten Anspruchsberechtigung der Wettbewerber
(BGH NJW 2001, 371, 372 - Vielfachabmahner). § 13 Abs. 5 UWG steht dafür, daß
eine Tätigkeit, die vorwiegend dazu dient, einen Anspruch auf Ersatz von
Aufwendungen entstehen zu lassen, nicht geduldet werden soll
(Pastor/Ahrens/Scharen, a.a.O., Kap. 18, Rdnr. 13).
Danach bedarf keiner Entscheidung mehr, wie es sich auswirkt, dass nach der
Rechtsprechung des Senats bei der Abmahnung die Vorlage einer Vollmachtsurkunde
erforderlich ist (NJWE-Wettbewerbsrecht 99, 263).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10,
713 ZPO. Berufungsstreitwert und Beschwer der Beklagten: 1.633,80 DM.
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