Urteile
zur Abmahnung
BGH,
Urteil vom 12.12.2006, Az: VI ZR 175/05
Ist in
einem einfach gelagerten Schadensfall die
Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung
von vornherein nach Grund und Höhe klar, so ist es auch
außerhalb des Wettbewerbsrechts nicht erforderlich,
schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens
gegenüber dem Schädiger einen Rechtsanwalt
hinzuzuziehen. Vielmehr ist der Geschädigte in derart
einfach gelagerten Fällen grundsätzlich gehalten, den
Schaden zunächst selbst geltend zu machen. Die sofortige
Einschaltung eines Anwalts kann sich nur unter
besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen,
wenn etwa der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher
Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie etwa Krankheit
oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden
selbst anzumelden.
LG Bielefeld, Beschluss vom 2.6.2006, Az. 15 O
53/06
1. Ein wesentliches Indiz für Rechtsmissbrauch i.S.v. §
8 Abs. 4 UWG liegt in einem massenhaften Vorgehen (hier:
100 Abmahnungen innerhalb weniger Tage, die sämtlich die
gleichen Wettbewerbsverstöße betreffen). Weitere
Umstände, die sachfremde Motive indizieren, liegen vor,
wenn zugleich sehr fraglich ist, ob die geltend
gemachten Unterlassungsansprüche überhaupt bestehen.
2. Wenn das Bestehen der erhobenen
Unterlassungsansprüche mangels höchstrichterlicher
Klärung zweifelhaft ist, entspricht es "normalem
wettbewerbsrechtlichen Verhalten", einige Fälle
exemplarisch herauszugreifen, um die aufgeworfenen
Fragen gegebenenfalls einer höchstrichterlichen Klärung
zuzuführen. Massenhaftes Vorgehen deutet hingegen auf
sachfremde Erwägungen hin, insbesondere in dem Sinne,
dass das Verhalten darauf angelegt ist, ohne große
Risiken möglichst viel an Gebühren, wie sie mit den
Abmahnungen eingefordert wurden, zu erzielen
LG München, Urteil vom 4.4.2006, Az. 33 0
15828/05
Die außergerichtlich und im Laufe des Verfahrens
vorgetragenen rechtlichen Ausführungen beider Parteien
können zeigen, dass es sich nicht um einen einfach
gelagerten Standardfall handelt, bei dem es dem Kläger
zuzumuten war, auf den Beklagten ohne anwaltliche Hilfe
zuzugehen.
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 9.2.2006, Az: 6 U
94/05
Da die Einrichtung einer Rechtsabteilung nicht verlangt
werden kann, kann ein Unternehmen, welches über eine
Rechtsabteilung verfügt, grundsätzlich nicht gehalten
sein, ihrer Rechtsabteilung anstelle eines Anwalts die
Ahndung von Rechtsverstößen zu übertragen, und zwar auch
dann nicht, wenn die Rechtsabteilung, wie die der
Klägerin, mit vier auch auf dem Gebiet des
Wettbewerbsrechts ausgebildeten Juristen besetzt ist.
Denn diese Juristen haben zunächst die Aufgabe, das
Wettbewerbsverhalten des eigenen Unternehmens zu prüfen
und dieses zu beraten. Demgegenüber gehört es keineswegs
zu den ureigenen Aufgaben eines kaufmännischen
Unternehmens, Wettbewerbsverstöße von Mitbewerbern zu
verfolgen.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war erforderlich
wenn der Verletzte ungeachtet der Eindeutigkeit des
Wettbewerbsverstoßes nicht damit rechnen musste, dass
eine von ihm selbst verfasste Abmahnung Erfolg haben
werde, das heißt zur Abgabe einer Unterwerfungserklärung
führen werde (hier: Fülle der mit der Beklagten
geführten Rechtsstreitigkeiten).
LG Köln,
Urteil v. 23.11.2005, Az: 28 S 6/05
1.Selbst bei massenhaft gleichgelagerten Fällen, die
routinemäßig für denselben Berechtigten mittels
„Textbausteinen“ abgemahnt werden, ist die Einschaltung
eines Rechtsanwalts erforderlich, wenn für die
Beurteilung Rechtsfragen von einem Schwierigkeitsgrad
relevant sind, die auch ein für den Beeinträchtigten
tätiger Volljurist nicht sicher beherrschen muss. Dies
ist bei einer unklaren gesetzlichen Grundlage der
anzuwendenden Vorschrift der Fall
2. Daraus, dass ein Unternehmen über eine eigene
Rechtsabteilung verfügt, kann daher gerade nicht ohne
weiteres der Schluss gezogen werden, die Einschaltung
eines Rechtsanwaltes sei nicht erforderlich. Auch unter
Berücksichtigung von § 254 Abs. 2 S. 1 BGB besteht keine
Pflicht, eine entsprechend geschulte Arbeitskraft
vorzuhalten, nur um dem Verletzer die Kosten der
Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zu ersparen.
3. Massenweise, mittels weitgehend wortidentischer
Schriftsätze betriebene Abmahnungen sind dann nicht
rechtsmißbräuchlich, wenn mit ihnen auch eine Vielzahl
von Rechtsverletzungen verfolgt wird. Alleine aus der
quantitativen Anzahl lässt sich noch kein zwingender
Rückschluss auf einen Missbrauch ziehen.
LG Berlin, Urteil vom 30.8.2005, Az. 15 S 3/05
Bei einem anwaltlichen Selbstauftrag (hier: wegen einer
unerbetenen Werbe-E-Mail) können die Kosten eines
Abschlussschreibens nicht nach den Grundsätzen über die
Geschäftsführung ohne Auftrag oder als Schaden ersetzt
verlangt werden, wenn es sich um einen unschwer zu
erkennenden Rechtsverstoß handelt.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.8.2005, Az. I-20 U
42/05, 20 U 42/05
Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abmahnung eines
Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht ist dann nicht
notwendig, wenn der Abmahnende selbst über eine
hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden
Wettbewerbsverstoßes verfügt. Ein Rechtsanwalt muss im
Fall der eigenen Betroffenheit seine Sachkunde bei der
Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes einsetzen. Die
Hinzuziehung eines weiteren Rechtsanwalts ist bei
typischen, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen
nicht notwendig. Es besteht dann kein Anspruch auf
Erstattung dafür anfallender Kosten. Entsprechendes gilt
für den Fall der Selbstbeauftragung.
LG Hamburg, Urteil vom 3.5.2005, Az. 312 O 75/05
Die für eine anwaltliche Abmahnung des
Wettbewerbsverletzers entstandenen Abmahnkosten sind als
erforderliche Aufwendungen i.S.d. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG
von dem Abgemahnten zu ersetzen. Ein Unternehmen (hier:
Premiere) ist nicht verpflichtet, seine Rechtsabteilung
personell so auszustatten, dass sie Rechtsverletzungen
der hier vorliegenden Art (Vertrieb von Geräten, um
Zugangskontrollen des Pay TV-Senders zu umgehen) mit
eigenen Mitarbeitern verfolgen kann. Dies würde zu
erheblichen organisatorischen und finanziellen
Mehrbelastungen führen, die unzumutbar sind und auf die
Schädiger keinen Anspruch haben.
AG Charlottenburg, Urteil vom 5.11.2004, Az. 234
C 127/04
Im Medienrecht ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts
zum Zweck der Herbeiführung einer außergerichtlichen
strafbewehrten Unterlassungserklärung grundsätzlich
erforderlich, insbesondere bei einer nachhaltigen
Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Veröffentlichung
einer herabsetzenden, die Intimsphäre des Verletzten
betreffenden Falschangabe auf der Titelseite einer
Publikumszeitschrift.
BGH,
Urteil vom 06.05.2004, AZ: I ZR 2/03
Ein Rechtsanwalt kann die Gebühren aus einem sich selbst
erteilten Mandat zur Abmahnung aufgrund eigener
wettbewerbsrechtlicher Ansprüche nicht nach den
Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag oder
als Schaden ersetzt verlangen, wenn es sich um einen
unschwer zu erkennenden Wettbewerbsverstoß handelt
(hier: Verstoß gegen die Berufsordnung für
Rechtsanwälte).
BGH, Urteil vom 29.4.2004, Az.: I ZR 233/01
Eine Gegenabmahnung ist vielmehr nur dann ausnahmsweise
veranlasst, wenn die Abmahnung in tatsächlicher und/oder
rechtlicher Hinsicht auf offensichtlich unzutreffenden
Annahmen beruht, bei deren Richtigstellung mit einer
Änderung der Auffassung des vermeintlich Verletzten
gerechnet werden kann, oder wenn seit der Abmahnung ein
längerer Zeitraum verstrichen ist und der Abmahnende in
diesem entgegen seiner Androhung keine gerichtlichen
Schritte eingeleitet hat. Denn nur in solchen Fällen
entspricht eine Gegenabmahnung dem mutmaßlichen Willen
und dem Interesse des Abmahnenden und kann der
Abgemahnte daher die Kosten der Gegenabmahnung erstattet
verlangen.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2001, Az.: 20 U
194/00
Die Kosten für die Beauftragung eines Anwalts mit der
Abmahnung von Rechtsverletzungen sind mangels
Erforderlichkeit des Auftrags weder wegen GoA noch als
Schadensersatz zu erstatten, wenn es in einer
Routineangelegenheit um Serienabmahnungen einer Vielzahl
von Verletzern wegen gleichartiger Verstöße geht.
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