Abmahnung - Kosten für einen Anwalt
BGH
Urteil vom 12.12.2006
Az: VI ZR 175/05
Tatbestand:
Der Kläger ist Rechtsanwalt und macht Gebühren aus
einem sich selbst erteilten Mandat für ein Abmahnschreiben geltend.
Der Kläger erhielt von
den Beklagten am 22. September 2004 auf seinem beruflich genutzten
Telefonanschluss einen Anruf, in dem diese für Immobilienwertgutachten warben.
Er stand mit den Beklagten weder in geschäftlichem Kontakt noch konnte vermutet
werden, er sei mit derartigen Anrufen einverstanden. Der Kläger forderte die
Beklagten mit Schreiben vom 23. September 2004 erfolgreich zur Abgabe einer
strafbewehrten Unterlassungserklärung auf (Abmahnung). Die Beklagten
verweigerten jedoch die Zahlung von Anwaltsgebühren für diese Abmahnung.
Die Klage auf Zahlung der Anwaltsgebühren in Höhe
von 740,88 € (und über weitere 2 € für das in dem zuvor durchgeführten
Mahnverfahren benutzte Formular) hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufung
des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat Ansprüche des Klägers auf
Schadensersatz gemäß §§ 823, 249 BGB und auf Aufwendungsersatz nach den Regeln
der Geschäftsführung ohne Auftrag verneint. Die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen sei zu verallgemeinern.
Bei typischen, unschwer zu erkennenden und zu verfolgenden Rechtsverletzungen
habe der Betroffene seine eigene Sachkunde einzusetzen. Als Abmahnung - um ein
Kostenrisiko nach § 93 ZPO zu vermeiden - habe ein einfaches
Unterlassungsverlangen genügt. Für den Kläger als Rechtsanwalt sei es nicht
erforderlich gewesen, hiermit einen anderen Anwalt zu beauftragen. Es bestehe
deshalb auch bei einem Selbstauftrag kein Gebührenanspruch.
II.
Das angefochtene Urteil
hält den Angriffen der Revision stand.
Einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch hat das
Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint. Ein solcher Anspruch besteht nicht,
weil es wegen der erfolgreichen Abmahnung zu einem Rechtsstreit im Sinne des §
91 Abs. 1 ZPO nicht gekommen ist.
Ebenso wenig haben die Beklagten nach materiellem
Recht Anwaltsgebühren des Klägers zu zahlen. Das Berufungsgericht hat einen
Gebührenanspruch des Klägers aus dem sich selbst erteilten Mandat für das
Abmahnschreiben vom 23. September 2004 fehlerfrei verneint.
1. Einen materiellrechtlichen
Kostenerstattungsanspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG hat das Berufungsgericht
mit Recht nicht in Betracht gezogen. Der Kläger gehört nicht zu dem in § 8 Abs.
3 UWG (in der seit 8. Juli 2004 in Kraft getretenen Fassung - § 22 UWG)
genannten Kreis der Anspruchsberechtigten; insbesondere ist er kein Mitbewerber
im Sinne von §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.
2. Ein
materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch außerhalb des Wettbewerbsrechts
steht dem Kläger ebenfalls nicht zu. Das Berufungsgericht hat insbesondere einen
Anspruch des Klägers auf Schadensersatz gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB im
Ergebnis zu Recht verneint, ohne dass es darauf ankommt, ob sich bei
unerwünschter Telefonwerbung ein Anspruch aus einer Verletzung des Rechts des
Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. dazu Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 7 UWG Rn. 33 m.w.N.) oder aus einer Verletzung
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers (vgl. MünchKomm-BGB/Ergänzungsband-Wendehorst,
4. Aufl., § 1 BGBInfoV Rn. 150; Beck’scher Online Kommentar-BGB, § 12 Rn. 153;
Böhm, MMR 1999, 643, 644) ergeben könnte.
Zwar gehören zu den bei einer Schädigung gemäß §§
823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Herstellungskosten regelmäßig die
Kosten der Rechtsverfolgung, so dass auch die Kosten eines Rechtsanwalts
erstattungsfähig sein können. Ein Schädiger hat nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs jedoch nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis
(hier: den unerbetenen Werbeanruf) adäquat verursachten Anwaltskosten zu
ersetzen, sondern nur solche, die aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten
mit Rücksicht auf seine spezielle Situation (sogenannte “subjektbezogene
Schadensbetrachtung”; vgl. Senat, BGHZ 66, 239, 245, 248 f.; 115, 364, 369; 155,
1, 5; 163, 362, 365; Urteil vom 7. Dezember 2004 - VI ZR 119/04 - VersR 2005,
381) zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl.
Senat, BGHZ 127, 348, 350 f.; Urteile vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05 - VersR
2006, 521, 522, jeweils m.w.N.). Daran fehlt es.
a) Im Wettbewerbsrecht
ist die Beauftragung eines Anwalts für Abmahnungen - sowohl unter dem
Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag als auch unter
schadensersatzrechtlichem Blickwinkel - nicht erforderlich, wenn bei typischen,
unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen der Abmahnende über hinreichende
eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung verfügt (BGH, Urteil
vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03 - NJW 2004, 2448 “Selbstauftrag”). Diese wird vom
Gesetzgeber insbesondere bei Einrichtungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4
UWG vorausgesetzt (vgl. Begr. RegE UWG-Novelle 2004, BT-Drs. 15/1487, S. 25, zu
§ 12 Abs. 1). Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH,
Urteil vom 12. April 1984 - I ZR 45/82 - NJW 1984, 2525 “Anwaltsabmahnung”),
nach der auch größeren Wirtschaftsunternehmen mit eigener Rechtsabteilung und
Rechtsanwälten im Fall der eigenen Betroffenheit regelmäßig zuzumuten ist,
Abmahnungen selbst auszusprechen (BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03 - aaO;
ebenso OLG Düsseldorf, MMR 2006, 559, 560; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, aaO, § 9
Rn. 1.29 und § 12 Rn. 1.93; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG, § 12 Rn. 29; Brüning
in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 12 Rn. 85; Boesche,
Wettbewerbsrecht, Rn. 156).
b) Vergleichbare Grundsätze gelten auch außerhalb
des Wettbewerbsrechts. Ist in einem einfach gelagerten Schadensfall die
Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach
Grund und Höhe derart klar, dass aus der Sicht des Geschädigten kein
vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres
seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, so ist es im Allgemeinen auch nach der
ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats aus der Sicht des Geschädigten
zur Schadensbeseitigung nicht erforderlich, schon für die erstmalige
Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger einen Rechtsanwalt
hinzuzuziehen. Vielmehr ist der Geschädigte in derart einfach gelagerten Fällen
grundsätzlich gehalten, den Schaden zunächst selbst geltend zu machen. Die
sofortige Einschaltung eines Anwalts kann sich nur unter besonderen
Voraussetzungen als erforderlich erweisen, wenn etwa der Geschädigte aus Mangel
an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie etwa Krankheit oder
Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (vgl. Senat,
BGHZ 127, 348, 351 f.; Urteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 188/05 - zur
Veröffentlichung bestimmt).
Hiernach erweist sich die
sofortige Einschaltung eines Anwalts auch aus der Sicht des Geschädigten dann
als nicht erforderlich, wenn er selbst über eigene Fachkenntnisse und
Erfahrungen zur Abwicklung des konkreten Schadensfalles verfügt. Dieses Wissen
hat er besonders in den oben beschriebenen, einfach gelagerten, aus seiner Sicht
zweifelsfreien Fällen bei der erstmaligen Geltendmachung des Schadens
einzusetzen (vgl. MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Aufl., § 249 Rn. 175;
Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung, 1985, S. 56 [der dies freilich
im Rahmen des § 254 BGB prüft]; ähnlich Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., § 249
Rn. 62; Dornwald SP 1995, 97; Höfle AnwBl 1995, 208 = DAR 1995, 69; wohl auch
Klingelhöffer jurisPR-BGHZivilR 25/04, Anm. 4; kritisch Nixdorf VersR 1995, 257,
258 ff.).
Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht im
vorliegenden Fall zu Recht einen Erstattungsanspruch versagt (ähnlich AG
Hamburg-Altona MDR 2002, 167). Nach den von der Revision nicht angegriffenen
tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts war weder die Identität des
Anrufers noch die Widerrechtlichkeit des ohne Einwilligung erfolgten Anrufs
zweifelhaft, sondern stand von Anfang an fest. Der Kläger stand mit den
Beklagten nicht in geschäftlichem Kontakt; Anlass für eine Vermutung, der Kläger
sei mit derartigen Anrufen einverstanden, bestand nicht. Entgegen der Ansicht
der Revision wäre selbst bei einer - hier mangels eines Wettbewerbsverhältnisses
nicht möglichen - Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG für die Prüfung einer
“unzumutbaren Belästigung” keine “diffizile Abwägung” nötig. Die Revision zeigt
auch keinen Vortrag des Klägers auf, der dagegen spräche, dass der konkrete Fall
- in dem der Anrufer von Anfang an seine Identität preisgegeben hatte - nicht
mit dem ersten Unterlassungsschreiben (Abmahnung) hätte erledigt werden können
(vgl. Senat, BGHZ 127, 348, 352).
Jedenfalls genügte
außerhalb des wettbewerbsrechtlichen Bereichs unter den festgestellten und von
der Revision nicht beanstandeten Umständen des Falles ein einfaches
Unterlassungsschreiben zur Vermeidung eventueller Kostenrisiken (§ 93 ZPO). Ein
solches stellte für den Kläger - der nach den nicht angegriffenen Feststellungen
des Berufungsgerichts schon mehrfach als Partei oder Prozessbevollmächtigter in
den ähnlich gelagerten Fällen einer unerwünschten E-Mail-Werbung (hierzu Senat,
Urteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 188/05 - zur Veröffentlichung bestimmt)
aufgetreten war - ein reines Routinegeschäft dar. Die von der Revision erwogenen
Probleme, die sich bei unerbetener Telefonwerbung etwa im Hinblick auf eine
Vermutung des Einverständnisses oder die unklare Identität des Anrufers ergeben
könnten, stellen sich nach den tatsächlichen Feststellungen des
Berufungsgerichts im Streitfall nicht.
Bestand nach allem in dem hier zu entscheidenden
Fall kein Anspruch auf Erstattung von Kosten eines anderen Anwalts, gilt
Entsprechendes auch für den Fall der Selbstbeauftragung (vgl. BGH, Urteil vom 6.
Mai 2004 - I ZR 2/03 - aaO).
Allein die zeitliche Inanspruchnahme des
Geschädigten für die Rechtsverfolgung reicht nicht aus, um die
Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten zu begründen (vgl. Senat, BGHZ 66, 112,
114; 127, 348, 352; BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03 - aaO; kritisch
Staudinger/Schiemann, BGB, 13. Bearbeitung, § 251 Rn. 125 f.). Auch geht es
vorliegend um einen Einzelfall, so dass es keiner Entscheidung bedarf, ob eine
große Anzahl von Schadensfällen zu einer anderen Beurteilung führen könnte (vgl.
Senat, BGHZ 127, 348, 352).
Die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach ein
Rechtsanwalt, der sich selbst vor dem Prozessgericht vertritt, stets einen
Anspruch auf Kostenerstattung wie ein mit dem Vertretenen nicht
personenidentischer Rechtsanwalt hat, steht dem nicht entgegen. Sie kann als
Sonderregelung für das gerichtliche Verfahren im außergerichtlichen Bereich
keine Anwendung finden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03 - aaO
m.w.N.).
3. Schuldeten hiernach
die Beklagten nicht die Bezahlung der Anwaltsgebühren, so besteht auch kein
Anspruch des Klägers aus Verzug auf Erstattung von 2 € für das im Mahnverfahren
benutzte Formular.
4. Ob als Anspruchsgrundlage auch - wie die Revision
andeutet - die §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) in
Betracht gekommen wären (ständige Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht vor
Einführung des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG seit BGHZ 52, 393 ff. “Fotowettbewerb”),
kann dahinstehen. Gemäß § 670 BGB sind nur “erforderliche” Aufwendungen zu
ersetzen. Insoweit gilt Gleiches wie bereits ausgeführt.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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