BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 2/03
Verkündet am: 6. Mai 2004
Selbstauftrag
BGB § 683, UWG §§ 1, 3, 13 Abs. 6
Ein Rechtsanwalt kann die Gebühren aus einem sich selbst
erteilten Mandat zur Abmahnung aufgrund eigener
wettbewerbsrechtlicher Ansprüche nicht nach den
Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag oder
als Schaden ersetzt verlangen, wenn es sich um einen
unschwer zu erkennenden Wettbewerbsverstoß handelt
(hier: Verstoß gegen die Berufsordnung für
Rechtsanwälte).
BGH, Urt. v. 6. Mai 2004 - I ZR 2/03 - LG Magdeburg AG
Magdeburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im
schriftlichen Verfahren, in dem bis zum 10. März 2004
Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter
Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
Dr. Schaffert
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des
Landgerichts Magdeburg vom 19. Dezember 2002 wird auf
Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger sind Rechtsanwälte. Die Beklagte zu 4 war
Rechtsanwältin in einer Anwaltssozietät, in der auch die
Beklagten zu 1 bis 3 tätig waren. Da der Briefkopf der
Beklagten für die Beklagte zu 4 fünf
Tätigkeitsschwerpunkte enthielt, obwohl § 7 Abs. 1 Satz
1 BORA vorschreibt, daß ein Rechtsanwalt nur drei
Tätigkeitsschwerpunkte als Teilbereiche seiner
Berufstätigkeit angeben darf, mahnten die Kläger die
Beklagten wegen dieses Verstoßes ab. Die Beklagte zu 4
gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung
ab.
Mit der Klage verlangen die in eigener Sache tätig
gewordenen Kläger als Abmahnkosten die Erstattung ihrer
Anwaltsgebühren in Höhe von 640,14 €.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, die dagegen
gerichtete Berufung der Kläger ist ohne Erfolg
geblieben.
Mit ihrer (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung
die Beklagten beantragen, verfolgen die Kläger ihre
Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein
Erstattungsanspruch der Gebühren aus der
Selbstbeauftragung der Kläger bestehe nicht, da die
Beauftragung eines Rechtsanwalts für die von den Klägern
vorgenommene Abmahnung nicht erforderlich gewesen sei.
Zwar werde bei einem Wettbewerbsverstoß die
Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts und
damit die Erstattungsfähigkeit der dadurch veranlaßten
Kosten regelmäßig bejaht.
Dies gelte aber nicht, wenn der Abmahnende aufgrund
eigener Erfahrung zu einer derartigen Abmahnung selbst
imstande sei. Eine solche hinreichende eigene Kenntnis
könne bei einem Rechtsanwalt bezüglich eines
Wettbewerbsverstoßes durch werbende Angaben entgegen der
eigenen Berufsordnung angenommen werden. Daran scheitere
ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag als auch
aus Schadensminderungsgesichtspunkten ein möglicher
Schadensersatzanspruch.
II. Das Berufungsgericht hat den Anspruch auf Ersatz der
Anwaltskosten für die Abmahnung in eigener Sache wegen
eines Verstoßes gegen die anwaltliche Berufsordnung zu
Recht verneint.
1. a) Aufwendungen für eine Abmahnung sind unter dem
Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag von
dem Verletzer nur zu erstatten, wenn sie zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Das
gilt auch hinsichtlich der Kosten für die Beauftragung
eines Rechtsanwalts (BGHZ 52, 393, 399 f. -
Fotowettbewerb). Auszugehen ist dabei von dem
mutmaßlichen Willen (§ 683 BGB) des Abgemahnten, die
Aufwendungen für eine Abmahnung möglichst niedrig zu
halten (BGHZ 52, 393, 400 - Fotowettbewerb; BGH, Urt. v.
12.4.1984 - I ZR 45/82, GRUR 1984, 691, 692 = WRP 1984,
405 - Anwaltsabmahnung).
b) Entsprechende Erwägungen sind für die Entscheidung
der Frage maßgeblich, ob die Gebühren des abmahnenden
Rechtsanwalts als eigener Schaden (§§ 1, 3, 13 Abs. 6
UWG) zu erstatten sind. Die Feststellung, daß die
Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Verfolgung des
Rechtsverstoßes nicht als notwendig anzusehen ist und
deshalb auch nicht dem mutmaßlichen Willen des
Geschäftsherrn i.S. des § 683 BGB, hier des abgemahnten
Verletzers, entspricht, steht zwar nicht von vornherein
der Beurteilung entgegen, ob die entstandenen Kosten ein
aus der Verletzungshandlung herrührender adäquater
Schaden sind (OLG Karlsruhe WRP 1996, 591, 593;
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl.
UWG Rdn. 552; a.A. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche
Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 41 Rdn. 82
m.w.N.). Aber auch unter schadensersatzrechtlichen
Gesichtspunkten ist danach zu fragen, ob die eingesetzte
Maßnahme - hier die Selbstbeauftragung - aus der Sicht
des Geschädigten zur Schadensbeseitigung erforderlich
war (BGHZ 127, 348, 352).
Auch wenn es sich um ein - hier zu unterstellendes - die
Kläger schädigendes schuldhaftes wettbewerbswidriges
Verhalten der Beklagten handelte, muß doch die
Einschaltung eines Rechtsanwalts von der Sache her
erforderlich sein. Allein die zeitliche Inanspruchnahme
des Geschädigten durch die Schadensbearbeitung kann
nicht ausreichen, um die Erstattungsfähigkeit der Kosten
aus der Beauftragung des Rechtsanwalts zu begründen (BGHZ
127, 348, 352). Es ist vielmehr jeweils zu prüfen, ob
der Geschädigte im einzelnen Schadensfall die
Heranziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten
durfte, was in einfach gelagerten Fällen in der Regel zu
verneinen sein wird (BGHZ 127, 348, 352).
2. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abmahnung
eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht ist dann
nicht notwendig, wenn der Abmahnende selbst über eine
hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden
Wettbewerbsverstoßes verfügt.
Schon bei Unternehmen mit einer eigenen Rechtsabteilung
oder bei Verbänden zur Förderung gewerblicher
Interessen, die in der Lage sind, typische und
durchschnittlich schwer zu verfolgende
Wettbewerbsverstöße ohne anwaltlichen Rat zu erkennen,
sieht die Rechtsprechung die Beauftragung eines
Rechtsanwalts mit der Abmahnung eines solchen Verstoßes
als nicht erforderlich an. Die Erstattung der für eine
Abmahnung gegebenenfalls aufgewendeten Anwaltsgebühren
kann dann nicht verlangt werden (st. Rspr., BGH GRUR
1984, 691, 692 - Anwaltsabmahnung, m. Anm. Jacobs;
Beschl. v. 18.12.2003 - I ZB 18/03, WRP 2004, 495, 496 -
Auswärtiger Rechtsanwalt IV, m.w.N.).
Erst recht muß ein Rechtsanwalt im Fall der eigenen
Betroffenheit seine Sachkunde bei der Abmahnung eines
Wettbewerbsverstoßes einsetzen. Die Zuziehung eines
weiteren Rechtsanwaltes ist bei typischen, unschwer zu
verfolgenden Wettbewerbsverstößen nicht notwendig. Es
besteht dann kein Anspruch auf Erstattung dafür
anfallender Kosten. Entsprechendes gilt für den Fall der
Selbstbeauftragung.
Daran gemessen hat das Berufungsgericht den Klägern zu
Recht einen Erstattungsanspruch versagt. Der
Anwendungsbereich der Berufsordnung für Rechtsanwälte
gehört typischerweise zur Sachkunde des abmahnenden
Rechtsanwalts und wirft entgegen der Meinung der
Revision keine schwierigen Rechtsfragen auf, auch soweit
in diesem Zusammenhang Verfassungsrecht erwogen wird.
3. Die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO, wonach ein
Rechtsanwalt, der sich selbst vor einem Prozeßgericht
vertritt, einen Anspruch auf Kostenerstattung wie ein
bevollmächtigter Rechtsanwalt hat, kann als
Sonderregelung für das gerichtliche Verfahren auf die
außergerichtliche Abmahnung keine Anwendung finden (BGH,
Beschl. v. 17.10.2002 - AnwZ (B) 37/00, JurBüro 2003,
207 für den Fall der Selbstvertretung im
berufsrechtlichen Verfahren; ebenso: BFHE 108, 574, 575
f. = NJW 1973, 1720 und BFHE 104, 306, 307 ff. für das
außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren).
III. Danach ist die Revision der Kläger zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
|