Das
Widerrufsrecht - Fristbeginn und Fristende
Das Widerrufsrecht für einen Verbraucher bei
Fernabsatzverträgen ergibt sich aus § 312 d BGB.
Fristbeginn:
-
Die Widerrufsfrist beträgt grundsätzlich zwei
Wochen (§§ 312 d I 1, 355 I 2 BGB) und
beginnt nach Widerrufsbelehrung (§ 355 II 1
BGB, diese muss deutlich gestaltet sein und in
der Textform des § 126 b BGB erteilt werden; nur
eine vollständig zutreffende Belehrung löst den
Fristbeginn aus!) und nach Erfüllung der
nachvertraglichen Informationspflichten (§
312 c II BGB, die Widerrufsbelehrung deckt sich
nicht vollständig mit den Pflichtangaben zum
Widerruf nach § 1 I Nr. 10 BGB-InfoV).
-
Bei Waren ist zusätzlich erforderlich,
dass diese beim Empfänger eingegangen ist.
Der Verbraucher soll die Möglichkeit haben, die
Waren zu untersuchen und dann noch zu
widerrufen. Ohne diese Regelung könnte der
Unternehmer die Lieferung verzögern und damit
die Untersuchungsmöglichkeit des Verbrauchers
vereiteln. Daraus folgt auch:
- bei einer unvollständigen Lieferung beginnt
die Widerrufsfrist nicht zu laufen!
Siehe dazu auch
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom
28.11.2001, Az.
9 U
148/01.
- bei der Lieferung von verschiedenen nicht
zusammenhängenden Einzelposten (z.B. mehrere
Bücher, DVDs usw.) beginnen mit der jeweiligen
Warenlieferung separate Fristen zu laufen.
- bei der wiederkehrenden Lieferung
gleichartiger Waren beginnt die Widerrufsfrist
mit der ersten Teillieferung.
-
Bei Dienstleistungen beginnt die
Widerrufsfrist erst nach Vertragsschluss.
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Sonderproblem: Angabe der Telefonnummer in der
Widerrufsbelehrung: Der Widerruf muss in
Textform erfolgen (§ 355 I 2 BGB), ebenso ein
Rücknahmeverlangen (§§ 355 I 2, 356 II 2 BGB).
Umstritten ist, ob die Angabe einer
Telefonnummer wettbewerbswidrig ist, weil sie
Verbraucher über die Form der Ausübung des
Widerrufs- bzw. Rückgaberechts in die Irre
führen könnte. Wenn innerhalb der Erklärung aber
klar auf die Textform abgestellt wird, erscheint
ein Irrtum eher zweifelhaft. Das OLG Frankfurt
(Urteil vom 17.6.2004, Az. 6 U 158/03) sieht das
anders und hat entschieden, dass die Angabe der
Telefonnummer wettbewerbswidrig sein kann. Das
KG beurteilt dies differenzierter und sieht die
Angabe beim Rückgaberecht als unschädlich an (KG
Berlin, Urteil vom 7.9.2007, Az. 5 W 266/07).
Anbietern ist derzeit zu raten, auf die Nennung
der Telefonnummer in diesem Zusammenhang zu
verzichten, auch um den Fristbeginn nicht zu
gefährden!
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Sonderproblem: Fristbeginn bei eBay:
Umstritten ist folgende Formulierung einer
Widerrufsbelehrung: "Die Frist beginnt
frühestens mit Erhalt dieser Belehrung." Die
Frist beginnt frühestens mit Erhalt der in
Textform zu erteilenden Widerrufsbelehrung zu
laufen, nicht jedoch vor dem Tag des Eingangs
der Ware beim Verbraucher. Das OLG Hamm hat den
genannten Passus daher für irreführend gehalten.
Verbraucher könnten annehmen, die Frist beginne
bereits mit Kenntnisnahme der am Monitor
sichtbaren Belehrung (OLG
Hamm, Urteil vom 15.3.2007, Az. 4 W 1/07),
K&R 2007, 324; ebenso OLG Hamburg, Urteil vom
4.4.2007, Az. 5 W 44/07, OLG Naumburg, Urteil
vom 13.7.2007, Az. 10 U 30/07 (Hs), KG Berlin,
Urteil vom 9.10.2007, Az. 5 W 264/07;
KG Berlin, Urteil vom 5.12.2006, Az. 5 W 295/06).
Das OLG Hamburg hat dann aber eine Trendwende
eingeleitet und dies damit begründet, dass die
Formulierung dem Mustertext gem. Anlage 2 zu §
14 BGB-InfoV entspreche. Das Gericht nahm daher
einen nur unerheblichen Gesetzesverstoß an (§ 3
UWG). Dem Gewerbetreibenden könne keine bessere
Formulierung als dem Gesetzgeber abverlangt
werden.
Als genügend sah das OLG Köln die Formulierung
"Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der
Ware und dieser Erklärung" an, vgl.
OLG Köln, Urteil vom 3.8.2007, Az. 6 U 60/07.
Fristende
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Im Regelfall endet die Frist zwei Wochen nach
Fristbeginn.
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Erfolgt die Widerrufsbelehrung erst nach
Vertragsschluss (z.B. wenn der Vertrag erst
durch die Aussonderung der Ware durch den
Unternehmer geschlossen wird), endet die Frist
erst einen Monat nach Fristbeginn (§ 355
II 2 BGB)
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Bei einer fehlerhaften oder unterlassenen
nachvertraglichen Information nach § 312 c
II endet die Frist erst sechs Monate nach
Vertragsschluss bzw. Warenlieferung.
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Die Frist endet nie bei einer
versäumten Widerrufsbelehrung (§ 355 III 3
BGB)
-
Die Frist endet sofort, wenn der
Unternehmer einvernehmlich mit der
Dienstleistung beginnt (§ 312 d III BGB)
oder der Verbraucher einen Datenträger
entsiegelt (§ 312 d IV Nr. 2).
Ersteres ist im Internet z.B. der Fall, wenn der
Verbraucher kostenpflichtig Content nutzt. Hier
wäre eine Rückabwicklung auch praktisch nicht
sinnvoll. Da hier Vertragsschluss und Nutzung in
der Regel sofort aufeinanderfolgen, ist das auf
dem Papier zunächst bestehende Widerrufsrecht
gleich wieder erloschen. Es spricht in diesen
Fällen einiges dafür, dass es dann auch keiner
Belehrung mehr über das Widerrufsrecht bedarf.
Für den Online-Download von z.B. Musik oder
Filmen greift diese Regelung nicht, weil es sich
um keine Dienstleistung, sondern um eine
Warenlieferung handelt (bei diesen Verträgen
besteht aber schon nach § 312 d IV Nr. 1 BGB gar
kein Widerrufsrecht, dazu sogleich).
Letzteres soll verhindern, dass ein Verbraucher
einen Datenträger kopiert und dann zurückgibt.
Ist der Datenträger nicht versiegelt, bleibt das
Widerrufsrecht bestehen und der Unternehmer
trägt die Missbrauchsgefahr.
Gesetzliche
Vorschriften
§ 312
d Widerrufs- und Rückgaberecht bei
Fernabsatzverträgen
(1) Dem
Verbraucher steht
bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach
§ 355 zu. Anstelle des
Widerrufsrechts kann dem
Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von
Waren ein Rückgaberecht
nach § 356 eingeräumt
werden.
(2) Die
Widerrufsfrist beginnt abweichend von § 355 Abs. 2
Satz 1 nicht vor Erfüllung der
Informationspflichten
gemäß § 312 c Abs. 2, bei der Lieferung von Waren
nicht vor dem Tag
ihres Eingangs beim Empfänger, bei der
wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht
vor dem Tag des Eingangs
der ersten Teillieferung und bei Dienstleistungen
nicht vor dem Tag
des Vertragsschlusses.
(3) Das
Widerrufsrecht erlischt bei einer Dienstleistung
auch, wenn der Unternehmer mit der
Ausführung der
Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des
Verbrauchers vor Ende der
Widerrufsfrist begonnen
hat oder der Verbraucher diese selbst veranlasst
hat.
(4) Das
Widerrufsrecht besteht, soweit nicht ein anderes
bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen
1. zur
Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation
angefertigt werden oder eindeutig
auf die persönlichen
Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die auf Grund
ihrer Beschaffenheit
nicht für eine
Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben
können oder deren
Verfalldatum überschritten würde,
2. zur
Lieferung von Audio- oder Videoaufzeichnungen oder
von Software, sofern die gelieferten
Datenträger vom
Verbraucher entsiegelt worden sind,
3. zur
Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und
Illustrierten,
4. zur
Erbringung von Wett- und Lotterie-Dienstleistungen
oder
5. die
in der Form von Versteigerungen (§ 156) geschlossen
werden.
(5) Das
Widerrufsrecht besteht ferner nicht bei
Fernabsatzverträgen, bei denen dem Verbraucher
bereits auf Grund der §§ 499 bis 507 ein Widerrufs-
oder Rückgaberecht nach § 355 oder § 356 zusteht.
Bei solchen Verträgen gilt Absatz 2 entsprechend.
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